Kosten der Abwasserentsorgung Vermieter: Grundgebühren wie bisher verteilen
Die großen Zerbster Vermieter warnen davor, die Abwassergrundgebührenverteilung zu verändern. Der Abwasserzweckverband Elbe-Fläming erwägt dies im Zuge der Beratungen zur neuen Gebührenkalkulation für den Zeitraum 2011 bis 2013. Aktuell ist die Nenngröße des Trinkwasser-Hausanschlusses der Gebührenmaßstab – egal, wie viele Haushalte diesen Anschluss nutzen. Dies benachteiligt Einfamilienhaus-Bewohner, heißt es unter den Zweckverbandsvertretern.
Zerbst. Rund 11 000 Personen wohnen in den rund 5 000 Wohnungen zur Miete, die von den großen Zerbster Vermietern bewirtschaftet werden. Sie alle wären von einer veränderten Grundgebührenerhebung für die Abwasserentsorgung betroffen. Denn aktuell werden ihre Gebäude in der Regel durch Trinkwasserzähler der Nenngröße 2,5 versorgt, für den monatlich 22 Euro Abwassergrundgebühr fällig werden. Während sich die Mietparteien diese Gebühr teilen, trägt ihn der Einfamilienhaushalt – der in der Regel ebenfalls einen 2,5-er Trinkwaseranschluss hat – allein. Ungerecht, wird im Abwasserzweckverband gestöhnt, obgleich er selbst genau diese Gebührenverteilung 2007 beschlossen hatte.
Gesprächsdefizit
Ungerecht? Die Wohnungsunternehmen sehen dies nachdrücklich anders. Ungerecht wäre, jetzt jede Wohnung separat mit einer Grundgebühr zu belasten. Die Wohnungsverwalter wandten sich mit einem Brief an diejenigen Stadträte, die Zerbst im Abwasserzweckverband vertreten. Ein Gespräch wollten sie haben, um zu erklären. Als einzige Reaktion, so BWZ-Geschäftsführer Wolfgang Stark, habe man einen kühlen Verweis des Stadtratsvorsitzenden auf die Teilnahmemöglichkeit an Sitzungen erhalten. "Wir wollten und wollen die Konsequenzen darstellen für den Fall, dass der Gebührenmaßstab tatsächlich geändert wird." In Einwohnerfragestunden mochte man das jedoch nicht vortragen. Bis heute gab es keine Konsultationen. Und im Oktober soll im Abwasserzweckverband bereits entschieden werden.
Die Wohnungsverwalter schlagen Alarm. "Wir vertreten die Mehrheit der Bevölkerung. 5 000 Wohnungen, das sind etwa 11 000 Menschen. Das ist die Mehrheit in der Region", rechnet ZIMA-Geschäftsführer Herbert Metzker vor. Und auch mit dem Mieterverein Dessau, dem auch von Zerbstern bemühten Interessenvertreter, herrscht Einigkeit. "Die Mieter haben zum größten Teil ein geringes Einkommen. Hartz IV oder knapp darüber, Rentner. Das ist unsere Klientel. Die trifft es, wenn die Abwassergebühren pro Wohnung berechnet werden. Wo bleibt da die soziale Gerechtigkeit?", fragt Mieterverein-Geschäftsführerin Hannelore Paasch. "Wir begrüßen die Aktivitäten der Wohnungsgesellschaften gegen die Einführung einer wohnungsbezogenen Grundgebühr."
<6>Hubert Hall, stellvertretender Vorsitzender des Mietervereins, umreißt die üblichen Reaktionen am Beispiel der Rentner. "Die müssen erstmal bezahlen. Gehen dann zu den Ämtern, müssen die Übernahme der höheren Kosten beantragen. Doch der Landkreis legt die Sätze fest. Da stecken viele den Kopf in den Sand. Klar, man hätte die Antragsmöglichkeit, dass dies als außergewöhnliche Belastung übernommen wird. Aber ich glaube, man rechnet auf Bundesebene sogar damit, dass nicht jeder sich dieses Verfahren antut."
Belastbarkeit
Knut Jacob, Geschäftsführer der Wohnungsgenossenschaft Frohe Zukunft, hakt hier ein. "Und Nachzahlungen der Betriebskosten sind gar nicht abrufbar. Obwohl diese Beträge erst ein Jahr nach Entstehen deutlich werden – man kann sie nicht mehr geltend machen." Steigende Mietkosten, so Jacob weiter, seien nicht verkraftbar. "Das fängt bei den Müllgebühren an, setzt sich über die bereits von den kommunalen Spitzenverbänden ins Auge gefasste Grundsteuererhöhung fort. Und jetzt die Abwassergrundgebühr. Das wird die Bruttowarmmietenbelastbarkeit der Mieter überschreiten." Er befürchtet für den Fall, dass die Abwassergrundgebühr tatsächlich im nächsten Kalkulationszeitraum (2011 bis 2013) pro Wohnung erhoben wird, dass die "ganze Wahrheit erst zum Ende 2012 sichtbar wird, wenn die Abrechnung der Betriebskosten erfolgt. Dann werden wir auf Nachzahlungen sitzen bleiben."
