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Dekarbonisierung Auf dem Weg zu grünem Stahl - Wandel auf der Bremer Hütte

Wie geht es weiter mit der Stahlindustrie? Gelingt die Umstellung auf klimaneutral produzierten Stahl? Der Bundesarbeitsminister macht Hoffnung.

Von dpa 17.09.2024, 16:54
Bundesarbeitsminister Heil besucht das Stahlwerk, um sich über die Veränderungen zu informieren.
Bundesarbeitsminister Heil besucht das Stahlwerk, um sich über die Veränderungen zu informieren. Sina Schuldt/dpa

Bremen - Bundesarbeitsminister Hubertus Heil hat den Beschäftigten der Stahlindustrie Mut gemacht. Die Umstellung auf klimaneutral produzierten Stahl werde nur gemeinsam mit der Belegschaft gelingen, sagte der SPD-Politiker beim Besuch des Bremer Stahlwerks. „Wir reden nicht nur über technologischen Wandel, Investitionen, nicht nur über Wettbewerbsbedingungen, nicht irgendwas Technokratisches. Am Ende des Tages ist es so, dass Stahl von Menschen gemacht wird.“ Sein Ministerium werde die Mitarbeitenden bei den anstehenden Veränderungen unterstützen.

Umstellung der Stahlproduktion - Neue Prozesse und Technologien

In den beiden Werken von ArcelorMittal in Bremen und im brandenburgischen Eisenhüttenstadt soll künftig grüner Stahl produziert werden. Dafür sollen die Hochöfen stillgelegt und durch eine sogenannte Direktreduktions-Anlage (DRI) mit Wasserstoff ersetzt werden. Außerdem sollen elektrisch betriebene Schmelzöfen die herkömmlichen Stahlkonverter ablösen. Der Konzern will in der zweiten Hälfte der 2020er-Jahre mit der Herstellung von klimaneutralem Stahl beginnen - so zumindest der Plan.

Am Bremer Standort steht dafür der größte Umbau seit der Gründung des Stahlwerks bevor. „Viele Produktionsprozesse werden sich verändern und das Werk wird an vielen Stellen digitaler“, teilte das Unternehmen mit. „Gleichzeitig werden in den nächsten Jahren viele erfahrene Fachkräfte altersbedingt ausscheiden.“ Die Zahl der Auszubildenden werde deshalb verdoppelt, die Angestellten weitergebildet. 

Sorge der Beschäftigten: „Wie geht es weiter?“

Die anstehenden Veränderungen seien eine Herausforderung, berichten die Mitarbeitenden. „Wir Ältere machen uns eigentlich keine Gedanken darüber. Ich denke, meine zehn Jahre kriege ich ja noch am Hochofen 'rum“, sagte ein Schichtleiter am Hochofen. „Aber die Jüngeren, die bei uns sind, die machen sich schon Gedanken: Wie geht es weiter?“

Wenn ältere Kolleginnen und Kollegen in den Ruhestand gehen, drohe Wissen verloren zu gehen, befürchtet ein Kollege. Gleichzeitig ändern sich die Aufgaben mit der Digitalisierung, die Verantwortung werde größer. Dafür seien Fortbildungen nötig. „Wir arbeiten mit Museumstechnik gefühlt von 1950 und mit dem Stand der Technik von heute. Da braucht man natürlich ein breites Portfolio an Fähigkeiten“, sagte der Angestellte.

Bundesarbeitsminister verspricht Hilfe

Er könne die Bedenken der Beschäftigten verstehen, sagte Bundesarbeitsminister Hubertus Heil. Seine Kindheit habe er in Peine verbracht, in der Nähe des dortigen Stahlwerks. „Ich bin mit Stahl aufgewachsen und das lässt mich auch persönlich nicht kalt“, sagte Heil. Sein Ministerium sei bereit, mit Mitteln der Bundesagentur für Arbeit die Aus- und Weiterbildung der Mitarbeitenden zu unterstützen. 

Die Umstellung auf klimaneutral produzierten Stahl werde kein Spaziergang, sagte der SPD-Politiker. Alle müssten an einem Strang ziehen. „Wir wären ganz verflucht bescheuert, wenn wir uns abhängig machen von Stahl aus anderen Ländern und wenn wir diesen Wandel nicht schaffen“, sagte Heil. „Wir haben in Deutschland keine Zukunft ohne Stahl.“

Entscheidung des Unternehmens steht noch aus

Der Umbau an beiden Standorten wird nach Unternehmensangaben rund 2,5 Milliarden Euro kosten. Das Bundeswirtschaftsministerium und das Land Bremen fördern das Vorhaben mit annähernd 1,3 Milliarden Euro. Eine klare Zusage des Konzerns bleibt weiter aus, erst im kommenden Jahr will ArcelorMittal eine Entscheidung treffen. Momentan erarbeiten rund 40 Angestellte ein Konzept, ob und wie die Umstellung gelingen kann. Voraussetzung für die Umrüstung seien wettbewerbsfähige Strompreise und ausreichend Wasserstoff, betonte das Unternehmen wiederholt. 

Der Staat müsse seine Hausaufgaben machen, räumte der Bundesarbeitsminister bei seinem Besuch ein. „Wir müssen dafür sorgen, dass wir eine sichere, eine saubere, aber eben auch eine wettbewerbsfähige Energieversorgung haben“, sagte Heil. Erneuerbare Energien müssten gefördert, Stromnetze finanziert und Wasserstoff ausgebaut werden.

Umbau des Stahlwerks entscheidend für Klimaneutralität

Derzeit ist das Stahlwerk für die Hälfte der CO₂-Emissionen im Land Bremen verantwortlich. Der Umbau der Hütte ist eines der größten Projekte Bremens auf dem Weg zur Klimaneutralität, die das Land bis 2038 erreichen will.

ArcelorMittal ist ein wichtiger Stahlhersteller in Deutschland. Allein in Bremen arbeiten rund 3500 Menschen für den Konzern, auch in der Region hängen viele Arbeitsplätze an der Stahlproduktion. Das Unternehmen stellt dort bis zu 3,7 Millionen Tonnen Rohstahl pro Jahr her. Weitere Standorte befinden sich in Eisenhüttenstadt, Hamburg und Duisburg. In Sandersdorf-Brehna (Sachsen-Anhalt) ist zudem eine Niederlassung von ArcelorMittal Construction.