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Aufgespießt Der geheimnisvollste Abgeordnete sagt Adieu

Nach 45 Jahren als Bundestags-Phantom verabschiedet sich Jakob Maria Mierscheid.

Von Siegfried Denzel 04.08.2024, 11:58
Der Eintrag zu  Mierscheid auf der Homepage der SPD-Bundestagsfraktion.
Der Eintrag zu Mierscheid auf der Homepage der SPD-Bundestagsfraktion. Foto: Screenshot/SPD-Fraktion

Wahlrechtsreform hin oder her: Wenn im Herbst 2025 ein neuer Bundestag gewählt wird, geht eine ungewöhnliche Politikerkarriere zu Ende. Jakob Maria Mierscheid wird dann nach mehr als 45 Jahren im Parlament im gesegneten Alter von 92 in den Abgeordneten-Ruhestand gehen. Vor allem in seiner Partei, der SPD, reißt Mierscheid damit eine Lücke, die ihn völlig ersetzt: Ihn hat noch nie jemand gesehen!

Und das, obwohl – oder gerade weil – er ein so vielbeschäftigter Mann ist, wie auf der Homepage der SPD-Bundestagsfraktion nachzulesen ist. So sei der 1933 im Hunsrück geborene gelernte Schneider nicht nur als Sozialpolitiker unermüdlich, sondern widme seine politische Arbeit der „Aufzucht und Pflege der geringelten Haubentaube in Mitteleuropa und anderswo“.

Dabei ist Mierscheid nur ein Phantom – er entsprang einer Bierlaune von zwei SPD-Abgeordneten. Dennoch geistert er seit 1979 durch Bundestagsprotokolle, taucht nach wie vor auf offiziellen Internetseiten von Parlament und Partei auf – und brachte es vor Jahren zu einigem parteiinternem Ärger: Der damalige SPD-Fraktionschef Franz Müntefering erteilte seinem Genossen eine Abmahnung, weil mit Mierscheids Unterschrift ein Vorschlag zum Unwort des Jahres aufgetaucht war: Ulla Schmidt, die damalige Bundesgesundheitsministerin.

Nur ein Gerücht ist es, dass der scheidende Abgeordnete als eine seiner letzten Amtshandlungen nun noch Karl Lauterbach zu Unwort-Ehren verhelfen will.