Öffentlicher Nahverkehr Zerbster Bahnhof wechselt den Besitzer - Eigentümer, Stadt und Nasa planen Sanierung des historischen Gebäudes
Ein bisheriges Ärgernis für alle Zerbster – das bröckelnde Bahnhofsgebäude. Das hat nun neue Besitzer, die jetzt gemeinsam mit der Stadt Zerbst/Anhalt und der Nahverkehrsservice Sachsen-Anhalt GmbH endlich wieder öffentliches Leben in das historische Gebäude bringen wollen. Schnell geht das allerdings nicht.
Zerbst - Jenny und Christian Schulz sind die neuen Besitzer des Zerbster Bahnhofsgebäudes. Das Paar aus der Altmark will dem denkmalgeschützten Gebäude so schnell wie möglich wieder Leben einhauchen. Doch mit einem Gerüst und ein paar Eimern Farbe ist es bei Weitem nicht getan.
Hier scheint Gut Ding wirklich Weile zu brauchen, denn der Verfall ist weit fortgeschrittener als von außen sichtbar. Und schon da ist der Eindruck eher ein gruseliger – kaputtes Dach, zugenagelte Türen und Fenster, meterhohes Unkraut, Graffitis. Auch innen sieht es nicht besser aus: Löcher in den Decken, herunter hängende Kabel, jede Menge Müll und Taubenkot, wohin das Auge blickt. Dennoch wollen Jenny und Christian Schulz die Sanierung angehen.
Das Ehepaar hat sich deshalb am vergangenen Dienstag mit Bürgermeister Andreas Dittmann (SPD), Peter Panitz, Geschäftsführer der Nahverkehrsservice Sachsen-Anhalt GmbH (Nasa), Mario Krokotsch, Abteilungsleiter Infrastruktur bei der Nasa, Martina Linke, Leiterin der Stadtbibliothek und Sandy Schneider, zuständige Sachbearbeiterin Revitalisierung von Empfangsgebäuden (Revita), getroffen, um das weitere Vorgehen bezüglich der Sanierung und des Ausbaus zu besprechen.
Einig war sich die Runde, dass der Fahrkartenverkauf, ein Wartebereich mit beispielsweise einem Bistro oder Imbiss und Toiletten wieder in das historische Gebäude einziehen müssen. Auch für den Rest des Gebäudes gibt es eine Idee, für die es in der Runde große Zustimmung gab – der Umbau zu einem „Lesebahnhof“. Das heißt: In die restlichen Räume und Säle des Erdgeschosses könnte die Zerbster Stadtbibliothek einziehen.
Architekturbüro soll Kosten ausloten
Hier hat man ein wenig abgeguckt, denn die „Bibliothek im Bahnhof“ gibt es bereits in Luckenwalde, wo sich der Rathauschef, die Bibliotheksleiterin und das Ehepaar Schulz vor Ort umgesehen und sich „bleibende Eindrücke verschafft haben“, wie sie berichteten. „Doch bis in der großen Eingangs- und Empfangshalle mit der imposanten Holzdecke wie angedacht Veranstaltungen wie Lesungen und Konzerte stattfinden können, ist es noch ein weiter Weg“, machte Dittmann deutlich.
Für Beides sollen entsprechende Förderprogramme angezapft werden, für den Bereich der Reisenden der Fördertopf zur Revitalisierung von Empfangsgebäuden, der auch die Sanierung der äußeren Hülle einschließt und für den Lese-Bahnhof das Strukturstärkungsgesetz. „Die Beantragung von Fördermitteln braucht allerdings Zeit“, wissen Panitz und Dittmann aus Erfahrung. Um es bahntechnisch auszudrücken – eher Regionalbahn (RB) als Intercityexpress (ICE).
Ehepaar Schulz hat bereits Bahnhof in Salzwedel saniert
Was aber eher schnell geschehen soll, ist, dass das äußere Umfeld in einen ordentlichen Zustand gebracht wird. „Für den Innenaus- und Umbau werden wir ein Architekturbüro beauftragen, das die Art und den Umfang der Arbeiten sowie eine Kostenschätzung ermitteln wird, die zur Beantragung entsprechender Fördermittel benötigt wird“, sagte Dittmann.
Das Ehepaar Schulz ist nicht ganz unbedarft, was den Kauf und die Sanierung von maroden Bahnhofsgebäuden betrifft. Schon in Salzwedel haben sie dem Bahnhof zu neuem Glanz verholfen. „Für uns hat die Erfahrung im Bezug auf den Salzwedeler Bahnhof ganz viel bewirkt, die Freude, dass man einfach etwas an die Gesellschaft zurückgeben kann“, sind sich Jenny und Christian Schulz einig.
Absehbares Ende eines leidigen Themas
Es sei ein Idealfall, wenn man Paten wie das Land, die Nasa und die Stadt Zerbst an seiner Seite hat und so Positives bewirken kann. „Der Kauf habe sich angeboten „und wir haben uns bei Andreas Dittmann während der ersten Gespräche gut aufgehoben gefühlt. Es ist einfach schön, wenn die Stadt bei solchen Projekten auch mitzieht“, freut sich das Ehepaar aus der Altmark.
Die Freude über das absehbare Ende eines über Jahre währenden und leidigen Themas ist ganz auf Seiten des Rathauschefs. „Der Bahnhof ist ein Angstraum und vor allem ein schlechtes Aushängeschild für die Stadt und dessen Bürger. Jeder Besucher hält den Atem an, wenn er aus dem Zug steigt und das Bahnhofsgebäude sieht“, sagt Dittmann. Was man im Umfeld bereits gemeinsam mit der Nasa geschaffen habe, könne nun am Bahnhofsgebäude selbst fortgesetzt werden. „Was unter dem vorherigen Eigentümer kaum denkbar war, können wir jetzt gemeinsam voranbringen, nämlich dem historischen und denkmalgeschützten Gebäude wieder öffentliches Leben einzuhauchen, vorausgesetzt der Stadtrat folgt der Idee“, betont Dittmann.
Nasa will mit Förderprogrammen unterstützen
Auch für den Nasa-Geschäftsführer ist die neue Situation ein Grund zur Freude. „Für uns sind offene und funktionierende Bahnhofsgebäude sehr wichtig. In Zerbst gibt es werktäglich rund 1000 Ein- und Aussteiger, was für Sachsen-Anhalt eine sehr gute Zahl ist“, erklärt Peter Panitz.
Es könne nicht angehen, dass für die Fahrgäste keine Angebote vorgehalten werden und im Grunde eine Ruine am Bahnsteig steht, die die Aufenthaltsqualität der Reisenden massiv beeinträchtigt und den Vandalismus herausfordert. „Deshalb ist es für uns ganz wichtig, dass sich Eigentümer finden, die bereit sind, zu investieren, die wir dann mit den möglichen Förderprogrammen unterstützen“, so der Nasa-Geschäftsführer.