Deutscher Filmpreis Film über das Leben: „Sterben“ gewinnt Goldene Lola
Die Holocaust-Überlebende Margot Friedländer appelliert an die Branche, Filmlegende Hanna Schygulla erntet Lacher und Favorit „Sterben“ holt den Hauptpreis: So war der Deutsche Filmpreis 2024.
Berlin - Es ist eigentlich ein Film über das Leben: das dreistündige Drama „Sterben“ von Matthias Glasner. Beim Deutschen Filmpreis wurde es am Freitagabend mit der Goldenen Lola als bester Spielfilm ausgezeichnet. Insgesamt gewann der Film über eine zerrüttete Familie, der mit neun Nominierungen als Favorit ins Rennen ging, vier Auszeichnungen. Glasner zeigte sich bei der Verleihung gerührt und leicht überrumpelt auf der Bühne. „Ich bin ganz schön durch den Wind, ehrlich gesagt.“
Standing Ovations für Margot Friedländer
Für den bewegendsten Auftritt sorgte bei der Gala im Theater am Potsdamer Platz in Berlin aber eine 102-Jährige. „In diesem Raum sitzen ganz viele Geschichtenerzähler. Ihr habt die Verantwortung, die Kraft des Films zu nutzen, damit so etwas nie wieder passiert“, appellierte die Holocaust-Überlebende Margot Friedländer an die Filmschaffenden. „Ich bitte euch, mich zu unterstützen, dass die Geschichte sich nicht wiederholt.“ Für ihre Rede gab es Standing Ovations. Einige hatten Tränen in den Augen.
Filmakademie-Chefs erinnern an Zusammenhalt
Der Regisseur Florian Gallenberger, der mit der Schauspielerin Alexandra Maria Lara die Deutsche Filmakademie leitet (den Verein mit mehr als 2200 Filmschaffenden, die seit 2005 auch die Filmpreisgewinner wählen, vergleichbar mit Hollywoods Academy of Motion Picture Arts and Sciences und den Oscars), mahnte Zusammenhalt an. Diesen brauche es im Augenblick mehr denn je. Lara betonte, die Filmakademie positioniere sich gegen jegliche Form von Ausgrenzung, gegen Hass, Rassismus und Antisemitismus.
Kulturstaatsministerin Claudia Roth (Grüne) sagte zu Beginn: „Ich glaube niemand, niemand hier bleibt unberührt vom Elend der Gewalt, von der Verunsicherung, von der zunehmenden Spaltung der Gesellschaft, den massiven Bedrohungen, denen die Demokratie und auch die Kultur ausgesetzt sind.“
Schygulla sprengt Zeitvorgaben
Ein anderer Auftritt sorgte dagegen für Schmunzler. Hanna Schygulla wurde mit dem Ehrenpreis der Filmakademie ausgezeichnet. Bei ihrer Dankesrede, die sie handgeschrieben auf Papier mit auf die Bühne nahm, verzettelte sich die legendäre Fassbinder-Schauspielerin - und blieb noch auf der Bühne, als die Veranstalter schon die Musik einspielten, die das Ende der Rede markieren sollte. Sie falle als Ikone auch mal gern aus dem Rahmen, sagte die 80-Jährige, die für ihre herausragenden Verdienste um den deutschen Film geehrt wurde.
Auszeichnungen wurden in zahlreichen Kategorien vergeben: Bis zum Ende gab es keinen eindeutigen Abräumer. „Sterben“ bekam neben der Goldenen Lola als bester Spielfilm einen Preis für die beste Filmmusik (Lorenz Dangel). Zudem wurde Corinna Harfouch als beste Hauptdarstellerin geehrt, Hans-Uwe Bauer für die beste männliche Nebenrolle. Der Mystery-Thriller „Die Theorie von Allem“ von Timm Kröger kam auf drei Auszeichnungen, genauso wie „Im toten Winkel“, ein packender Politthriller von Ayşe Polat.
Harfouch triumphiert als beste Schauspielerin
Regisseur Glasner hatte schon bei der Berlinale im Februar einen Silbernen Bären für sein Drehbuch gewonnen. Sein Drama ist keine leichte Kost. Ausgangspunkt ist der Tod des demenzkranken Vaters Gerd (Bauer). Dadurch müssen sich die Mitglieder der Familie Lunies wieder miteinander auseinandersetzen. Liebe, Zuneigung und Herzenswärme sind Fremdworte für sie. Glasner widmet ihnen im Film mehrere Kapitel. Recht schnell wird klar, dass auch die schwer kranke Mutter Lissy (Harfouch) kurz vor dem Ende ihres Lebens steht. Harfouch spielt die unnahbar wirkende und kalte Lissy besonders überzeugend.
Eidinger nicht bei Verleihung in Berlin - Dreharbeiten mit Clooney
„Sterben“-Darsteller Lars Eidinger gratulierte live per Videoschalte. Momentan dreht der Schauspieler unter anderem mit Hollywoodstar George Clooney einen Film. Eidinger selbst ging in der Kategorie für die beste männliche Hauptrolle leer aus. Stattdessen setzte sich dort der österreichische Schauspieler Simon Morzé durch. Im Historienfilm „Der Fuchs“ spielt er einen Soldaten, der im Zweiten Weltkrieg einen jungen Fuchs aufzieht.
Die Österreicherin Adele Neuhauser nahm die Lola als beste Nebendarstellerin im Drama „15 Jahre“ mit nach Hause. Bester Dokumentarfilm wurde „Sieben Winter in Teheran“ von Steffi Niederzoll über eine zum Tode verurteilte junge Iranerin.
Der Deutsche Filmpreis gehört zu den wichtigsten Auszeichnungen der Branche. Die Nominierungen und Auszeichnungen sind mit insgesamt rund drei Millionen Euro für neue Projekte dotiert. Das Geld stammt aus dem Haus von Kulturstaatsministerin Roth.
Lola wieder nur so lala im Fernsehen
Beim Fernsehpublikum fand der Filmpreis erneut wenig Anerkennung. Diesmal schalteten die zeitversetzt ab 22.25 Uhr im Ersten ausgestrahlte Gala im Schnitt 570.000 Menschen ein, fast 200.000 mehr als im letzten Jahr beim ZDF. Vor fünf Jahren schauten immerhin noch rund eine Million zu, vor 15 Jahren sogar etwa zwei Millionen.