Artenschutz Vogel der Superlative in Zerbst
Die Großtrappe, der in Deutschland fast ausgestorbene Vogel, soll in Zerbst eine Heimat finden - wieder.
Zerbst l Dicke, weiße Federkugeln – einst trollten sie sich im Frühjahr durch die Landschaft im Zerbster Umland. Immer dann, wenn die Paarungszeit der Großtrappe war.
Dieser außergewöhnliche Vogel war nämlich einst hier heimisch. Und das ist noch gar nicht so lange her. 1995 zählte man die letzten etwa fünf Großtrappen, 1997 war die Art in Zerbst ausgestorben.
Zur Balzzeit werfen die Männchen der Großtrappen ihr sonst eher braunes Federkleid so dermaßen aufwendig auf, dass sie ihr schneeweißes Untergefieder so nach außen drücken, dass sie wie weiße Federkugeln in der Landschaft stehen. Damit wollen sie die Gunst der Damen erhaschen.
Doch dieses Bild ist eben längst Vergangenheit. Oder doch nicht? Wenn es nach den Mitgliedern des Fördervereins Großtrappenschutz geht, dann sollte dieses Bild eher Zukunft sein. Denn sie wollen die Großtrappe wieder im Zerbster Land ansiedeln.
Mit diesem Wunsch stehen sie nicht allein da, denn sie bekommen starken (finanziellen) Rückhalt aus dem Umweltministerium Sachsen-Anhalts. Verein und Ministerium präsentierten vergangene Woche stolz die Machbarkeitsstudie zur Wiederansiedlung der Großtrappe im Vogelschutzgebiet Zerbster Land - im Gebiet Osterwesten. Um das Ergebnis der Studie vorweg zu nehmen: Es sieht gut aus für die Großtrappe im Zerbster Land.
Der Förderverein Großtrappenschutz bringt viel Erfahrung mit. Seit Jahren kümmert er sich darum, die Population der Großtrappe im Fiener Bruch im Jerichower Land zu stabilisieren und aufzubauen – mit Erfolg.
Zwar war es dort keine Wiederansiedlung, doch bei einer Anzahl von nur noch 5 (Jahr 2000) zu 107 (2019), weiß der Verein augenscheinlich, was er tut.
Warum will man aber nun unbedingt die Großtrappe wieder ins Zerbster Land bringen? Für René Köhler vom Förderverein Großtrappenschutz liegen die Fakten auf der Hand: „Seit 1992 ist das Gebiet Zerbster Land erklärtes Schutzgebiet. Hier in der Region gibt es genügend unverbaute Flugkorridore, die die Großtrappe braucht und einen hohen Anteil an Offenlandflächen, so dass die Trappen ihre Feinde rechtzeitig erkennen können.“
Außerdem wäre ein Hoffen auf eine natürliche Wiederansiedlung vermutlich vergebens. Auch wenn die Vermutung nahe liegt, da die Großtrappe im nur 30 Kilometer entfernten Fiener Bruch ja nun wieder mit steigender Zahl heimisch ist. „Angeblich gab es auch wieder Sichtungen von Großtrappen in der Zerbster Region, aber das sind dann eher Jungvögel, die nach Partnern suchen. Sie landen dann in dieser Region, da sie sie als Lebensraum anspricht, aber treffen eben auf keine Artgenossen. Und da ist die Großtrappe wie der Mensch: „Sie ist gesellig, will nicht allein sein. Findet sich also niemand, fliegen sie wieder weg“, erklärt Köhler eventuelle Sichtungen. So ist eben auch weltweit noch nicht eine natürliche Wiederbesiedlung nachgewiesen. Es muss also nachgeholfen werden.
