Staatsanwaltschaft Ermittlungen nach Tod einer 15-Jährigen in Rathenow
Nach dem Tod einer 15-Jährigen ermittelt die Polizei gegen einen Jugendlichen. Er soll dem Mädchen die mutmaßlich tödlichen Drogen gegeben haben. Die Rektorin der Schule des Mädchen berichtet von einem bedenklichen Drogenproblem in der Stadt Rathenow.
Rathenow - Im Zusammenhang mit dem Tod eines 15-jährigen Mädchens im brandenburgischen Rathenow ermittelt die Staatsanwaltschaft gegen einen Jugendlichen. Es gebe den Anfangsverdacht, dass der minderjährige Beschuldigte der Jugendlichen Betäubungsmittel verschafft und so leichtfertig ihren Tod verursacht habe, sagte eine Sprecherin der Staatsanwaltschaft in Potsdam am Mittwoch.
Es werde geprüft, ob die in Frage stehenden Betäubungsmittel zumindest „mitursächlich“ für den Tod des Mädchens waren. Um welche Art von Drogen es sich handele, sagte die Sprecherin nicht. Auch nähere Informationen zum Jugendlichen wollte die Staatsanwaltschaft mit Blick auf dessen Alter nicht preisgeben.
Die 15-Jährige war am Wochenende im Krankenhaus gestorben. Die Ermittlungsbehörden vermuten eine Überdosis chemischer Drogen als Grund. Die genauen Obduktionsergebnisse und das Ergebnis einer toxikologischen Untersuchung stünden allerdings noch aus, führte die Sprecherin aus.
Der jugendliche Verdächtige ist aktuell auf freiem Fuß, wie die Staatsanwaltschaft mitteilte. Es gebe noch keinen ausreichend dringenden Tatverdacht, um eine U-Haft zu rechtfertigen, sagte die Sprecherin. Der Verdächtige sei schon mehrfach polizeilich in Erscheinung getreten. Ob es dabei auch um Drogen ging, wurde nicht mitgeteilt.
In der Schule in Rathenow, an der die 15-Jährige war, lief unterdessen am Mittwoch der Unterricht nach Angaben der Schulleitung wieder weitestgehend normal. Zu Wochenbeginn waren einige der Schüler noch von Seelsorgern und Psychologen betreut worden. An normalen Unterricht sei nicht zu denken gewesen. In einem Teil des Schulgebäudes war eine Gedenkstelle für die Tote eingerichtet worden. Die Kinder hätten Blumen niedergelegt, Kerzen angezündet, einige hätten geweint.
Deutliche Worte für die Zustände in der Stadt fand Rektorin Constanze Seeger. „Ich weiß, dass Schüler schnell an Drogen in Rathenow kommen können“, sagte sie. In der Stadt gebe es öffentliche Plätze, auf denen jugendliche Dealer Drogen verkauften. Auch andere Jugendliche hielten sich auf diesen Plätzen auf. Es gebe Kontakt untereinander. „Wir haben das Gefühl, dass es immer mehr wird“, betonte Seeger mit Blick auf das Drogenproblem in der Stadt. Die Polizei sei zwar vor Ort, könne ihrer Ansicht nach aber wenig ausrichten.
In Rathenow sei in den vergangenen Jahren einen Anstieg der Drogendelikte verzeichnet worden, räumte eine Sprecherin der Polizei ein. Im Jahr 2020 wurden demnach insgesamt 142 Fälle in der polizeilichen Kriminalstatistik erfasst. 2021 waren es 149 Fälle, 2022 insgesamt 167. „Der hier verzeichnete Anstieg bedeutet dabei nicht unmittelbar einen Anstieg der Drogenkriminalität, sondern kann vielmehr auf eine erhöhte Kontrolltätigkeit zurückzuführen sein“, schränkte die Sprecherin aber ein.
Mehrere Anfragen zu dem Thema ließ die Stadtverwaltung unbeantwortet. Laut Medienberichten hatte sich Bürgermeister Jörg Zietemann (parteilos) schon kurz nach dem Tod des Mädchens mit einem Brief an das Innenministerium gewandt. Dabei soll es unter anderem um das Drogenproblem in der Stadt gehen. Brandenburgs Innenminister Michael Stübgen (CDU) hatte die Nachricht vom Tod des Mädchens als „sehr bedrückend“ bezeichnet. Dieser Fall zeige „auf dramatische Weise“, warum der Kampf gegen die Rauschgiftkriminalität so wichtig sei.
Am Montag war eine 13-jährige Schülerin im Osten Mecklenburg-Vorpommerns mutmaßlich nach dem Konsum der Ecstasy-Variante „Blue Punisher“ gestorben. Zwei weitere Schülerinnen liegen nach dem Konsum vermutlich der gleichen Droge noch in Krankenhäusern. Seit Dienstag sitzt ein 37-Jähriger in Untersuchungshaft, der in der Region Betäubungsmittel an Minderjährige abgegeben haben soll. Einen möglichen Zusammenhang zu diesem Fall haben die Ermittlungsbehörden beim Fall der Toten aus Rathenow im Blick. Die beiden Orte liegen etwa 140 Kilometer auseinander.
Eine Studie aus dem Jahr 2021 zum Substanzkonsum von Jugendlichen in Brandenburg belegte zuletzt einen relativ geringen Konsum von illegalen Substanzen wie Ecstasy, Kokain, Heroin und LSD unter den Jugendlichen. So hätten knapp 95 Prozent der über 6000 befragten Zehntklässler noch nie einen dieser Stoffe konsumiert. Fast fünf Prozent gaben an, bereits eine dieser Drogen genutzt zu haben, 0,4 Prozent konsumierten nach eigenen Angaben wöchentlich.
„In Brandenburg gibt es im Vergleich zum Bundesdurchschnitt ein relativ niedriges Konsumverhalten von psychoaktiven Substanzen und eine im Vergleich zu großstädtischen Ballungsräumen wenig ausgeprägte Partyszene“, sagte ein Sprecher des Gesundheitsministeriums auf dpa-Anfrage. Die Zahl der Konsumierenden von psychoaktiven Drogen sei in den vergangenen Jahren bei den Jugendlichen sogar rückläufig.