Traditionen Forschung zu Leinen im Wendland und Kleidung für Sklaven
Ein Forschungsprojekt zum kolonialen Erbe des wendländischen Leinens untersucht die Verbreitungswege in der damaligen Zeit. Gelangte der Stoff als Kleidung für Sklaven sogar nach Amerika?

Lübeln - Leinenhemden von hochwertiger Qualität sind besonders im Sommer angenehm zu tragen. Schlecht verarbeitetes Leinen kann auf der Haut kratzen, besonders bei schwerer Arbeit. Davon berichtet Ruth Stamm, die in einem Forschungsprojekt die Vertriebswege wendländischer Leinenproduktion im Nordosten Niedersachsens über Hamburg und Lübeck bis nach Amerika untersuchte.
„Deutschland hat seine Kolonialwaren vor allem mit Leinen bezahlt“, erklärt die Kulturwissenschaftlerin der Leuphana Universität in Lüneburg. „Leinen wurde aber auch als Verpackungsmaterial für Kolonialwaren genutzt, ein Aspekt ist auch die Kleidung von Versklavten.“ Wegen des Holzkerns im Flachs scheuert minderwertiger Stoff auf der Haut.
Leinenproduktion im 18. und 19. Jahrhundert
Eineinhalb Jahre wurden die Verflechtungen der Handelswege und Finanzströme erforscht, die die Region Wendland veränderten und zu Wohlstand führten. Die Trachten der Frauen mit ihren teuren Seidenbändern für besondere Anlässe zeugen davon.
In einer 40 Quadratmeter großen Ausstellung zeigt das Rundlingsmuseum Wendland in Lübeln, das den Anstoß für das Forschungsprojekt gab, vom 20. Juni an eine Dauerausstellung zur Geschichte der Leinenproduktion im 18. und 19. Jahrhundert.
Über die Herstellung waren bisher die aufwendigen Herstellungsschritte vom Flachs zum Leinenfaden und die Webereigeschichte bekannt. Und das war harte Arbeit. Bäuerinnen und Bauern sowie Mägde und Knechte waren auf den Höfen vor allem im Winter mit dem Spinnen und Weben beschäftigt.
Die fertiggestellten Leinenballen wurden in sogenannte Leggeanstalten nach Lüchow, Wustrow, Bergen (Dumme) und nach Dannenberg zur Kontrolle gebracht. Über Jeetzel und Elbe ging es per Schiff nach Hamburg. Dort verlor sich ihre Spur.
Bescheidener Wohlstand der Bäuerinnen und Bauern
Viele Quellen belegten nun, dass das Leinen von da aus in alle Welt verschifft wurde. „Gefühlt ist das Wendland richtig abgelegen, aber die Handelswege haben es tief durchdrungen“, sagt Sarah Kreiseler, Leiterin des Rundlingsmuseums.
Damit sei auch der bescheidene Wohlstand der Landwirte, der bis heute in den vielfach verzierten Häusern der für die Region typischen Rundlingsdörfer sichtbar ist, zu erklären. Er stehe damit indirekt in einem kolonialen Zusammenhang. Das Wissenschaftsministerium in Hannover förderte die Forschung mit fast 100.000 Euro im Rahmen des Programms zur Erforschung kulturellen Erbes.