Arbeit „Allianz“ für mehr Qualifikation im Job-Umbruch
Die Arbeitswelt wandelt sich rasant: Digitalisierung und Klimaschutz machen einige alte Jobs überflüssig und schaffen gleichzeitig neue. Wie lässt sich möglichst viel Beschäftigung erhalten? Firmen und Gewerkschaften tun sich zusammen - und machen der Politik Vorschläge.
Hannover/Bonn - Ein Zusammenschluss von Unternehmen und Gewerkschaften will die Umschulung von Beschäftigten aus künftig weniger gefragten Berufen zum zentralen Thema der kommenden Jahre machen. Der Autozulieferer Continental, die Deutsche Telekom und der Pharmakonzern Roche stellten mit der IG BCE am Donnerstag das Konzept ihrer „Allianz der Chancen“ vor. Sie stehen nach eigenen Angaben für ein Netzwerk aus 26 Firmen und Institutionen, die in Deutschland gut eine Million und weltweit rund drei Millionen Arbeitnehmer vertreten.
Das Ziel: den Wandel der Arbeitswelt in der doppelten Transformation aus Dekarbonisierung (CO2-Vermeidung) und Digitalisierung besser abzufedern. Dabei geht es vor allem darum, Menschen aus „alten“ Jobs für neue Tätigkeitsfelder weiterzuqualifizieren. „Die „Allianz“ will Arbeitslosigkeit vermeiden“, sagte Conti-Personalvorständin Ariane Reinhart. „Wir haben tektonische Verschiebungen. (...) Wir müssen das intelligenter gestalten.“ In der Metall- und Elektrobranche seien binnen zwei Jahren über 200.000 klassische Industriearbeitsplätze verloren gegangen. Gleichzeitig werde der Mangel an Fachpersonal etwa im Handwerk und in der Pflegebranche immer deutlicher.
„Transformation muss Umbau sein, nicht Abbau“, meinte Reinhart. Der Begriff dürfe aber nicht nur ein Schlagwort im Wahlkampf sein - nötig sei eine engere Abstimmung zwischen Wirtschaft, Behörden und Politik beim Thema lebenslanges Lernen, „damit wir auch morgen noch Wohlstand haben und den sozialen Frieden sichern“. Wie in der Klimadebatte reiche es bei der Umgestaltung der Arbeitswelt nicht aus, nur Ziele zu formulieren. „Wir haben auch die Frage: Wie kommen wir dort hin?“
Reinharts Kollegin bei der Telekom, Birgit Bohle, sprach sich für eine erweiterte Rolle der Bundesagentur für Arbeit (BA) und der niedergelassenen Arbeitsagenturen aus. Diese könnten stärker nicht nur Arbeitsuchenden helfen oder bei geplanten Jobwechseln beraten, sondern Beschäftigte auch vor, während und nach einer Umschulung längerfristig betreuen. „Wir brauchen mehr Begleitung über den alten Karriereweg hinaus“, sagte die Managerin. Dies gelte auch für die letzte Zeit im alten Job - „nicht erst in der Arbeitslosigkeit, sondern schon dann, wenn die Veränderungen absehbar sind“.
Außerdem ließen sich Modelle zur Bildungsteilzeit in mehr Unternehmen verankern, schlug Bohle vor. Dabei widmen Beschäftigte - ähnlich wie bei Eltern- oder Pflegezeit - nur einen Teil ihrer Woche der Arbeit, während sie sich parallel weiterqualifizieren. Gelinge so der Umstieg in einen anderen Job oder Beruf, habe dies am Ende Vorteile nicht nur für die Arbeitnehmerin oder den Arbeitnehmer. „Der Staat spart Arbeitslosengeld.“ Und Unternehmen müssten keine Abfindungen zahlen.
Francesco Grioli aus dem Vorstand der Industriegewerkschaft Bergbau, Chemie, Energie (IG BCE) sagte, es sei wichtig, politische Prozesse zu den Umbrüchen auf dem Arbeitsmarkt enger zu begleiten: „Wir werden Regelungen finden müssen, wie Transformation konditioniert wird.“ Dazu wolle die IG BCE ihre Erfahrungen aus dem Auslaufen der Steinkohle-Förderung und der Mitverhandlung des Braunkohle-Ausstiegs einbringen. Reine Digitalisierung mit Hilfe neuer Technologien allein reiche nicht aus. „Wir müssen auch in die Menschen investieren.“