Wahl „Magdeburger des Jahres“ Magdeburger Kulturszene vereint sich für Sommerfestival
Evelyn Fischer und Björn Zwernemann stehen stellvertretend für das ehrenamtliche Kollektiv, das im Sommer die Stadtfelder Glacis-Anlagen in ein Festivalgelände verwandelt. Jetzt stehen sie zur Wahl zum „Magdeburger des Jahres“ 2022.
Magdeburg - Wer an diesem Sonnabend im Juli durch die Glacis-Anlagen ging, blickte in zahllose glückliche, entspannte Gesichter. Es war der beste Lohn für die ein Jahr währende Vorbereitung für das Ein-Tages-Open-Air, das rein ehrenamtlich organisiert und durchgeführt wurde. Mittendrin waren damals auch Evelyn Fischer und Björn Zwernemann, die stellvertretend für das gesamte Organisationsteam des Glacis Open Airs als Magdeburger des Jahres 2022 nominiert sind.
Zehn verschiedene Kulturkollektive haben sich für diesen einen Sommernachmittag zusammengeschlossen, um den Magdeburgern einen kulturellen Höhepunkt zu bereiten. Am Tag selbst waren weit über 200 Akteure, Künstler und Helfer vor Ort. Sie alle haben zum Erfolg des Glacis Open Airs beigetragen, betonen die beiden.
Evelyn Fischer zog 2010 zum Studium nach Magdeburg. Durch ihren Studiengang Cultural Engineering kam sie früh in Verbindung mit der hiesigen Kultur- und Veranstaltungsszene. „Es gab viel Leerstand und viele Entwicklungsmöglichkeiten“, sagt sie. Als Vorsitzende des Kante-Vereins organisierte sie einige bekannte Reihen mit, wie „Die Insel“ im Stadtpark oder das Upgrade-Festival. Inzwischen beschäftigt sich Evelyn Fischer beruflich mit der „Stadt der Zukunft“ und begleitet Forschungsprojekte zur Stadtentwicklung.
Als Mitglied des Musikkombinats Magdeburg ist sie für die Finanzierung des Glacis Open Airs verantwortlich und mittlerweile Mitveranstalterin. Der Verein hat mit den Wohnzimmerkonzerten bereits eine ganz besondere Veranstaltungsreihe ins Leben gerufen. Das Open Air ist die natürliche Entwicklung daraus, wie sie erklärt. 2015 gab es eine erste kleine Auflage im Freien, einfach weil ein Wohnzimmer die Größe des Publikums doch sehr beschränkt. Auf der Glacis-Wiese am Adelheidring war ausreichend Platz.
Open Air in Magdeburg: Kollektive bringen viel Abwechslung
Im Lauf der Zeit kamen Jahr für Jahr weitere Kulturkollektive dazu, so auch 2019 der Verein Kultur Hafen, dessen Vorstandsvorsitzender Björn Zwernemann ist. Als DJ Taip macht er bereits seit gut 20 Jahren Musik in und für Magdeburg.
Mit der Veranstaltungsreihe „Each one, teach one“ bringt der Verein in Workshops dem interessierten Nachwuchs Veranstaltungsplanung, Lichttechnik oder DJ-ing näher. Für ihn liegt der Vorteil beim Glacis Open Air auf der Hand. „Durch die Vorarbeit des Musikkombinats können wir anderen Kollektive uns ganz auf unser Programm konzentrieren“, erklärt er.
2021 wurde dann das erste gemeinsame Glacis Open Air der zehn bislang beteiligten Kollektive durchgeführt, damals noch unter Corona-Auflagen. Neben Musikkombinat/Wohnzimmerkonzerte und Kultur-Hafen gestalteten die Love Foundation, platz*machen, Minddrop, Sanierungsverein Ravelin 2 und Castellum Cultura, Tor 5, Urbanpiraten, Liebe für alle und Sportart/M-Trails eigene Bereiche mit ihren ganz individuellen Angeboten. Schon da begeisterte die entspannte Atmosphäre zwischen Seifenblasen und Electrobeats die Besucher.