Und genau das ist jetzt der Plan. Man will Jungtiere in dem Gebiet Osterwesten aussetzen. Die ersten ein bis zwei Jahre etwa zehn Tiere, um die Auswilderung anzupassen, denn die Jungtiere kommen aus dem Fiener Bruch oder Brandenburg. Eier werden dort aus gefährdeten Nestern entnommen und in einer extra Station für Großtrappen ausgebrütet und von Hand aufgezogen. Dann werden sie wieder in die Natur gesetzt und ausgewildert.
Ist die Auswilderung an das Gebiet angepasst, sollen pro Jahr sogar etwa 20 Jungtiere eingesetzt werden.
Doch bevor es losgehen kann, muss noch ein Menge an Vorbereitungen getroffen werden: störungsarme und insektenreiche Gebiete, so wie ein sicherer Raum für die Nester und Jungvögel müssen geschaffen werden. Beides geht aber Hand in Hand, meint Großtrappen-Experte Köhler.
Man wird eine 14 Hektar große Fläche einzäunen. 2,50 Meter ist der Zaun hoch mit einem angeschrägten Überkletterschutz, und er ist 50 Zentimeter tief in die Erde eingelassen – durchgängig, damit sich keine Feinde durchgraben können. Auf dieser geschützten Fläche könnten die Großtrappen dann ungestört brüten und die Jungtiere aufwachsen. Genau so funktioniert es auch im Fiener Bruch.
Die Großtrappen scheinen da pfiffige Tiere zu sein. Sie erkennen schnell, wo sie nicht gefährdet sind und nehmen wohl schnell von allein so ein geschütztes Gebiet ein, weiß Marcus Borchert. Er ist der Vorsitzende des Fördervereines Großtrappenschutz und ebenfalls Experte für diese Tiere. In diesem geschützten Gebiet entwickele sich dann auch eine höhere Artenvielfalt und auch die Insekten würden mehr, auch wegen allen anderen geänderten Umständen.
Man sei bereits in Gesprächen mit Fachbehörden der Region und vor allem mit den Landwirten und der Jägerschaft. „Wir arbeiten nicht gegen die Landwirtschaft, sie ist unser Partner“, betont Borchert. Ein wichtiger Aspekt, denn die Art und Weise der Landwirtschaft zu DDR-Zeiten war wohl auch ein Grund, warum die Großtrappe Stück für Stück im Zerbster Land ausgerottet wurde.
Gerade das Gebiet Osterwesten, das dem Land Sachsen-Anhalt gehört, ist an einen Landwirt verpachtet. „Hier haben wir schon eine Einigung gefunden. Das Land wird trappengerecht von ihm bewirtschaftet werden. Da das weniger Ertrag für ihn bringt, kommt das Umweltministerium ihm entgegen. Der Pachtvertrag bleibt erhalten, aber es muss keine Pacht gezahlt werden. Zudem gibt es eine Flächenprämie“, erklärt Borchert die ersten Erfolge in der Vorbereitung für das große Projekt.
Jäger sollen dazu geholt werden, um rings um das vom Zaun geschützte Gebiet Fallen zu stellen, um vor allem vor Marderhunden und Waschbären zu schützen. „Ohne das geht es nicht“, wissen beide Experten. Vielleicht müssen sogar zu hohe Bäume gefällt werden, um Angriffe von Greifvögeln zu verhindern. Aber das wird man sehen.
Marcus Borchert sieht absolut positiv in die Zukunft: „Die Wiederansiedlung der Großtrappe im Zerbster Land hat sehr hohe Erfolgsaussichten.“ Und hat dabei Umweltministerin Claudia Dalbert (Grüne) an seiner Seite: „Wir werden alles tun, um die Population weiter zu stärken“, sagt sie. Den ersten Schritt für das Gelingen des Projektes hat sie bereits mit getragen: 10 300 Euro für die Planung des Zaunes hat das Land Sachsen-Anhalt in diesem Jahr schon auf den Tisch gelegt. Außerdem wird der Förderverein Großtrappenschutz seit diesem Jahr mit jährlich 60.000 Euro gefördert, dazu kommen Fördergelder für Projekte, die der Verein zu laufen hat.