Parteien FDP-Mitglieder ringen um Strukturen, Kurs und Köpfe
Die FDP in Sachsen-Anhalt stellt personelle Weichen. Landeschefin Hüskens bleibt an der Spitze. Doch auf dem Parteitag wird viel Kritik laut - und es gibt wieder ein spannendes Duell.

Zerbst - Nach dem Ausscheiden aus dem Bundestag ringen die Liberalen in Sachsen-Anhalt um den künftigen Kurs der FDP. Auf einem Landesparteitag in Zerbst äußerten viele Mitglieder Kritik an der Parteispitze, was sich auch in den Wahlergebnissen zum neuen Landesvorstand widerspiegelte. Landeschefin Lydia Hüskens wurde wiedergewählt.
Hüskens erhielt ohne Gegenkandidaten rund 61,7 Prozent Zustimmung. Sie bekam 66 Ja-Stimmen, 35 Delegierte stimmten mit Nein, es gab 6 Enthaltungen. Vor zwei Jahren hatte Hüskens bei ihrer Wahl rund 93 Prozent Zustimmung erhalten.
Hüskens ist seit Juli 2021 Landeschefin. In der schwarz-rot-gelben Landesregierung ist die 61-jährige Ministerin für Infrastruktur und Digitales. In ihrer Rede rief Hüskens die Mitglieder dazu auf, nach dem Ausscheiden der Liberalen aus dem Bundestag mehr Verantwortung zu übernehmen. „Wir können alle jeden Tag ein bisschen Bundesvorsitzender sein“, sagte Hüskens. Man verliere aktuell viele Gesichter, die die Liberalen in der Öffentlichkeit lange vertreten hätten.
Hüskens fordert Präsenz der Mitglieder
Nun müssten alle mehr Verantwortung übernehmen, sagte Hüskens. „Wir müssen präsent sein.“ Wenn jedes der 1.200 Mitglieder in Sachsen-Anhalt in den nächsten Monaten seine Bekanntheit vor Ort nutze und 50 Menschen überzeuge, würde man 60.000 neue Wähler gewinnen, rechnete die Landeschefin vor. „Lasst uns zusammen rausgehen.“ Man müsse Neues ausprobieren, dafür sei auch mehr Mut nötig, so die Landeschefin.
Mit 3,1 Prozent war die FDP bei der Bundestagswahl im Februar in Sachsen-Anhalt deutlich unter der Fünf-Prozent-Hürde gelandet. Ein solches Ergebnis würde im nächsten Jahr bei der Landtagswahl nicht für den erneuten Einzug ins Parlament in Magdeburg reichen.
Viel Kritik in der Aussprache
In einer längeren Aussprache übten viele Mitglieder Kritik. Der Landeschef der Jungen Liberalen, Moritz Eichelmann, warf dem Landesvorstand vor, nicht auf den Vertrauensverlust bei der Bundestagswahl zu reagieren. Außerdem bemängelte er, dass die FDP mit dem Corona-Sondervermögen der Landesregierung die Aufnahme von Schulden in Milliardenhöhe mittrage.
Der Delegierte Klaus Hänsel aus Halle kritisierte Hüskens Vorschlag, dass alle Mitglieder 50 Menschen überzeugen sollten. „Als wenn wir das nicht schon getan hätten“, sagte er. „Wenn dass der Plan ist, dann hat unsere Führung keinen Plan.“ Zudem vermisse er Selbstkritik. „Denn wir müssen uns ja eingestehen: Wir sind gescheitert“, sagte Hänsel. Teile des bisherigen Landesvorstands seien eher ein Debattierclub als ein Team.
Erneutes Duell zwischen Faber und Czekanowski
Die Stimmung drückte sich dann auch in weiteren Wahlergebnissen zum neuen Landesvorstand aus. Fraktionschef Andreas Silbersack bleibt stellvertretender Landesvorsitzender, er erhielt 70 Ja-Stimmen. Es gab 32 Nein-Stimmen und 5 Enthaltungen.
Der ehemalige Bundestagsabgeordnete Marcus Faber verlor sein Vize-Amt in einer Abstimmung um den zweiten Stellvertreterposten gegen den Unternehmer Jan Czekanowski. Faber erhielt 51 Stimmen, auf Czekanowski entfielen 54 Stimmen.
Die beiden Männer hatten sich bereits im vergangenen Jahr ein Duell um die Spitzenkandidatur der Liberalen zur Bundestagswahl in Sachsen-Anhalt geliefert, das damals knapp für Faber ausgegangen war. „Ich möchte mich streiten“, sagte Czekanowski. Statt Aufrufen zu Geschlossenheit seien Auseinandersetzungen um Inhalte nötig.
Trennung von Amt und Mandat beschlossen
In einem Leitantrag sprachen sich die Delegierten für Bürokratieabbau aus. Aber auch daran gab es Kritik. Eichelmann etwa kritisierte, dass damit vor allem alte Forderungen wiederholt würden. „Wo ist hier aktuelle politische Lage zu erkennen?“, so Eichelmann.
Die Jungen Liberalen sehen insgesamt zu wenig FDP-Inhalte in der schwarz-rot-gelben Koalition. Das brachten sie auch in einem Dringlichkeitsantrag zum Ausdruck, der eine Mehrheit auf dem Parteitag bekam. Künftig soll es eine Trennung von Amt und Mandat geben, insbesondere bei Ministerämtern und Führungsposition in der Partei. Darin ist aber auch festgehalten: „Das Absichern des Fortbestehens der Landesregierung darf nicht über den inhaltlichen Forderungen der Landespartei stehen.“
Debatte um Amt des Bundespräsidenten
Kontrovers diskutiert wurde ein Antrag der Jungen Liberalen zur Abschaffung des Amts des Bundespräsidenten. Es sei ein „monarchistisches Relikt“, sagte Adrian Gusinde. Die Aufgaben des Bundespräsidenten könnten auf andere Institutionen übertragen werden.
Fraktionschef Silbersack widersprach vehement. Allein die Wortwahl gehe gar nicht, der Antrag sei auch in Achtung vor der Geschichte abzulehnen, so Silbersack. Der Antrag wurde schließlich mit großer Mehrheit abgelehnt.