Rot-Rot-Grün in Thüringen Sozialdemokraten verlassen Partei aus Protest
Magdeburg l Aus Protest gegen eine Regierungskoalition unter Führung eines linken Ministerpräsidenten in Thüringen haben nun auch in Sachsen-Anhalt erste Sozialdemokraten ihr Parteibuch hingeschmissen. So die langjährige SPD-Landtagsabgeordneten Anette Leppinger aus Halberstadt und Lutz Kühn aus Naumburg. Leppinger hatte mitgeteilt, sie wolle nicht daran mitwirken, dass die SPD den politischen Erben der SED wieder zur Macht verhelfe.
Leppinger und Kühn gehörten zu den Gründungsmitgliedern der Sozialdemokratischen Partei in der zu Ende gehenden DDR. Als sich Sachsen-Anhalts SPD von 1994 bis 2002 von der PDS (der Vorläuferin der Linken) tolerieren ließ, gehörte Leppinger zu den Kritikern dieses Kurses.
Im Nachbarland wird mit Bodo Ramelow erstmals ein Ministerpräsident mit dem Parteibuch der Linken an der Spitze einer Landesregierung stehen. SPD, Grüne und Linke haben gestern in Erfurt die Koalitionsverhandlungen abgeschlossen. Möglich wird diese Konstellation, da bei einer Mitgliederbefragung nach der Landtagswahl fast 70 Prozent der Thüringer SPD-Genossen einem solchen Dreibund zugestimmt haben.
Allerdings gab es auch Verbitterte. Etwa 30 bis 50 SPD-Genossen haben in den letzten Tagen aus Protest ihre Partei verlassen, sagte der Vize-Landesgeschäftsführer Stephan Knopf der Volksstimme. Es gibt auch Gegenwehr. Der Ortsverband Ilmenau organisierte einen Kerzenumzug gegen das Bündnis mit der Linken.
Ortschef Stefan Sandmann hatte bei einer Parteikonferenz Aufsehen erregt mit dem Ausspruch: "Ich könnte kotzen, dass die SPD jetzt mit Kommunisten gemeinsame Sache macht." In Eisenach hatten SPD-Genossen einen Aufruf gegen ein Bündnis mit Ramelow initiiert. Und der frühere Thüringer SPD-Partei- und Fraktionschef Gerd Schuchardt hatte angekündigt, beim Mitgliederentscheid gegen Rot-Rot-Grün zu stimmen.
Die beiden politisch motivierten Austritte in Sachsen-Anhalt seien bislang "die absolute Ausnahme", sagte Fraktionsvize Rüdiger Erben. Ob Sachsen-Anhalts SPD 2016 ebenfalls unter einem linken Regierungschef mitmachen würde, ist noch offen. "Das hängt auch davon ab, ob das in Thüringen ohne Pannen abläuft", sagt etwa Norbert Born, SPD-Kreischef von Mansfeld-Südharz. Ideologische Barrieren sind aber weg.
Tilman Tögel (Stendal) meint, die SPD brauche eine weitere Machtoption und dürfe sich nicht ewig an die CDU binden. Jürgen Barth (Kreischef Salzwedel) schränkt ein, der SPD-Aufbaugeneration werde es schwerfallen, einen linken Chef zu akzeptieren.
Sachsen-Anhalts SPD hat 3619 Mitglieder. Im Oktober gab es zehn Ein- und 20 Austritte.