Ausstellung macht an Förderschule (L) Güterglück Station Schüler setzen sich intensiv mit häuslicher Gewalt auseinander
"Zerrissen – Kinde als Opfer häuslicher Gewalt" heißt die Ausstellung, die in dieser Woche an der Förderschule (L) Güterglück Station gemacht hat. Gemeinsam klärten Ines Chlebowski und Christel Böttcher vom Wolfener Verein "Frauen helfen Frauen" die Schüler ab Klasse 6 über das sensible Thema auf.
Güterglück. "Was versteht ihr unter Gewalt?", wendet sich Ines Chlebowski an die Schüler aus der 8b. "Geschlagen werden", antwortet ein Junge. "Misshandlung", sagt ein Mädchen. "Seelische Gewalt", führt ein anderer ins Feld und fügt ergänzend hinzu: "Wenn man beleidigt wird." Schweigen herrscht indes, als die Jugendlichen nach ihren eigenen Erlebnissen gefragt werden. Es ist nicht leicht, vor anderen, vor Fremden, über Gewalt zu sprechen, die einem selbst widerfuhr oder die man gar selbst ausübte. So geht Ines Chlebowski zunächst weiter, kommt auf die Schautafeln zu sprechen, die einen Teil des Unterrichtsraums einnehmen.
"Zerrissen – Kinder als Opfer häuslicher Gewalt" ist der Titel der Ausstellung, bei der es sich um ein Gemeinschaftsprojekt des Ministeriums für Gesundheit und Soziales Sachsen-Anhalt, dem Landeskriminalamt und der LIKO, der Landesintervention und Koordinierung bei häuslicher Gewalt und Stalking, handelt. Der Verein "Frauen helfen Frauen", der in Wolfen ein Frauenhaus und ein Frauenzentrum betreibt, hat sie ausgeliehen, um damit in die Schulen zu gehen. So macht die Ausstellung in dieser Woche in der Güterglücker Förderschule Station. Danach zieht sie weiter ins Zerbster Francisceum, bevor sie im November erneut in der Rolandstadt und zwar in der Ganztagsschule Ciervisti die Kinder und Jugendlichen informieren wird.
"Häusliche Gewalt – wie kann man das definieren?", will Ines Chlebowski von den Achtklässlern wissen. "Wenn Kinder von Eltern geschlagen werden", lautet die Antwort. Doch genau das meint der Begriff nicht, lernen die Schüler. Stattdessen bezieht er sich auf Gewalt zwischen Erwachsenen, die in einer engen sozialen Beziehung leben, erläutert Ines Chlebowski.
Wie diese ausschauen kann, bekommen die Mädchen und Jungen vorgespielt. Aufmerksam lauschen sie dem Tondokument, auf dem eine Frau schildert, wie sie ihr Mann erst beschimpfte und beleidigte, einschüchterte und erniedrigte und sie glaubte, selbst Schuld daran zu haben, dass ihre Ehe nicht funktionierte. Deshalb blieb sie bei dem Mann, der ihr wenig später den Kontozugang verwehrte und sogar das Arbeiten verbot. Dann verprügelte er sie. Es sollte nicht das letzte Mal gewesen sein. Eines Tages hätte er sie fast vergewaltigt. Die Kinder hörten ihre Mutter schreien, liefen weinend zu den Nachbarn und riefen die Polizei. Erst da wusste die Frau, dass sie einen Schlussstrich ziehen muss …
Alle Schichten und Kulturen sind betroffen
Solche und ähnliche Geschichten hat Ines Chlebowski im Wolfener Frauenhaus schon gehört. Sie weiß auch, dass viele Opfer ihre Situation aus Scham, Angst oder wegen der Drohungen ihres Peinigers verharmlosen und Ausreden erfinden. "Jede vierte Frau erlebt mindestens einmal Gewalt in Paarbeziehungen, ein Drittel dieser Frauen sogar bis zum 40 Mal", zitiert sie aus einer Studie, die in der Ausstellung abgedruckt ist. In mehr als jedem zweiten Fall führt diese Gewalt zu Verletzungen, die in einem Drittel dieser Fälle so schwerwiegend sind, dass eine medizinische Versorgung nötig ist. "Jährlich sterben in Deutschland 300 Frauen an häuslicher Gewalt", berichtet Ines Chlebowski, wobei sie betont, dass häusliche Gewalt in allen Schichten und Kulturen vorkommt.
"Was schätzt Ihr wie oft?" Die Achtklässler sind sich da einig: "Häufig." So ist die Statistik nicht verwunderlich, dass über ein Fünftel aller Kinder und Jugendlichen zu Hause ein Klima von Gewalt und Demütigung erfahren. Auch in der Güterglücker Runde berichtet ein Junge, wie er miterlebte, dass sein Vater seine Mutter schlug. Während er offen redet, suchen andere Schüler später das persönliche Gespräch mit Ines Chlebowski und Christel Böttcher. Es ist eben ein heikles Thema, über das die beiden Frauen die Jugendlichen gestern Vormittag aufklären.
Als wichtigen Rat geben sie ihnen mit, Betroffenen ihre Schilderungen zu glauben. Zugleich erläutern sie ihnen, was sie tun können, wenn sie Zeugen oder Opfer häuslicher Gewalt werden. "Sucht Euch eine Person, der ihr Euch anvertrauen und mit der ihr gemeinsam überlegen könnt, was man tun kann", sagt Ines Chlebowski, nennt Freunde oder die Lehrerin als Beispiele. Auch verteilen sie unter den Schülern die Nummer des Kindernotrufs.