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Pandemie Wird Zerbst zum Corona-Hotspot?

Die Zahl der Corona-Infizierten in Zerbst steigt rasant an. Der Inzidenzwert für Zerbst liegt derzeit bei 90.

Von Thomas Kirchner 28.10.2020, 00:01

Zerbst l Innerhalb von fünf Tagen haben sich im Landkreis Anhalt-Bitterfeld 21 weitere Personen mit Covid-19 infiziert, 13 allein in der Einheitsgemeinde Zerbst – sieben Männer und sechs Frauen. Dies teilte Landkreissprecher Udo Pawelczyk mit. Die Mehrheit der 21 Neuerkrankten seien Kontaktpersonen. Innerhalb einer Woche gab es 21 Neuinfektionen allein in Zerbst.

Rechnet man die neuen Infektionen auf 100.000 Einwohner um, ergibt sich ein Inzidenzwert in der Einheitsgemeinde von rund 90. Der Grenzwert liegt bei 50 Neuinfektionen auf 100 000 Einwohner. Aufgrund der eher niedrigen Werte in anderen Kommunen liegt der Inzidenzwert für den gesamten Landkreis bei 18,3 (Stand: 27. Oktober, 0.00 Uhr).

„Seit Ausbruch der Pandemie wurde bei insgesamt 168 Personen eine Corona-Infektion festgestellt“, so der Landkreissprecher. 118 Personen gälten als genesen. Somit sind momentan 50 Menschen mit dem Coronavirus infiziert. Zwei Personen starben an oder mit dem Virus. Von den bislang erfolgten Quarantäneverfügungen sind derzeit 221 noch aktiv – 80 davon allein in der Einheitsgemeinde Zerbst. „Derzeit werden zwei Patienten mit einer Sars-CoV2-Infektion in der Zerbster Helios-Klinik behandelt“, wie Kliniksprecherin Christiane Hildebrandt auf Nachfrage informiert.

Bürgermeister Andreas Dittmann (SPD) zeigt sich überrascht, dass Zerbst in Medienberichten als Risikogebiet bezeichnet wurde. „Ich habe nach Erscheinen der Meldung im Internet mit Landrat Uwe Schulze telefoniert, der sich von der Einordnung genauso überrascht zeigte“, sagt Dittmann. Der Landkreis bewerte die kreisangehörigen Gemeinden nicht gesondert, sondern stellt insgesamt auf die Infektionszahlen im gesamten Landkreis ab. „Der dafür maßgebliche Wert lag am Dienstag aktuell bei 18,3 für Anhalt-Bitterfeld“, betont der Rathauschef.

Dittmann: „Auch wenn sich die Meldung, dass Zerbst ein Risikogebiet sei, als falsch herausgestellt hat, darf uns das nicht sorglos machen. Es hat uns vor Augen geführt, dass es reicht, den Betrachtungsradius zu ändern, um in eine dramatisch andere Situation zu geraten.“ Er könne deshalb nur an alle Bürger appellieren, die notwendige Vor- und Umsicht nicht außer Acht zu lassen. „Wir haben es im Wortsinn in der eigenen Hand, mit welchen Einschränkungen wir leben müssen“, mahnt der Bürgermeister.

Dittmanns Appell: „Wir wollen keine geschlossenen Pflegeeinrichtungen, Schulen und Kindertagesstätten, wir wollen nicht, dass Geschäfte und Handwerksbetriebe schließen müssen. Wir wollen nicht, dass unsere Familienangehörigen und Freunde erkranken. Dafür auch mal auf eine große Feier zu verzichten oder eben eine Mund-Nasen-Bedeckung zu tragen, erscheint mir eine vertretbare Belastung. Für alle bereits mit dem Covid-19-Virus Infizierten hoffe ich auf einen milden Verlauf und dass sie schnell wieder gesund sind.“

Das sieht Bernhard Böddeker ähnlich. „Zerbst ist kein Risikogebiet“, betont der stellvertretende Landrat auf Volksstimme-Nachfrage. Es mache keinen Sinn für jede Gemeinde innerhalb des Landkreises den Inzidenzwert zu errechnen. „Nach wie vor ist der Wert des gesamten Landkreises ausschlaggebend – und der liegt bei 18,3. Die Mehrzahl der letzten Neuinfektionen in der Einheitsgemeinde Zerbst seien auf ein Ereignis zurückzuführen. „Dabei handelt es sich um einen Ausflug einer größeren Gruppe, wo schon eine Person Symptome zeigte und so andere infiziert hat“, erklärt Böddeker. Das Geschehen sei damit unter Kontrolle.

