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83-jähriger Brumbyer erinnert sich an die letzten Kriegstage / Brückenkopf Barby ging in die Geschichte ein "Können Sie mir sagen, wo hier die Front verläuft?"

Von Thomas Linßner 26.04.2014, 03:16

Werner Schacke (83) ist der letzte bekannte Augenzeuge, der über die Ereignisse vom April 1945 berichten kann, als die Amerikaner Brumby einnahmen. Ihren Weg setzten sie in Richtung Elbe fort, wo die Kämpfe um den Brückenkopf Barby stattfanden

Brumby/Barby l Ab Mitte März 1945 kamen die amerikanischen Truppen in ihrem Vormarsch nach Mitteldeutschland im rasanten Tempo voran. Zu diesem Zeitpunkt machte die Kanonenbahn ihrem Namen noch alle Ehre. Auf ihr rollten die deutschen Militärzüge zwischen Barby, Calbe (West) und Güsten. Ein gravierendes Erlebnis verbindet der Brumbyer Werner Schacke mit jenen Tagen. Seine Eltern bewirtschafteten 11,5 Hektar Land neben der Bahnlinie, die sich bei Brumby tief in den eiszeitlichen Hügel schneidet.

Am 12. April, die Front war bereits in hörbarer Nähe, hatten Werner und Eltern noch die Nerven, Mohrrüben aus der Miete direkt neben der Bahn zu holen. "Ich werde diesen Tag nicht vergessen", blickt Werner Schacke auf die Brücke. "Es muss so gegen halb Zwei nachmittags gewesen sein, als aus Richtung Calbe ein Güterzug mit leichten Infanteriegeschützen anrollte." Es war der Infanteriegeschützzug des 2. Bataillons 1054 der Division Potsdam auf dem Weg zur "Festung Harz". Der Zug hatte vermutlich vor amerikanischen Tieffliegern Deckung gesucht. Die tiefe Bahnscharte mit der Brücke boten einen natürlichen Schutz. "Die jungen Soldaten haben sich bei uns mit Mohrrüben eingedeckt", erinnert sich Schacke. Ranghöchster Offizier sei ein Oberleutnant gewesen. "Der wollte von meinem Vater wissen, wo die Front verläuft", berichtet der 83-Jährige.

"Der Offizier hatte sich auf unserem Hof zusammen mit der Feldküche kurzzeitig einquartiert", so Schacke. Der Zug rollte nach Calbe (West) zurück, an der Westseite des Dorfes gruben sich die deutschen Soldaten ein, um die vorrückenden Amerikaner aufzuhalten. Die kamen am Nachmittag des 12. April. "Wir haben die Spähpanzer in etwa 700 Meter Entfernung beobachtet, wie sie über den Üllnitzer Berg kamen", weiß Schacke noch. Während sich die meisten Brumbyer in ihren Kellern in Sicherheit brachten, zeigten der damals 14-Jährige und sein gleichaltriger Freund leichtsinnigerweise keinen Respekt vor der Gefahr. Die Jungen suchten sich einen erhöhten Punkt, wo man die Kampfspitzen sehen konnte. So verfolgten die Beiden, wie ein US-Spähtrupp von den Verteidigern unter Beschuss genommen wurde. Die Amerikaner hätten sich sofort zurück gezogen. Doch mindestens zwei Soldaten seien gefallen. Die Amerikaner eröffneten darauf hin das Feuer auf Brumby: der Ochsenstall, ein Fabrikschornstein des Gutes wie auch die Windmühle wurden getroffen.

Schacke: "Nach dem Feuerüberfall machte ein Gefreiter bei dem deutschen Oberleutnant Meldung: Tote - keine, Schwerverletzte - keine, acht Leichtverwundete." Das habe er gehört, da der Offizier im Haus der Familie stationiert war. "Wir waren so was wie der Kompaniegefechtsstand", sagt 83-Jährige. Danach habe sich die Wehrmachtseinheit Richtung Köthen über die Calbenser Saalebrücke abgesetzt. Am 13. April wurde sie gesprengt.

Eine Erinnerung Werner Schackes lässt die dramatischen Ereignisse wie ein makaberes Sportereignis klingen: Als am Ende des deutschen Angriffs wieder Ruhe eingekehrt war, kamen US-Sanitäter in das Dorf, um zwei Vermisste ihrer Einheit zu suchen. Zu diesem Zeitpunkt befand sich noch deutsches Militär im Ort, Brumby hatte noch nicht kapituliert. Wie Schacke berichtet, befragte der herbei gerufene Brumbyer Pastor Horst Lahr einen deutschen Soldaten, der Auskunft geben konnte und die US-Sanitäter sogar zu dieser Stelle geführt haben soll. Die toten GI`s wurden geborgen, der deutsche Gefreite kehrte in seine Stellung zurück. Danach ging der Krieg weiter ... Am 13. April rückten die Amerikaner in Brumby ein. "White flags in the windows, haben die immer wieder gerufen", weiß Werner Schacke noch. Die Einwohner wurden damit aufgefordert, ihre Kapitulation mit weißen Fahnen deutlich zu machen.

(Werner Schackes Aussagen decken sich mit den Erinnerungen des Fahnenjunker-Offiziers Helmuth Kern, die Heinz Ulrich in dem Buch "Die Infanterie-Division Potsdam" veröffentlichte. Hier wird als ranghöchster Offizier ein Hauptmann Pichel genannt.)