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Ob Diabetes, Arthrose oder Demenz: Immer häufiger werden Haustiere zum Arzt gebracht Ein künstliches Knie für den alten Bello

06.09.2012, 03:16

Einschläfern war gestern: Heute bekommen kranke Haustiere teure Operationen, Medikamente, Reha-Geräte. Geliebte Hunde und Katzen werden immer älter, leiden an Demenz, Diabetes, Gelenkproblemen.

Frankfurt/Main (epd) l Candy ist nach der Operation wieder aufgewacht. Mit 16 Jahren ist das für eine Katze nicht selbstverständlich. Diesmal war die Narkose nicht tief: Nur der Zahnstein, der sich bereits durchs Zahnfleisch gebohrt hatte, musste entfernt werden. Die vorausgehende Operation liegt noch kein Jahr zurück: Damals war es ein gutartiger Lebertumor gewesen, vier Jahre zuvor ein bösartiger Gesäugetumor.

Candy hat Glück, einen starken Lebenswillen, einen guten Tierarzt und eine Halterin, die vor Kosten nicht zurückschreckt.

Katze Candy gehört zu unzähligen Haustieren im Seniorenalter, die den niedergelassenen Veterinären vorgestellt werden - und das werden immer mehr. "Mit jedem Jahrzehnt nimmt die Zahl geriatrischer Fälle um etwa ein Drittel zu", schätzt Professor Martin Kramer, Chef der Kleintierchirurgie und Leiter der Kleintierklinik an der Universität Gießen. Wurden betagte Katzen und Hunde früher eingeschläfert, wenn sie krank und damit zu teuer wurden, so berappen Hundehalter heutzutage schon mal 2500 Euro für eine künstliche Hundehüfte.

Oder bis zu 1500 Euro für eine Behandlung mit radioaktivem Jod, wenn ihre Samtpfote an Schilddrüsenüberfunktion leidet wie Candy - neben Nieren- und Leberfunktionsschwäche sowie Arthrose die häufigste Malaise alter Katzen. Auch Hunde werden von Gelenkproblemen geplagt - und mehr als die Hälfte von Herzerkrankungen, wie die Münchner Tierärztin Claudia Möller weiß. "20000 Katzen und 30000 Hunde leiden in Deutschland unter Diabetes", heißt es außerdem auf ihrer Website zur Altersheilkunde. Ganz zu schweigen von Demenzsymptomen und Tumoren.

Die bildgebende Diagnostik hat die Tiermedizin und speziell die Altersheilkunde in den vergangenen 25 Jahren revolutioniert. "Dank Ultraschall, CT, MRT und Szintigrafie haben wir zu 95 Prozent Gewissheit über die Chancen für ein Tier", sagt Kramer. Der Bochumer Reha-Techniker Markus van den Boom hat sogar Rollwagen für den Einsatz nach Bandscheiben- und Hüftoperationen oder bei Lähmung der hinteren Gliedmaßen bei Hunden und Katzen entwickelt. Kostenpunkt: 250 bis 600 Euro.

Rollstühle für Hunde sind umstritten. Veterinär Kramer lehnt sie rundweg ab: "Gelähmte Hunde leiden häufig an Phantomschmerzen und fangen dann an, sich zu benagen. Sie fressen sich regelrecht selbst auf. Da ist Schluss." Man müsse jedenfalls genau prüfen, ob der Hund mit so einem Vehikel noch ein hundewürdiges Leben führen könne.

Van den Boom dagegen sagt: "Unsere Patienten sind schmerzfrei oder bekommen dagegen die nötigen Medikamente und erreichen wieder eine höhere Lebensqualität."