Darum sei es wichtig, sich an die Kontaktbeschränkungen zu halten, erst recht, wenn Personen schon Symptome zeigen. „Hier sollte unbedingt abgeklärt werden, ob es sich um eine Grippe oder um Covid-19 handelt“, mahnt Böddeker. Er gehe davon aus, dass in den nächsten Tagen beispielsweise die Maskenpflicht ausgeweitet sowie die Kontakte und Veranstaltungen weiter eingeschränkt werden.

„Dies wird aber ortsbezogen passieren, also in den Gemeinden mit hohen und steigenden Fallzahlen“, sagt Böddeker und ergänzt: „Derzeit sind wir dabei, sechs Teams à drei Personen zur Kontaktnachverfolgung zusammenzustellen, die im Übrigen noch gut funktioniert. Auch die Corona-Hotline bauen wir weiter aus“, macht Böddeker deutlich.

Die Zerbster Helios-Klinik hatte schon vergangene Woche auf die steigenden Infektionszahlen reagiert und einen Besucherstopp verhängt. „Vorläufig sind grundsätzlich keine Besuche und Begleitungen von Patienten möglich. Bei schwer- und gehbehinderten Patienten und Kindern sind Begleitpersonen jedoch gestattet“, sagte Klinik-Geschäftsführer Thomas Schröder der Volksstimme.

Das AWO-Seniorenzentrum „Haus am Frauentor“ ist für den Besucherverkehr geschlossen. „Wer bei uns rein möchte, muss klingeln und einen Fragebogen ausfüllen, auf dem auch nach Reisen und Kontakten gefragt wird“, sagt Dorett Funke, Pflegedienst- und stellvertretende Einrichtungsleiterin der Volksstimme. Dann werde entschieden, ob der Besucher das Haus betreten darf. Das handhabe man allerdings schon eine ganze Weile so. „Außerdem finden regelmäßig Beratungen im Landesverband der AWO statt, wo über die Maßnahmen entschieden wird“, so Funke.

Im Haus „Willy Wegener“ Am Plan gelten momentan eingeschränkte Besuchszeiten. „Montag bis Donnerstag von 14 bis 16.30 Uhr und freitags zwischen 9 und 11 Uhr kann maximal eine Person für eine Stunde einen Bewohner besuchen. Am Wochenende ist dies momentan leider nicht möglich“, erklärt Einrichtungsleiter Thomas Liss gegenüber der Volksstimme. Außerdem müssten ein Mund-Nasen-Schutz getragen, die Hände desinfiziert und die Abstandsregeln eingehalten werden. „Die Besuchszeiten gelten vorerst für drei Wochen“, betont Liss.

In der Residenz „Valenta“ in der Jüdenstraße gelten seit Freitag ebenfalls verschärfte Besuchsregeln. „Angehörige, die Bewohner besuchen möchten, müssen derzeit vorher einen Termin mit der Hausleitung vereinbaren. Die Besuche finden in unserem Veranstaltungsraum statt. Besucher dürfen nicht in Wohnbereiche. Außerdem mussten wir die Besuche auf einen pro Woche und Bewohner reduzieren“, erläutert Einrichtungsleiterin Sabine Meyer.

Im Übrigen werde strikt darauf geachtet, dass der Mindestabstand eingehalten und ein Mund-Nasen-Schutz getragen wird. Die Bewohner werden von den Wohnbereichen in den Veranstaltungsraum und wieder zurück gebracht. Außerdem seien kleine Spaziergänge im Garten möglich. „Das ist ein enormer logistischer Aufwand, und ich weiß, dass diese Maßnahmen allen viel abverlangen“, betont Sabine Meyer. Deshalb gelten diese verschärften Maßnahmen erst einmal für zwei Wochen. Dann werde man die Situation neu beurteilen.

Die Corona-Hotline des Landkreises ist werktags von 9 bis 15 Uhr unter 03496/60 1234 oder per Mail unter buergertelefon@anhalt-bitterfeld.de erreichbar.