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Nahversorgung 24-Stunden-Läden: Retter der ländlichen Nahversorgung?

Längst nicht jedes Dorf in Thüringen hat einen Supermarkt. 24-Stunden-Läden füllen zunehmend diese Lücke. Das entsprechende Gesetz soll ihre Eröffnung nun vereinfachen.

Von Sebastian Münster, dpa 19.04.2025, 05:00
Obst, Gemüse, Backwaren: In manch ländlicher Region sind 24-Stunden-Läden die einzigen Nahversorger. (Archivbild)
Obst, Gemüse, Backwaren: In manch ländlicher Region sind 24-Stunden-Läden die einzigen Nahversorger. (Archivbild) Heiko Rebsch/dpa

Erfurt - Jens Kaufmann wohnt schon sein Leben lang in Judenbach. In dem 200-Seelen-Dorf, einem Ortsteil der Gemeinde Föritztal im äußersten Süden Thüringens, war die Situation wie in vielen ländlichen Kommunen: Die meisten Nahversorger hatten dichtgemacht. Der nächste Supermarkt und die nächste Tankstelle liegen im benachbarten Sonneberg, für viele ältere Menschen schwierig zu erreichen. Der Unternehmer hat das kurzerhand geändert und eröffnete 2023 einen Dorfladen. Doch erst die Erweiterung der Öffnungszeiten auf 24 Stunden und das Angebot eines Lieferdienstes hätten den Betrieb wirtschaftlich gemacht. 

„Wir können nicht in direkter Konkurrenz zu einem Supermarkt treten, aus einem einfachen Grund: Wir sind viel zu teuer“, so der 41-Jährige. Stattdessen fülle sein Dorfladen eine Lücke im ländlichen Raum. Sein Laden sei einer von zwei Nahversorgern in den 19 Ortsteilen der Gemeinde. Geht das Verkaufspersonal in den Feierabend, erhalten die Kunden vollautomatisch Zutritt über eine Kundenkarte.

Nur im 24-Stunden-Betrieb wirtschaftlich

Die Idee ist so erfolgreich, dass Kaufmann sein Konzept seit dem Jahreswechsel auch als Franchise anbietet. Doch dieser Erfolg, so fürchtet er, könnte nun einen Dämpfer bekommen - durch ein neues Ladenöffnungsgesetz in Thüringen. Ein erster Entwurf des Gesetzes, der das Kabinett noch nicht passiert hat, sieht vor, die Größe rund um die Uhr geöffneter, sogenannter digitaler Kleinstverkaufsstellen ohne Personal auf 150 Quadratmeter zu beschränken, wie Thüringens Arbeitsministerin Katharina Schenk der dpa sagte. Auch beim Sortiment solle es Beschränkungen des Warenkorbs geben. „Das sind jetzt im Prinzip Lebens- und Genussmittel oder auch Haushaltsbedarf, Hygieneartikel für den täglichen Bedarf“, so die SPD-Politikerin. 

Derartige Geschäfte trügen dazu bei, die Lebensqualität im ländlichen Raum zu sichern. Deshalb solle das neue Ladenöffnungsgesetz den 24-Stunden-Betrieb flächendeckend in Thüringen ermöglichen. Zweck des Gesetzes bleibe es aber auch, die sonntägliche Arbeitsruhe zu schützen. Wenn am Wochenende zahlreiche Menschen ihren Wocheneinkauf erledigen würden, „dann unterscheidet sich der Sonntag nicht mehr von den restlichen Tagen der Woche“, sagte die SPD-Politikerin.

Bislang Ausnahmen für Ladenbetreiber 

Bisher waren es die Landkreise, die einzelnen Ladenbetreibern per Ausnahmegenehmigung den Betrieb rund um die Uhr ermöglicht haben. Dieses Prozedere sei völlig in Ordnung gewesen, findet Dorfladenbetreiber Kaufmann. Die zur Diskussion stehenden Einschränkungen würden ihn und seine Kunden empfindlich treffen: „Wir haben ja gar keine andere Möglichkeit. Hier gibt es keine Tankstelle. Am Sonntag irgendwo was herzubekommen, das geht hier gar nicht.“ 

Kritik kommt auch vom größten Unternehmen in der Branche: Tante Enso. Das Bremer Start-up beliefert 60 Filialen in ganz Deutschland, die als Genossenschaft von ihren Mitgliedern betrieben werden - eine davon im Thüringer Wartburgkreis. Weitere sind in Planung. 

„Das bedeutet, dass wir temporär, also dann zu den vorgeschriebenen Öffnungszeiten oder nach den Zeiten eben eine Abtrennung im Laden vornehmen müssen, so wie das in Bayern auch schon ist, an zwei Standorten“, sagt Jessica Renziehausen, Sprecherin von Tante Enso. Das Unternehmen werde nun das Gespräch mit der Thüringer Politik suchen.