Wahl „Magdeburger des Jahres“ Was ein Heimatverein gegen Vereinsamung tut
René Stelzer und seine Mitstreiter vom Heimatverein „Werderaner Freunde“ sorgen mit vielfältigen Aktivitäten dafür, dass der Stadtteil inmitten der Elbe als eine „glückliche Insel“ wahrgenommen wird. Jetzt steht er zur Wahl zum "Magdeburger des Jahres" 2022.
Magdeburg - Wie schön kann es sein, auf einer Insel zu leben. Umgeben von der Armen der Elbe und mit dem Stadtpark als grünem Erholungsort. Conrad Schlüter war am 16. Juli 1722 der erste, der sich auf dem Werder niederließ. Gut 300 Jahre später leben rund 3000 Menschen in dem Stadtteil.
Doch die Lage alleine macht einen Wohnort noch nicht lebenswert. Es ist vielmehr die Gemeinschaft, die ein zu Hause zur Heimat und den Werder in den Augen seiner Bewohner zur „glücklichen Insel“ macht. Denn, „kein Mensch ist eine Insel, / in sich ein Ganzes“, wie es in einem Gedicht von John Donne heißt.
Einen wesentlichen Anteil an diesem besonderen Gemeinschaftsgefühl auf dem Werder trägt René Stelzer (48) sowie seine Mitstreiter vom Heimatverein „Werderaner Freunde“. Mit vielfältigen Veranstaltungen bringt der Verein seit seiner Gründung im Februar 2015 die Anwohner auf der Elbinsel zusammen. Ein Höhepunkt waren die Feierlichkeiten zu „300 Jahre Erstbesiedlung des Werders“ im Sommer.
„Gemeinsam statt einsam“ ist das Motto im Verein
„Unser Motto lautet: Gemeinsam statt einsam“, sagt René Stelzer als Vereinsvorsitzender. Letztlich zielten alle Aktivitäten der „Werderaner Freunde“ darauf ab, die Menschen zu verbinden.
Sei es mit dem Nähcafé, dem Skat- und Romméabend, der Kegelrunde, den regelmäßigen Festen und gemeinsamen Ausflügen oder einem (historischen) Vortrag zur Mittwochsgesellschaft. Immer mittwochs ist Vereinstag in der Kegelanlage in der Lingnerstraße. Die Treffen sind ohne Anmeldung für alle offen, jeder ist herzlich willkommen.
Wir möchten generationenübergreifend allen Bürger eine Heimat bieten, auch um damit etwas gegen die Vereinsamung tun.
René Stelzer, Vorsitzender vom Heimatverein „Werderaner Freunde“
Diese Einladung gilt gerade auch den älteren Anwohner, die unter Isolation und Einsamkeit leiden. „Wie viele sitzen zu Hause, sind traurig.“ René Stelzer sieht eine zentrale Aufgabe der „Werderaner Freunde“ darin, sich um diese Nachbarn zu kümmern, Angebote zu unterbreiten, die für mehr Geselligkeit und Miteinander sorgen.
„Wir möchten generationenübergreifend allen Bürger eine Heimat bieten, auch um damit etwas gegen die Vereinsamung tun.“ Und so ruht die Vereinsarbeit auf drei Säulen: „Gemeinschaft, Austausch und Zusammenarbeit.“
Gründungsprojekt ist ein Kulturpfad für den Werder
Diese zutiefst soziale Ausrichtung der „Werderaner Freunde“ hat sich verstärkt in den letzten Jahren ausgebildet. Das Gründungsziel war eigentlich die Aufarbeitung der Geschichte des Stadtteils. Also klassische Heimatpflege. Daher auch die Namenswahl: „Es sollten nicht nur die Werderaner angesprochen werden, sondern auch all jene Freunde, die sich mit dem Stadtteil verbunden fühlen.“
Ein Kernprojekt war und ist dabei die Etablierung eines Stadtteil-Kulturpfades mit Informationstafeln. Drei davon stehen bereits. Sie erinnern an den einstigen Viktoria-Park samt Theater, die erste deutsche Radrennbahn sowie an Albert Mayer. Im nächsten Frühjahr sollen weitere folgen. Unter anderem mit Hinweisen zur Geschichte der Badestätten auf dem Werder.
Nachbarschaftshilfe in der Corona-Pandemie
Der Wandlungsprozess der „Werderaner Freunde“ hängt eng mit der Corona-Pandemie zusammen. Im Lockdown stellte der Heimatverein eine Nachbarschafhilfe auf die Beine, bei der sich Bürger, die etwa Unterstützung beim Einkauf benötigten, melden konnten. Gemeinsam mit Frank Kornfeld entwickelte René Stelzer zudem das wöchentliche „Werderaner Infoblatt“.
Auf der zweiseitigen Publikation wurde über die wichtigsten Neuigkeiten zur Pandemie berichtet. Dazu gab es Geschichten aus der Historie des Stadtteils und ein Rezept zum Nachbacken. Gut 1000 Exemplare gingen über zwei Monate hinweg an sämtliche Haushalte im Stadtteil.
Parallel liefen bereits die Vorbereitungen für einen bisherigen Höhepunkt im Vereinsleben. Die Rede ist vom großen Stadtteilfest zu „300 Jahre Erstbesiedlung des Werders“, das im Juli gefeiert wurde. „Wir haben gut zwei Jahre lang dafür geplant.“ Es hat sich gelohnt. Zahlreiche Gäste strömten zum Festareal mit buntem Kulturprogramm rund um die Kegelanlage.
