Archäologie Bergung eines Prahmboots im Arendsee wird vorbereitet
Für Unterwasserarchäologen ist die Bergung eines mittelalterlichen Bootes aus einer Tiefe von 34 Metern eine Herausforderung. Nun beginnen die Vorbereitungen für das Heben des Prahmboots im Arendsee.
Halle - Eine Mannschaft von Tauchern und Technikern bereitet in achttägiger Arbeit die Bergung eines rund 800 Jahre alten Prahmboots im Arendsee (Altmark) vor. „Zwei große Pumpsysteme werden in 32 bis 34 Metern Tiefe das Prahmboot vollständig von Sedimenten befreien“, sagte Projektleiter Sven Thomas vom Landesamt für Denkmalpflege und Archäologie Sachsen-Anhalt der Deutschen Presse-Agentur.
„Die Arbeiten beginnen am 26. April und dauern bis zum 3. Mai. Dafür wird auf dem Wasser mit Unterstützung des Technischen Hilfswerks eine 50 Quadratmeter große Plattform mit Notstromaggregaten und einer Krananlage aufgebaut.“ Zudem kommt ein Unterwasserroboter mit Greifarm und Sonarsystem vom Fraunhofer-Institut zum Einsatz. Das Team umfasst 22 Mitarbeiter, davon sechs Taucher.
Ein Prahm ist ein Transportschiff mit schlanker und flacher Rumpfform und seit der Römerzeit bekannt. Das Boot im Arendsee besteht aus Eichenholz und stammt aus der Zeit um 1265.
„Die Verzierungen an diesem Binnenschiff sind einmalig“, sagte Thomas. „Ich kenne keinen vergleichbaren Fund, der solche figürlichen Darstellungen von Tierköpfen an Bug und Heck hätte. Es könnte ein Bär und auf der anderen Seite ein Vogel sein, aber das werden wir nach der Bergung genauer wissen. Vergleichbare Funde kennt man bislang nur von Hochseeschiffen. Auch in den schriftlichen Quellen des Mittelalters finden sich nur selten Hinweise auf entsprechende Verzierungen an Schiffen. Allein im Codex Manesse, einer umfangreich bebilderten Liedersammlung aus dem 13. und 14. Jahrhundert, findet sich die Darstellung eines mit Bär und Adler verzierten Schiffes.“
Das Prahmboot gehörte vermutlich zum Kloster am Arendsee, das im 13. Jahrhundert auf Betreiben der Askanier errichtet wurde. Erster „Schiffseigener“ könnte der Brandenburger Markgraf Otto IV. (um 1238-1308/09) gewesen sein. Wahrscheinlich diente der Prahm zum Transport von Bewohnern und Materialien wie landwirtschaftlichen Gütern des Klosters. Darauf deutet auch die von den Archäologen gefundene Ladung von Getreide und Bauholz hin. Das Boot wurde durch Ruder und Segel angetrieben. Die bisherigen Funde deuten darauf hin, dass das zwölf Meter lange, 2,50 Meter breite und etwa einen Meter hohe Boot aufgrund eines Kielbruchs und falscher Beladung im Arendsee versank.
„Das Boot soll voraussichtlich im September gehoben werden. Die geplante Bergung eines mittelalterlichen Schiffes aus dieser Tiefe ist bislang einmalig in Europa“, sagte Thomas. Die Bergung des Bootes ist notwendig, da ihm unmittelbare Gefahr droht. Eingeschleppte Dreikantmuscheln greifen das Holz an. Zudem liegt es in Schräglage an einem Berghang und ist gefährdet, abzurutschen. „An der Oberfläche soll das Boot dann mit hochauflösenden Kameras komplett erfasst werden.“ Durch diese 3D-Dokumentation wird es gewissermaßen digital gerettet. Die hochauflösenden Aufnahmen stehen in Zukunft der Forschung zur Verfügung und können zudem als Grundlage für museale Visualisierungen und Präsentationen dienen.
Für eine dauerhafte Konservierung und Lagerung des kompletten Bootes an Land wären erhebliche Finanzmittel notwendig, die derzeit nicht zur Verfügung stehen. „Um das Boot als Ausstellungsstück in einem Museum zu präsentieren, müsste es zuvor jahrelang in Kunststoff konserviert werden. Erst dann könnte es ausgestellt werden“, sagte der Projektleiter. „Deshalb wird es nach der Dokumentation mit modernsten Methoden noch tiefer wieder in dem See abgesenkt und mit einem Spezialvlies abgedeckt, so dass es für die ihm gefährlichen Muscheln nicht mehr erreichbar ist. Dort kann es die nächsten 1000 Jahre sicher liegen und gegebenenfalls zu einem späteren Zeitpunkt wieder geborgen werden.“
Das Prahmboot wurde bereits in den 1990er Jahren von Sporttauchern entdeckt. Aber erst jetzt ist es technisch durch den Einsatz von Robotern möglich, das Boot zu heben. Mit 55 Metern Tiefe gilt der Arendsee als einer der tiefsten natürlichen Seen in Norddeutschland.