In diesem Sommer war die Stimmung dann noch etwas gelöster. Zwischen Kräuter-Workshop, Pop-Konzert und Hip-Hop-Jam wurde ein bunter Strauß an kulturellen Richtungen geschnürt. Über den gesamten Tag verteilt kamen über 8000 Besucher in dessen Genuss.
Die Abwechslung sei auch die große Stärke des Glacis Open Airs, meint Evelyn Fischer. „Wir wollen ein möglichst breites Spektrum anbieten. Jedes Kollektiv bringt seine eigene Seele mit“, sagt sie.
Zwar gebe es durchaus noch einige Wiesen in den Glacis-Anlagen, die man nutzen könnte. Vorerst wolle man aber das bestehende Angebot mit dem aktuellen Team lieber qualitativ ausbauen. Denn auch 2023 wird im Glacis wieder gefeiert. Der Termin steht schon fest, die Vorbereitungen laufen längst. Denkbar wäre es aber, für künftige Veranstaltungen weitere Kulturschaffende mit an Bord zu holen.
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Das Glacis Open Air versteht sich auch als kulturpolitische Veranstaltung. So gab es in diesem Jahr eine Diskussionsrunde mit Magdeburgs Kulturbeigeordneter Regina-Dolores Stieler-Hinz. Sie hörte sich die Probleme aus der Subkulturszene an, wie fehlende Freiräume oder komplizierte Bürokratie.
Mehr Offenheit gegenüber Ideen der Kulturszene
„Es fängt ganz oft schon beim Strom an“, erinnert Evelyn Fischer. „Es gibt so viele coole, leerstehende Objekte, wo man etwas machen könnte“, sagt Björn Zwernemann, „sei es auch nur für einen Sommer. Doch es ist unglaublich schwer, da ranzukommen.“ Vonseiten der Stadtverwaltung erhoffe man sich dabei mehr Experimentierfreudigkeit und Offenheit gegenüber den Ideen der Kulturschaffenden. Denn Potenzial gebe es noch einiges, es müsse nur genutzt werden können, sagen sie. Dafür wollen die beiden auch künftig eintreten.
Erfahren Sie hier mehr zur Wahl "Magdeburger des Jahres" 22 und zu allen Kandidaten.
Als sie selbst an jenem Julitag über das Festivalgelände gehen konnte, sei das „euphorisierend“ gewesen, sagt Evelyn Fischer, „es gab ein Gefühl von Gemeinschaft, von gemeinsamen Werten.“ Und Björn Zwernemann ergänzt: „Wir zeigen mit dem Glacis Open Air: Das ist unsere Stadt und die gestalten wir mit.“
Kurzporträt
Alter/Familienstand/Kinder: Evelyn Fischer: 34 Jahre, ledig, keine Kinder, Björn Zwernemann: 40 Jahre, ledig, keine Kinder
Beruf/Tätigkeit: Evelyn Fischer: Mitveranstalterin Glacis Open Air, Projektleiterin bei der DigiPL GmbH, Björn Zwernemann: Vorstandsvorsitzender Kultur Hafen e. V.
Das mögen wir an Magdeburg: das Entwicklungspotenzial, die Nähe zur lokalen Wirtschaft, Verwaltung und Politik
Hier kann Magdeburg noch besser werden: Offenheit für Neues, Experimentierfreude, ermöglichendes Agieren
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Das sagen andere über sie: „Es freut mich sehr, dass ein so bedeutendes und umfangreiches Festival, das ausschließlich mit ehrenamtlichem Engagement durchgeführt wird, in unserer Stadt stattfindet und auch positiv in die gesamte Region strahlt. Es vereint auf einzigartige Weise die subkulturelle Szene der Stadt.“ Regina-Dolores Stieler-Hinz, Kulturbeigeordnete