Ein Dokumentarfilm zeigt verlassene Gebäude und ihre Geschichten Vergessene Orte im Harz
Ein Filmteam aus Leipzig hat sich zusammen mit Einheimischen auf Tour durch den Harz begeben. Dabei ging es nicht um Naturschönheiten, sondern um Ruinen, vergessene Orte und ihre Geschichten.
Leipzig l Verlassene Gebäude, eingestürzte Häuser und zahllose Sanatorien - die Harzregion ist reich an verwunschenen und vergessenen Orten mit kleiner und großer Geschichte.
"Lost Places" heißt ein Dokumentarfilm, der diese Orte in den Vordergrund stellt. Besucht werden verfallene Häuser mitten im Harzwald, Hotels, Industrieanlagen und andere Stätten, an denen der Zahn der Zeit genagt hat. Zu sehen sind verfallene Ruinen genauso wie komplett eingerichtete Zimmer, in denen die Zeit irgendwann stehengeblieben ist.
"Es geht hauptsächlich um die Geschichten und um die Menschen um diese Orte", sagt Regisseur Enno Seifried. Das Filmteam habe die Orte aufgesucht und sich mit Zeitzeugen getroffen, die etwas über die Vergangenheit der Orte erzählen konnten. Mit verlassenen Gebäuden und Ruinen setzt sich Seifried schon seit langem auseinander. Mit Kollegen habe er viele Filme in seiner eigenen Region um Leipzig gedreht. "Aber das war irgendwann durch", sagt Seifried. Der Harz habe ihn schon immer interessiert. Anfangs nur als Naturgebiet.
Nach einer Wandertour im Südharz, die an einigen verlassenen Gebäuden vorbeiführte, seien für ihn aber auch bald diese Orte interessant geworden. Sülzhayn bei Ellrich in Thüringen ist Seifried dabei besonders in Erinnerung geblieben. Über zehn Sanatorien habe es dort einst gegeben, sagt der Regisseur. Heute ist ein Krankenhaus übrig geblieben.
Über den genauen Standort anderer Gebäude möchte Seifried lieber schweigen. Die Gefahr sei groß, dass allzu exakte Angaben Vandalen und Schrottsammler anlocken. Denn in der Szene der Ruinengänger herrscht ein strenger Ehrenkodex: Nichts mitnehmen und nichts hinterlassen als Fußspuren.
Aber auch sonst steht die exakte Ortsangabe für Seifried nicht im Vordergrund. Es gehe nicht darum, Orte in Wernigerode, im Südharz, im niedersächsischen Hochharz oder in der Stadt Oberharz zu zeigen. Der Regisseur möchte den Harz vielmehr als Gesamtregion präsentieren. Der Film soll dabei die künstlichen Grenzen im Harz überwinden.
Politik aber auch Presse würden den Harz immer wieder nur in Einzelteilen betrachten. Ein Grund, warum der Harz nicht aus seinem "Dornröschenschlaf" kommt, sagt Seifried. "Der Fokus liegt meist auf der eigenen Region und den eigenen Ortschaften. Das macht es unheimlich schwer, die Region als gemeinsames Tourismusgebiet neu zu gestalten und zu entwickeln." Viele Anrainer, mit denen Seifried gesprochen habe, hätten ähnliche Ansichten. "Die Einheimischen haben uns auf die Idee gebracht, den Film so aufzubauen, und die einzelnen Orte nicht heraus zu heben", sagt Enno Seifried.
Die Zuschauer sollten "über den Tellerrand hinaus" schauen und "ihre Augen und Ohren für die komplette Region" öffnen. "Es ist absolut unrelevant ob da nun Wernigerode, Elend oder Wippra im Film vertreten ist. Es geht um den Harz", sagt Seifried.
Crowdfunding bringt 8000 Euro an einem einzigen Tag
Das Echo auf die Filmpläne sei gewaltig gewesen, sagt Enno Seifried. Da der Streifen keinerlei Förderung erfahren habe, mussten die Filmemacher auf Crowdfunding zurückgreifen. Wer seinerzeit Geld für die Produktion gegeben hatte, erhielt vorab eine Kinokarte, eine DVD oder einen Kalender. Das selbst gesteckte Ziel von 8000 Euro habe sich noch am ersten Tag der Sammel-Kampagne erfüllt. Am Ende konnten 28 000 Euro eingenommen werden. "Da waren wir wirklich platt", sagt Seifried, auch, weil das Geld völlig ohne Werbung eingenommen werden konnte. Reich werden sie durch ihren Film nicht, sagt Seifried. "Unser Geld verdienen wir mit anderen Dingen."
Trotz der offenkundig großen Nachfrage ist es den Filmemachern bis heute kaum gelungen, Kinos in der Harzregion zu finden, die den Film zeigen wollen. Warum das so ist, weiß Seifried nicht. Auch in Wernigerode habe er angefragt.
Andreas Adelsberger, Betreiber der Wernigeröder Volkslichtspiele, erklärt jedoch auf Volksstimme-Nachfrage, dass er bislang keine Anfrage erhalten habe. "Die Bedingungen müssen aber auch stimmen", sagt der Unternehmer. Eine Mindestzahl an Besuchern sei notwendig, um keine Verluste zu riskieren.
Aufgeführt wird der Film auf jeden Fall in Northeim, Hannover und Leipzig. Die Premiere wird am Freitag, 29. Mai, in der Baumannshöhle in Rübeland stattfinden. Alle drei Aufführungen sind allerdings bereits ausverkauft.
Weitere Informationen und ein Trailer unter www.lostplace-dokfilm.de