Aus Geschichte lernen An NS-Opfer erinnern und AfD-Mann ins Landtagsamt wählen?
Zum 80. Jahrestag der Befreiung des NS-Vernichtungslagers Auschwitz betonen Politiker die Bedeutung des Erinnerns. Dabei steht ausgerechnet diese Woche eine umstrittene Wahl im Landtag an.
Erfurt - Zum Gedenktag an die Opfer des Nationalsozialismus haben sich Thüringer Politiker mahnend zu Wort gemeldet. Doch ausgerechnet in die Zeit des Erinnerns fällt möglicherweise die Wahl eines umstrittenen AfD-Kandidaten zum Vizepräsidenten des Landtags - der Landesverfassungsschutz stuft die Thüringer AfD als gesichert rechtsextrem ein.
Ministerpräsident Mario Voigt hob kurz vor dem 80. Jahrestag der Befreiung des KZ Auschwitz die Rolle Thüringens für den Schutz jüdischen Lebens hervor. „Thüringen trägt sowohl mit Orten wie Buchenwald als auch mit der Geschichte um "Topf und Söhne" eine besondere Verantwortung, die Erinnerung wachzuhalten“, sagte der CDU-Politiker.
Das Unternehmen Topf & Söhne konstruierte die Verbrennungsöfen für das NS-Vernichtungslager Auschwitz. Am einstigen Firmensitz in Erfurt befindet sich eine Erinnerungsstätte. Ins KZ Buchenwald bei Weimar und seine Außenlager hatten die Nazis rund 280.000 Menschen aus ganz Europa verschleppt, 56.000 wurden ermordet oder starben etwa durch Zwangsarbeit.
„Für Verbrechen der Vergangenheit sensibilisieren“
Ministerpräsident Voigt betonte, Gleichgültigkeit, Geschichtsvergessenheit und Relativismus dürften die Lehren der Vergangenheit nicht untergraben. „Jüdisches Leben in Thüringen und ganz Deutschland verdient Schutz und Anerkennung.“ Besonders die jüngere Generation müsse für die Verbrechen der Vergangenheit sensibilisiert werden.
Am Montag, dem Gedenktag für die NS-Opfer, sind Gedenkveranstaltungen am Erinnerungsort Topf & Söhne in Erfurt und in der Gedenkstätte Buchenwald in Weimar geplant.
Präsident: Parlament mit besonderer Verantwortung
Landtagspräsident Thadäus König sagte, dass auch das Thüringer Parlament eine besondere Verantwortung trage: „Wenn die Abgeordneten hier zusammenkommen, um Entscheidungen für das Land zu treffen, dann tun sie dies in dem Bewusstsein, dass eine parlamentarische Demokratie nicht selbstverständlich ist.“ Im Abgeordnetengebäude war in der NS-Zeit auch die Geheime Staatspolizei (Gestapo) untergebracht. Diese organisierte die Deportation der Thüringer Juden in osteuropäische Ghettos und KZ. Eine einstige Haftzelle ist heute ein Erinnerungsort.
Auch im Landtag ist eine Gedenkstunde für die NS-Opfer geplant. Dabei soll am Mittwoch die 92-jährige KZ-Überlebende Ingeburg Geißler eine Rede halten.
Gedenken und mögliche Wahl von AfD-Mann als Landtags-Vize
Kritik wurde allerdings laut, da ausgerechnet in dieser Woche der Landtag den umstrittenen AfD-Abgeordneten Jörg Prophet zum Vizepräsidenten des Parlaments wählen könnte. Der Direktor der Stiftung Gedenkstätten Buchenwald und Mittelbau-Dora etwa, Jens-Christian Wagner, hatte Prophet in der Vergangenheit Geschichtsrevisionismus vorgeworfen.
Die Jüdische Landesgemeinde Thüringen und auch das Internationale Komitee Buchenwald-Dora und Kommandos (IKBD) hatten sich wegen der möglichen Wahl Prophets entsetzt gezeigt. Das IKBD, ein Zusammenschluss von KZ-Überlebenden und ihren Angehörigen, hatte in Aussicht gestellt, nicht mehr an Gedenkveranstaltungen im Landtag teilzunehmen, sollte Prophet tatsächlich gewählt werden.
Schaft: „Verheerendes Zeichen“
Auch der Vorsitzende der Linken-Fraktion im Landtag, Christian Schaft, übte Kritik. Es wäre ein „verheerendes Zeichen“, wenn in der Woche, in der bei Gedenkveranstaltungen an die Opfer der Shoah erinnert werde, Prophet als Vizepräsident gewählt würde, sagte er.
Die deutschen Nationalsozialisten und deren Unterstützer verfolgten und ermordeten zwischen 1933 und 1945 systematisch Juden. Bis zu sechs Millionen Juden wurden getötet, davon etwa eine Million im Vernichtungslager Auschwitz. Dieses wurde vor 80 Jahren am 27. Januar 1945 befreit.
Der Jahrestag der Befreiung ist inzwischen ein offizieller Gedenktag.