Prozessauftakt Ärztin zu sein, war ein „Traum“ - Hochstaplerin vor Gericht
Der Arztberuf hat ein besonders hohes Renommee. Eine junge Frau träumte davon und gesteht jetzt, sich unberechtigterweise als Ärztin ausgegeben zu haben. Nun steht sie vor Gericht.
![Mit einer gefälschten Approbationsurkunde hat eine junge Frau kurze Zeit als Assistenzärztin gearbeitet - nun muss sich die 23-Jährige unter anderem wegen Betrugs verantworten.](https://bmg-images.forward-publishing.io/2025/02/12/c27b03c9-871b-4b24-bc7f-b1ca29d78e32.jpeg?w=1024&auto=format)
Osnabrück - Sie ist erst Anfang 20 und hat angeblich schon ein abgeschlossenes Medizinstudium vorzuweisen: Verantwortliche in zwei niedersächsischen Kliniken wurden nicht misstrauisch, als sich im Jahr 2022 eine junge Frau als Assistenzärztin bewarb. Sie legte den Angaben nach eine gefälschte Approbationsurkunde vor und konnte für kurze Zeit in Krankenhäusern in Debstedt (Landkreis Cuxhaven) und im emsländischen Meppen arbeiten.
Die Frau flog als Hochstaplerin auf - und steht nun vor dem Landgericht Osnabrück. Am ersten Verhandlungstag räumte die heute 23-Jährige die Vorwürfe ein.
Die Staatsanwaltschaft wirft ihr gewerbsmäßigen Betrug, gewerbsmäßige Urkundenfälschung sowie den Missbrauch von Berufsbezeichnungen vor. Außerdem soll sie in Meppen sieben Patienten in der Notaufnahme behandelt haben und ihnen dabei Betäubungsspritzen verabreicht und Schnittwunden vernäht haben. Das wertet die Staatsanwaltschaft als gefährliche Körperverletzung.
Kollege von Ex-Freund wurde misstrauisch
Es war ein Rettungssanitäter, Ex-Kollege ihres damaligen Freundes, der angesichts des sehr jungen Alters der vorgeblichen Ärztin misstrauisch war. Als er sie persönlich kennenlernte und sich länger mit ihr unterhielt, habe sich sein Eindruck verfestigt, dass die junge Frau nur eine falsche Ärztin sein konnte, schilderte der in Bremerhaven arbeitende 59 Jahre alte Zeuge dem Gericht.
Ihm sei aufgefallen, dass es mit den Fachkenntnissen der aus Bremen stammenden Frau nicht allzu weit her gewesen sei. Als er sie nach ihrer Fachrichtung gefragt habe, und sie als Antwort Neurochirurgie gab, habe für ihn festgestanden, dass sie keine echte Ärztin sein könne. „Wann will sie denn dann mit dem Studium angefangen haben, etwa als Achtjährige?“, fragte er rhetorisch.
Schule und angebliches Studium in den USA
Die junge Frau hatte angegeben, in den USA aufgewachsen zu sein und dort studiert zu haben. Auch Hochschulen in Österreich habe sie besucht, so lautete der zum großen Teil ausgedachte Lebenslauf. Immerhin war sie mit ihren Eltern tatsächlich im Jahr 2006 in den US-Bundesstaat Kansas gezogen und hatte dort einen Highschool-Abschluss gemacht. Der entsprach aber nicht den Anforderungen des deutschen Abiturs.
Eine Bescheinigung des Landes Bremen, wonach sie die allgemeine Hochschulreife besitze, habe sie gefälscht, räumte sie auf Nachfrage des Staatsanwalts ein. Im Jahr 2019 kehrte sie mit ihrer Familie zurück.
„Mehr als Mist gebaut“
Seine Mandantin habe mehr als Mist gebaut, sagte der Verteidiger zu Beginn der Verhandlung. „Das weiß sie auch.“ Sie räume alle in der Anklageschrift genannten Vorwürfe vorbehaltlos ein. Das Motiv sei Geltungsbewusstsein gewesen, aber auch ihr damaliger Freund, der es toll gefunden habe, eine Ärztin als Partnerin zu haben, habe Druck auf sie ausgeübt.
„Sie hat gerne Ärztin sein wollen, das war ein Traum“, sagte der Verteidiger. Eine Ausbildung als Krankenpflegerin schloss sie nicht ab. Inzwischen habe seine Mandantin ein Medizinstudium begonnen und sei „relativ erfolgreich“ im vierten Semester. Die Hochschulreife habe sie inzwischen nachgeholt, versicherte die Angeklagte.
Ex-Freund belastet
In ihrer Aussage belastete sie ihren damaligen Freund. Der habe sie mit Gewalt dazu gezwungen, als Ärztin zu arbeiten. Er habe auch die gefälschte Approbationsurkunde für rund 600 Euro besorgt. Versuche, sich von ihm zu trennen, seien nicht erfolgreich gewesen.
In der Klinik in Debstedt lief die junge Frau nur mit erfahrenen Ärzten mit, ohne Patienten zu behandeln. Dort fielen ihre fehlenden Kenntnisse schnell auf und das Krankenhaus kündigte ihr. Aber es war der misstrauische Rettungssanitäter, der dem dortigen Chefarzt den Tipp gab, sich wegen der offenkundig gefälschten Approbation bei der angeblich ausgebenden Behörde in Hamburg zu melden.
Rettungssanitäter gab den Tipp
Als er über Kollegen erfuhr, dass die junge Frau wenige Wochen später in Meppen arbeitete, habe er dort angerufen und ebenfalls den Tipp gegeben, mal wegen der Approbation in Hamburg nachzufragen, sagte der Rettungssanitäter. Dadurch flog der Schwindel im Emsland auf.
Dort hatte sie bereit in der Notaufnahme gearbeitet und sieben Patientinnen und Patienten mit Schnittwunden Betäubungsspritzen gegeben und Wunden vernäht - ohne jemals dafür ausgebildet worden zu sein.
Ausstellende Behörde gibt es schon seit 20 Jahren nicht mehr
Eine Vertreterin der Hamburger Sozialbehörde erläuterte als Zeugin, woran man an der Approbationsurkunde der jungen Frau die Fälschungen erkennen konnte. Unter anderem sei die dort genannte ausstellende Behörde schon vor etwa 20 Jahren aufgelöst worden. Und auch die Person, die das Dokument unterschrieben haben soll, sei schon seit bestimmt 20 Jahren im Ruhestand.
Der Prozess wird am kommenden Montag fortgesetzt. Dann sollen unter anderem der Ex-Freund der Angeklagten und die geschädigten Patienten als Zeugen gehört werden.