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Internet Gerichtsdokumente im Netz - Prozess gegen Journalisten

Unterlagen aus Ermittlungs- und Gerichtsverfahren dürfen nicht einfach veröffentlicht werden. So sieht es das Gesetz vor. Der Journalist Semsrott kritisiert das und nimmt eine Strafe in Kauf.

Von dpa 16.10.2024, 13:17
Journalist und Aktivist Arne Semsrott vor Gericht.
Journalist und Aktivist Arne Semsrott vor Gericht. Bernd von Jutrczenka/dpa

Berlin - Der Journalist und Aktivist Arne Semsrott steht in Berlin vor Gericht, weil er Dokumente aus einem laufenden Ermittlungsverfahren gegen die Klimaschutzgruppe Letzte Generation veröffentlicht hat. Es handelt sich dabei um drei - zum Teil geschwärzte - Entscheidungen des Amtsgerichts München, die im August 2023 beim Internetportal „FragDenStaat“ veröffentlicht wurden und bis heute dort abrufbar sind.

„Ich gebe zu, dass ich die Beschlüsse veröffentlicht habe“, sagte der Chefredakteur des Internetportals, das sich für staatliche Transparenz einsetzt, zu Prozessbeginn. Ihm sei dabei bewusst gewesen, dass es den Paragrafen § 353d im Strafgesetzbuch (Verbotene Mitteilungen über Gerichtsverhandlungen) gebe. Danach ist eine wortgetreue Veröffentlichung von Ermittlungsakten und Gerichtsentscheidungen aus laufenden Ermittlungsverfahren nicht zulässig. Das Gesetz droht eine Freiheitsstrafe bis zu einem Jahr oder eine Geldstrafe an. 

Journalist nimmt Risiko der Verurteilung in Kauf

„Dieses Risiko nehme ich in Kauf“, sagte Semsrott am Rande der Verhandlung. Die bestehende Gesetzeslage stelle eine Einschränkung der Pressefreiheit dar, die verfassungswidrig sei. In Zeiten von Fake News seien Originalquellen für eine fundierte Diskussion umso wichtiger. Die Gesellschaft für Freiheitsrechte (GFF) unterstützt den 36-Jährigen in dem Fall. 

Wegen der besonderen Bedeutung der Rechtsfrage im Hinblick auf die Pressefreiheit hat die Berliner Staatsanwaltschaft Anklage beim Landgericht und nicht beim eigentlich zuständigen Amtsgericht erhoben. 

Verfahren soll Bundesverfassungsgericht vorgelegt werden

Der Verteidiger des Journalisten beantragte, das Verfahren vor dem Landgericht Berlin auszusetzen und den Fall dem Bundesverfassungsgericht in Karlsruhe vorzulegen. Die bestehende Gesetzeslage verstoße gegen die Presse- und Wissenschaftsfreiheit, so der Anwalt. Die Vorschrift sei nicht mehr zeitgemäß angesichts der Entwicklung der Medienlandschaft. 

Bislang haben die Karlsruher Richter jedoch anders entschieden. Der Gedanke hinter der Strafnorm ist, dass Zeuginnen und Zeugen sowie Laienrichter vor einem Prozess nicht beeinflusst werden sollen durch vorläufige Ermittlungsergebnisse. 

Urteil am Freitag geplant

Das Gericht hat zunächst zwei Prozesstage geplant. Ein Urteil könnte demnach an diesem Freitag (18. Oktober) gesprochen werden, wie der Vorsitzende Richter Bo Meyer sagte. Die Staatsanwaltschaft wird voraussichtlich heute noch ihr Plädoyer halten. 

So oder so wird der Fall die Justiz voraussichtlich noch länger beschäftigen: Sollte das Landgericht den Fall nicht Karlsruhe vorlegen, sondern Semsrott verurteilen, will der Journalist alle Rechtsmittel ausschöpfen, um den Fall vor das höchste deutsche Gericht zu bringen.