Jacob interessiert zudem, ob auch die Unternehmen im Verbandsgebiet in eine geänderte Gebührenerhebung einbezogen wären. "Man kann doch nicht alles auf den kleinen Mann abladen."
Vierte Änderung
BWZ-Geschäftsführer Wolfgang Stark sagt das anders: "Da werden dann ein weiteres Mal die Verluste sozialisiert". Er ist erbost über die "Unverlässlichkeit der politischen Entscheidungen in der Zweckverbandsversammlung. Man redet jetzt über die vierte grundsätzliche Veränderung des Gebührenmaßstabes seit dem Jahr 2000. Das ist unmöglich! Jedes Mal hatten wir uns auf die neuen Bemessungsgrößen einzustellen, und noch immer gibt es keine Ruhe."
Vor 2004, zählt Stark auf, wurde die Abwassergrundgebühr pro Kopf erhoben: 35,99 Euro pro Kopf und Jahr. Dem folgte bis Ende 2007 die Abrechnung per Mengengebühr. Dann wurde eine Grundgebühr auf die Trinkwasser-Zählergröße bezogen: Je größer der vorhandene Zähler, um so höher die Grundgebühr. "Was denken sich die Herrschaften? Wir haben extra deshalb zahlreiche Trinkwasserhausanschlüsse auf eigene Kosten umgebaut, ohne dass die alten defekt gewesen wären. Und dieser Aufwand würde sich als unnütz erweisen, sollte der Gebührenmaßstab nun auf die Wohnungen orientieren." Stark sieht zudem "überhaupt keinen Handlungsbedarf, den Gebührenmaßstab zu verändern. Es gab ganze sechs Widersprüche, als auf Hausanschluss-Durchflussmenge umgestellt wurde."
Herbert Metzker befürchtet Betriebskosten-Steigerungen von über 50 Cent pro Quadratmeter und Monat, sollten Abwasser- und Abfallkosten wie befürchtet steigen. "Warum setzen sich die gewählten Volksvertreter nicht mit den Betroffenen an einen Tisch? Wir hätten gern mal die Leerstandsproblematik angesprochen. Wie will man das lösen? Das ist den Gremien bestimmt so nicht bekannt!" Der Wohnungs-verwalter sei der "direkte Schuldner. Es handelt sich um eine kommunale Gebühr, die ist sofort vollstreckbar. Wir wollen uns aber nicht juristisch mit dem Thema auseinandersetzen, sondern im Vorfeld unsere Positionen und vor allem die Auswirkungen darstellen."
Hubert Hall zählt auf: "Können die Mieter nicht zahlen, weil die Kosten der Unterkunft gedeckelt sind, muss umgezogen werden. Auch das trägt dann wieder die Kommune. Ich finde, hier wird das Sozialstaatsprinzip verletzt. Und ignoriert, dass die Kommunen Dienstleister sein sollen."
Nur Mengengebühr?
Die Zerbster Wohnungswirtschaft sucht das Gespräch. Und beruft sich auch auf die Forderung von Rolf Thiel. Der Zerbster hatte über 2500 Unterschriften zur gänzlichen Abschaffung der Grundgebühr zusammengetragen. "Wir sind uns mit Herrn Thiel in unserer Position gegen eine Grundgebühr sehr einig. Allerdings sehen wir keine rechtliche Möglichkeit, die Abwasserbeseitigungskosten ausschließlich über eine Mengengebühr einzutreiben", sagt Jacob.
Stark ergänzt: "Wir sprechen also nicht nur für 5 000 Haushalte, sondern auch als Interessenvertreter aller Mieter und der 2 500 Personen, die auf den Listen von Herrn Thiel stehen. Diese sind gegen eine Grundgebühr, also auch gegen eine Erhöhung der Grundgebühr."
Thiel, während des Pressetermins verreist, erklärte schriftlich, dass fortgesetztes Ändern am System der Gebührenerhebung vor allem leidige Diskussionen bewirke. Ebenso finde er die aktuelle Grundgebühr insgesamt zu hoch und deshalb ungerecht. Grundsätzlich sei und bleibe er für ihre Abschaffung.