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Dort konnten sie unter anderem mit historischen Persönlichkeiten des Stadtteils ins Gespräch kommen. Werderaner Freunde waren dazu in Kostüme geschlüpft. Sie verkörperten Maria und Adolf Mittag, Conrad Schlüter oder Ida und Gustav Hubbe. Ganz nebenbei gelang es dem Heimatverein auf diese Weise erneut, das Soziale mit dem Historischen zu verbinden.
Oder anders gesagt: Die Geschichte des Stadtteils pflegt sich am besten in der Gegenwart einer geselligen Gemeinschaft. René Stelzer gab zu Protokoll: „Das Fest zeigt, dass die Werderaner zusammenhalten, sich gegenseitig helfen. Das wird in den schwierigen Zeiten auch immer wichtiger.“
Kegelanlage muss als Treffpunkt erhalten bleiben
Eine Ungewissheit trübt die Stimmung. Der Pachtvertrag für die Kegelanlage, in welcher der Heimatverein seinen Sitz hat, läuft 2025 aus. Es gibt Pläne, auf dem Grundstück ein Wohnhaus zu errichten. Dagegen regt sich Widerstand von Anwohnern: „Wir setzten uns für den Erhalt der Kegelanlage in ihrer bisherigen Form ein“, betont René Stelzer.
Er werde nicht nachlassen, daran zu erinnern, wie wichtig diese Begegnungsstätte für die Menschen im Stadtteil ist. Diese hat sich in den letzten Jahren zum Fixpunkt für das Gemeinwesen auf dem Werder entwickelt. Von deren Fortbestand hängt letztlich auch die Zukunft des Heimatvereins ab.
Zumal es bereits Ideen gibt, wie die Anlage weiter belebt werden könnte. An einem Vereinstag soll dort künftig Tischtennis gespielt werden, sagt René Stelzer. Ferner gibt es die Überlegung, hier ein Angebot für Jugendliche zu etablieren. Eine Art Klubraum, in dem sie sich treffen könnte. So etwas fehlt auf dem Werder.
Vorstellbar seien überdies „After-Work-Partys“ oder ein Kaffeeangebot für Eltern, deren Kinder im benachbarten Viktoria-Park spielen, spekuliert Stelzer. „Was können wir anbieten, um die Generationen zusammen zu bringen, wo einer vom anderen lernen kann und sich alle miteinander wohlfühlen?“
Erfahren Sie hier mehr zur Wahl "Magdeburger des Jahres" 22 und zu allen Kandidaten.
Dies war und ist der Kompass der „Werderaner Freunde“. Ein Heimatverein, der Heimat für alle bieten will. „Gemeinsam statt einsam“ auf einer „glücklichen Insel“.
Kurzvorstellung von René Stelzer
Alter/Familienstand/Kinder: 48/ledig/keine Kinder
Beruf/Tätigkeit: Vermögensberater/ Vorsitzender Heimatverein „Werderaner Freunde“, Vorsitzender der Reservistenkameradschaft Fürst Leopold I.
Das mag ich an Magdeburg: Ich mag an Magdeburg, dass es hier lebenswert ist. Entlang der Elbe ist es einfach wunderschön. Es gibt verschiedenste kulturelle Angebote, eine gute Infrastruktur, liebevolle und meistens hilfsbereite Menschen. Ein Magdeburger lässt sich nicht unterkriegen, egal was passiert, das zeigt schon unsere lange Stadtgeschichte. Der Dom wacht über alles und wenn ich ihn schon von Weitem sehe, weiß ich, ich bin wieder zu Hause.
Hier kann Magdeburg noch besser werden: Wir sind auf einem guten Weg. Ich wünsche mir eine lebendige Innenstadt mit starkem Mittelstand, attraktivem, konsumfreundlichem Geschäftsleben und vielfältiger Gastronomie und einen besseren Anschluss an das Fernverkehrsnetz der Bahn.
Magdeburg ist in zehn Jahren: Magdeburg wird weltoffen sein, über eine gute Verkehrsanbindung verfügen und ein umfangreiches Kultur-, Freizeit- und Naherholungsangebot bieten.
Das sagt Nadja Gröschner über René Stelzer: Ich habe René Stelzer vor zwei Jahren kennen gelernt. Damals wurde ich von einem Mitglied der Werderaner Freunde gefragt ob ich bei den Vorbereitungen zum Fest 300 Jahre Werder beratend mitwirken kann. Ich wurde auch Dank Renés freundlicher und offenen Art in dem „Kreis“ aufgenommen.
Unter seiner Leitung wurde das Fest ein großer Erfolg. Er hat es verstanden, die Fest-Organisator*innen immer wieder zu motivieren, auch als es zu kleinen Problemchen im Vorfeld kam. Rene ist ein ruheloser Mensch, der immer wieder neue Ideen hat, um zum Beispiel die „Mittwochsgesellschaft“ mit neuen Inhalten zu bestücken.
Während der Pandemie hat er zusammen mit Frank Kornfeld für die Werderaner eine mehrteilige Reihe zur Werdergeschichten verfasst, die in gedruckten Form in allen Briefkästen der Insel verteilt worden sind. Daraus ist ein kleines Heftchen zu Werdergeschichte entstanden, was er im Eigenverlag herausgebracht hat.
René ist bei den Veranstaltungen vom Verein ein sehr aufmerksamer und großzügiger Gastgeber, der es versteht, auch neue Gäste sofort zu integrieren.