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Getreideernte 2011 Viel zu feucht: Landwirte nutzen jede trockene Minute

Von Thomas Drechsel 18.07.2011, 04:32

Die hiesigen Landwirte brauchen dringend Ernte-Wetter. Die Erträge werden ohnehin unter den Durchschnittswerten anderer Jahre ausfallen. Bleibt es weiter nass, könnte das Getreide sogar auf dem Halm verderben. Allerdings: Die Rüben-, Mais- und Sonnenblumenbestände haben sich ordentlich erholen können.

Zerbst. Zwei Wochen Sommer am Stück - das wäre was. Joachim Wuttig wünscht sich das Wetter nicht für den Urlaub, sondern für die Ernte. Der Agrico-Vorstand hat zwei der vier firmeneigenen Mähdrescher am Sonnabend in den Raps-Schlag bei Hohenlepte geschickt. Der muss gedroschen werden, doch dazu sollte er trocken sein. Die letzten Tage hat es täglich geregnet. "Raps steht luftiger als das Getreide, der trocknet schneller. Aber die aufsteigende Feuchtigkeit aus dem Boden lässt eben selbst den Raps nicht so schnell trocknen. Ein sonniger Tag allein hilft also nicht viel."

Dennoch rückten die beiden Mähdrescher am Sonnabendnachmittag auf dem rund 46 Hektar großen Schlag zwischen Hohenlepte und Eichholz aus. "Die schaffen auch noch den benachbarten Schlag", meint Wuttigs Vorstands-Partner Peter Gottschalk. Er fuhr selbst eine Runde mit, wollte die Mähdrescher funktionieren sehen. 50 Hektar pro Tag kann jede dieser komplexen Maschinen abernten - wenn sie morgens beginnen kann. "Aber heute sind wir spät dran. Es war am Vormittag viel zu feucht", so Gottschalk.

Unterdessen sind die beiden anderen Agrico-Mähdrescher auf Raps-Schlägen zwischen Lietzo und Deetz im Einsatz. "Die Wintergerste ist längst runter. Jetzt klauen wir, wann immer es die Witterung zulässt, den Raps von den Feldern. Und dann brauchen wir gutes Wetter für den Roggen und den Weizen", meint Wuttig. "Die Ernte ist erst vorbei, wenn sie im Sack ist. Die alte Wahrheit stimmt noch immer." Die Agrico hat insgesamt rund 1200 Hektar mit Roggen, 600 Hektar mit Weizen, rund 210 Hektar mit Wintergerste und rund 750 Hektar mit Raps bestellt. "Die Gerste ist runter, mit etwa 35 Prozent unterdurchschnittlichen Erträgen", schätzt Wuttig ein. Je nach Schlag ein paar Tage hin oder her - grundsätzlich ist das Getreide reif und "muss jetzt rein". Besonders der Roggen, der mit höchster Qualität für Burger Knäcke vorgesehen ist, muss gedroschen sein, ehe er Schaden nimmt. Mindestens 20 Drusch-Tage würde die Agrico-Mannschaft brauchen, um das gesamte eigene Getreide zu ernten - bei guter Witterung.

Kein Landwirt stöhnt, aber jeder stellt fest: Die 2011er Erträge werden unter dem Durchschnitt bleiben. "Da war über viele Wochen diese stehende Nässe. Dann hatten wir die Trockenheit in der Wachstumsphase, zugleich waren etliche Flächen noch immer unter Wasser. Und jetzt, zur Ernte, diese ständig wechselnden Witterungsbedingungen. Nein, das wird eine deutlich unterdurchschnittliche Ernte", schätzt Wuttig ein.

Heinz Vierenklee, der Geschäfstführer des Bauernverbandes Anhalt, stellt dasselbe fest. Vor allem die Wachstumsausfälle durch die Trockenheit im Frühjahr bewirken Ausfälle beim Getreide um "30 bis 50 Prozent. Beim Raps dürften sie sogar noch darunter liegen", schätzt Vierenklee ein. "Und jetzt dieses Wetter. Es war die vergangenen Tage einfach deutlich zu feucht. Das Korn ist reif. Wenn es jetzt nicht reinkommt, droht Pilzbefall, es wird krank, es verdirbt." Im Köthener Bereich gebe es bereits "schwarzes Getreide, und auch in den ersten Zerbster Ecken sieht es gar nicht gut aus."

So schlecht die Niederschläge fürs Getreide sind, so willkommen sind sie bei Rüben, Mais und Sonnenblumen. "Die Kulturen sahen schlecht aus, ganz besonders die Sonnenblume. Doch sie erholen sich jetzt erstaunlich gut. Die Rüben stehen, und sogar der Mais, der auf den wegen der stehenden Nässe umgebrochenen einsti-gen Raps-Bereichen ausgebracht wurde, kommt recht gut auf. Naja, und bei der Sonnenblume muss man noch abwarten und dann schauen, was drin ist in den Blüten."

Dem Getreide jedoch hat dieses Stündlein gerade geschlagen. Auch Vierenklee macht sich Sorgen, und auch er will keinesfalls in den Urlaub, wenn er sich "ein paar warme trockene Tage und einen kuscheligen Wind" wünscht.