Fünf Jahre nach Pandemiebeginn Ärztepräsident: Corona-Landtagsausschuss „gerechtfertigt“
Am 2. März 2020 wird der erste bestätigte Corona-Fall in Thüringen bekannt. Es folgen drei Pandemiejahre, aus denen nach Meinung des Thüringer Ärztepräsidenten viel zu lernen ist.
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Jena - Der Präsident der Landesärztekammer, Hans-Jörg Bittrich, hält den vom Landtag eingesetzten Corona-Untersuchungsausschuss zur Aufarbeitung der Pandemie in Thüringen für gerechtfertigt. Wichtig sei dabei, dass der Ausschuss die Pandemiemaßnahmen „auf Basis der medizinisch-wissenschaftlichen Erkenntnisse“ beurteile, sagte Bittrich der Deutschen Presse-Agentur. Dazu müssten auch Fachleute wie anerkannte Virologen angehört werden. „Die Frage ist allerdings, ob ein Gremium auf Landesebene das überhaupt leisten kann.“ Besser aufgehoben sei es auf der Bundesebene.
Schließlich sei das Infektionsschutzgesetz, auf dem die Coronamaßnahmen beruhten, ein Bundesgesetz, argumentierte er. Der Ausschuss soll das Agieren der Landesregierung zur Eindämmung der Pandemie beleuchten und klären, ob die Maßnahmen eine ausreichende gesetzliche Basis hatten. Außerdem soll er vermeidbare Fehler ausmachen und Handlungsempfehlungen aus den gewonnenen Erkenntnissen ableiten.
Der Mediziner mahnte, der Ausschuss dürfe nicht in ein „Hauen und Stechen“ unter den Abgeordneten münden. Schon um die Einsetzung des Gremiums hatte es ein langes Hin und Her gegeben, die Fraktionen der CDU-SPD-BSW-Koalition und der AfD hatten zwei konkurrierende Anträge eingebracht, bevor sie sich auf eine Zusammenlegung einigten.
Lehren für Gesundheitsämter und Krankenhäuser
Einige Schlussfolgerungen aus der Pandemie sieht der Ärztepräsident in Thüringen inzwischen umgesetzt, etwa für die stark belasteten Gesundheitsämter. „Wir haben inzwischen mehr Personal im öffentlichen Gesundheitsdienst“, sagte er. Gezeigt habe die Pandemie auch, wie wichtig es sei, die Behandlung von Schwerkranken auf große Schwerpunktkliniken mit der entsprechenden Ausstattung zu konzentrieren.
Koordiniert vom Uniklinikum Jena hatten in der Pandemie spezialisierte Krankenhäuser die intensivmedizinische Behandlung von Covid-19-Patienten übernommen, kleine Häuser versorgten leichter Erkrankte oder Patienten mit anderen Erkrankungen. Ein solches Stufenprinzip müsse das Gesundheitsministerium im Landeskrankenhausplan umsetzen, so Bittrich. Die Klinikreform des Bundes, die die Zuweisung medizinischer Leistungsgruppen an qualitative Voraussetzungen bei Personal und Ausstattung knüpfe, gebe dafür die Richtung vor.
„Kinder nie wieder vergessen“
Für dringlich hält es Bittrich, der Kinder- und Jugendarzt ist, Schulen für vergleichbare Ausnahmesituationen zu wappnen. Sie müssten baulich so hergerichtet werden, dass sie Infektionsschutz gewährleisten könnten. In der Pandemie waren Schulen und auch Kindergärten teils monatelang geschlossen. Insbesondere für Kinder aus prekären Verhältnissen sei dies verhängnisvoll gewesen. Manche hätten wegen der Schulschließungen keine warme Mahlzeit am Tag mehr bekommen. Bittrich: „Niemals wieder dürfen in einer Pandemie die Kinder und Jugendlichen vergessen werden.“
Vor fünf Jahren, am 2. März 2020, war im Saale-Orla-Kreis der erste bestätigte Corona-Fall in Thüringen bekanntgeworden. Drei Wochen später wurde der erste bundesweite Corona-Lockdown verhängt, Geschäfte, Restaurants, Schulen und Kindergärten geschlossen, weitere Teil-Lockdowns folgten im Laufe der Pandemie. Nach Zahlen des Landesamtes für Verbraucherschutz infizierten sich in Thüringen in den drei Pandemiejahren rund 886.600 Menschen mit dem SARS-CoV-2-Virus, 8.407 Infizierte starben.