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Parlamentswahl Bundestagswahl in Thüringen: Polit-Promis und AfD-Zank

Der Bundestag wird neu sortiert. Im Freistaat treten auch bundesweit bekannte Politiker an. Doch selbst der Sieg in einem Wahlkreis garantiert nicht immer den Einzug ins Parlament.

Von Stefan Hantzschmann, dpa 20.02.2025, 05:00
Rund zehn Jahre lang steuerte Bodo Ramelow Thüringen durch politisch turbulente Zeiten. Nun will er in den Bundestag. (Archivbild)
Rund zehn Jahre lang steuerte Bodo Ramelow Thüringen durch politisch turbulente Zeiten. Nun will er in den Bundestag. (Archivbild) Michael Reichel/dpa

Erfurt - Nach dem Ende der Ampel-Regierung und einem Turbo-Wahlkampf bei frostigen Temperaturen steht am kommenden Sonntag die Neuwahl des Bundestages an. Für viele Menschen in Thüringen wird es der vierte oder fünfte Gang zur Wahlurne binnen zwölf Monaten sein. 

Das Land kommt aus einem Superwahljahr 2024 - mit Abstimmungen in der Kommunalpolitik, Stichwahlen, Europawahl und Landtagswahl. Nun werden auch die Karten im Bund neu gemischt, etliche Thüringer Polit-Promis kandidieren. Vor allem ein Wahlkreis verspricht Spannung am Wahlabend. 

Ist die Bundestagswahl ein erster Stimmungstest für die neue Brombeer-Landesregierung aus CDU, BSW und SPD?

Der Erfurter Politikwissenschaftler André Brodocz geht nicht davon aus. „Im aktuellen Wahlkampf dominieren bundesweite Themen sowie die Spitzenkandidatinnen und -kandidaten der Parteien“, sagt er. Ebenso trage die starke Polarisierung des Wahlkampfs dazu bei, dass landespolitische Erwägungen bei der Bundestagswahl für die Wähler eher keine Rolle spielten.

Spannend könnte sein, wie es für das BSW auch in Thüringen weitergeht, wenn die junge Partei den Sprung in den Bundestag nicht schafft. Parteigründerin Sahra Wagenknecht hatte den Ausgang der Wahl mit ihrer politischen Zukunft verknüpft. In Thüringen ist das BSW an der Landesregierung beteiligt. 

Welche Thüringer Polit-Promis kandidieren für den Bundestag?

Zu den bekanntesten Bundestagskandidaten gehört Bodo Ramelow. Thüringens Ex-Ministerpräsident ist Spitzenkandidat der Linken im Freistaat. Doch Ziel des 69-Jährigen ist ein Direktmandat. Zusammen mit zwei weiteren älteren linken Herren - Gregor Gysi und Dietmar Bartsch - ist er Teil der „Mission Silberlocke“. Mit drei Direktmandaten sollen sie der Linken den Einzug in den Bundestag sichern. Für Ramelow wäre es ein Comeback.

Die bei den Grünen einflussreiche Katrin Göring-Eckardt ist seit 2021 Vize-Bundestagspräsidentin. Nun will sie erneut ins Parlament und steht auf Platz eins der Grünen-Landesliste. 

Bundesweite Bekanntheit hat auch Thomas Kemmerich errungen, als er sich am 5. Februar 2020 mit AfD-Stimmen zum Ministerpräsidenten wählen ließ. Bei der Landtagswahl flog seine FDP mit ihm als Spitzenkandidaten aus dem Landtag. Nun bewirbt er sich um ein Direktmandat für den Bundestag. 

Auch der SPD-Politiker Carsten Schneider will erneut in den Bundestag. Nach der Wahl 2021 war er zwischenzeitlich als Bundesminister im Gespräch, wurde dann aber Ost-Beauftragter der Bundesregierung. Einer seiner Vorgänger auf diesem Posten, Christian Hirte (CDU), ist Thüringer Spitzenkandidat der CDU bei der Bundestagswahl.

Wie funktioniert die Bundestagswahl in Thüringen?

Die knapp 1,7 Millionen Wahlberechtigten in Thüringen haben zwei Stimmen: Mit ihrer Erststimme können sie einen Direktkandidaten in ihrem Wahlkreis wählen. Die Zweitstimme ist für eine Partei gedacht. Es gibt in Thüringen acht Wahlkreise und 73 Direktkandidaten - 15 weniger als bei der Bundestagswahl 2021. Nach Angaben des Landeswahlleiters treten elf Parteien zur Wahl an. Es gibt aber auch Einzelbewerber, die nicht von einer Partei aufgestellt wurden.

Welche Besonderheiten gibt es?

Im Wahlkreis Eisenach - Wartburgkreis - Unstrut-Hainich-Kreis gibt es eine ungewöhnliche Situation bei den Direktkandidaten. 2021 holte dort Klaus Stöber auf AfD-Ticket die meisten Erststimmen. Inzwischen ist Stöber aber einer der härtesten Kritiker der AfD-Landesspitze um Björn Höcke und Stefan Möller. Gegen ihn läuft ein Parteiausschlussverfahren. Bei der Bundestagswahl tritt er nun als Einzelbewerber an. Für die in Thüringen vom Landesverfassungsschutz als rechtsextrem eingestufte AfD geht Möller ins Rennen. 

Wo könnte es besonders spannend werden?

Wegen der hohen Polit-Promi-Dichte gilt der Wahlkreis Erfurt – Weimar – Weimarer Land II als spannend. Dort kandidieren zum Beispiel Ramelow, Göring-Eckardt, Schneider und Kemmerich. Für die CDU geht der Schulleiter Michael Hose an den Start. Hinzu kommen Kandidaten für das BSW, die Freien Wähler und die MLPD. Wegen des Höhenflugs der AfD in den Umfragen zur Bundestagswahl werden auch Alexander Claus (AfD) Chancen zugerechnet.

Zieht jeder Wahlkreisgewinner automatisch in den Bundestag ein? 

Nein. Das war mal so, aber nach einer Wahlrechtsreform wird bei dieser Bundestagswahl erstmals nicht jeder automatisch in den Bundestag einziehen, der in seinem Wahlkreis als Sieger hervorgeht. Die Wahlkreisgewinner bekommen dann ein Mandat, wenn ihre Partei auf genügend Zweitstimmen kommt, anderenfalls bleibt der Wahlkreis ohne Direktkandidaten.

Anders verhält es sich bei parteiunabhängigen Bewerberinnen und Bewerbern: Sie kommen auf jeden Fall in den Bundestag, wenn sie die meisten Erststimmen in einem Wahlkreis holen würden. 

Wie schnitten die Parteien in Thüringen bei der Bundestagswahl 2021 ab? 

Die CDU hofft auf mehr Rückenwind als vor vier Jahren. Bei der Wahl 2021 war sie nur auf 16,9 Prozent gekommen. Auswirkungen könnte die Wahl auch auf die AfD um Björn Höcke haben. Nicht nur Höckes rechte Hand in der Partei, Stefan Möller, könnte in den Bundestag einziehen. Auch sein Stratege in der Landtagsfraktion, Torben Braga, hat Chancen auf ein Mandat. 

Die AfD hatte bei der Bundestagswahl 2021 in Thüringen 24 Prozent geholt - und damit deutlich mehr als im bundesweiten Ergebnis. Die Linke kam damals im Freistaat auf 11,4 Prozent, die SPD auf 23,4 Prozent, die FDP auf 9,0 Prozent und die Grünen auf 6,6 Prozent. Für das BSW ist es die erste Bundestagswahl. Bei der Thüringer Landtagswahl hatte die junge Partei aus dem Stand 15,8 Prozent erreicht.