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Fußball-Nationalmannschaft Goretzkas Comeback-Märchen: Nicht mehr einsam am Wasser

Diese Comeback-Story macht alle happy. Besonders natürlich Leon Goretzka selbst. Und auch den Bundestrainer. Neun Monate nach seinem einsamen EM-Sommer ist der Bayern-Profi wieder auf der Siegerseite.

Von Arne Richter und Klaus Bergmann, dpa Aktualisiert: 21.03.2025, 12:33
In der Pose eines Siegers: Leon Goretzka feiert gegen Italien.
In der Pose eines Siegers: Leon Goretzka feiert gegen Italien. Domenico Cippitelli/LiveMedia-IPA/ZUMA Press Wire/dpa

Mailand - Juni 2024: Einsam sitzt Leon Goretzka auf einem Klappstuhl auf einer Holzterasse und blickt aufs Wasser. Die Kapitänsmütze wirkt deplatziert, verkehrt herum auf seinem Kopf. Im Hintergrund geht ein Regenschauer nieder. 

März 2025: Als großer Sieger baut sich Leon Goretzka vor dem deutschen Fan-Block in San Siro auf. Die Arme triumphierend nach oben gereckt. Die Hände zu Fäusten geballt. Der Blick energisch und entschlossen. 

285 Tage liegen zwischen dem melancholisch wirkenden Social-Media-Foto eines sportlich Degradierten, von der Heim-EM 2024 Ausgeschlossenen. Und dem Torjubel-Bild des großen deutschen Comeback-Stars von Mailand. Mit seinem Energie-Auftritt im Viertelfinal-Hinspiel der Nations League in Italien, inklusive Siegtor zum 2:1, hat der Münchner eine in der Form wohl einmalige Rückkehr ins Trikot der Fußball-Nationalmannschaft förmlich zelebriert. 

„Man traut sich hin und wieder mal, vor dem Spiel so ein Szenario auszumalen. Das habe ich tatsächlich diesmal auch gemacht“, erzählte der Mittelfeldspieler des FC Bayern in der ARD: „Das ist, das muss ich zugeben, eine ganz runde Geschichte“, fügte Goretzka nach seinem 58. Länderspiel an. Mit nun 15 Toren ist er nebenbei auch noch der deutsche Top-Torschütze im aktuellen Kader. 

Nagelsmann: „Das gibt es nur im Fußball“

Lobeshymnen gab es von allen Seiten. Bayern-Kollege Joshua Kimmich sagte: „Ich freue mich sehr, sehr für ihn.“ 1:1-Schütze Tim Kleindienst meinte: „Es hat Spaß gemacht, mit ihm zu spielen.“ Und der Bundestrainer wirkte förmlich erleichtert, dass er Goretzka wieder als Nationalspieler würdigen konnte. „Ein Top-Comeback, das klingt immer so hochtrabend, nach alldem was passiert ist. Das gibt es nur im Fußball“, sagte Nagelsmann in der Mailänder Nacht. 

Er bescheinigte Goretzka einen „Top-Charakter“. Nie habe er anderes gesagt, trat der Bundestrainer dem Eindruck entgegen, die Demission zum Start ins EM-Jahr 2024 habe andere als sportliche Gründe gehabt. 

Tatsächlich, das ist in der Retrospektive nun klar, war Goretzka schlicht ein Kroos-Opfer. Das Comeback von Toni Kroos machte ihn im Nationalteam überflüssig. Die Rolle als Backup wäre nichts für ihn gewesen und damit nichts für das Team. Ersatzbank-Szenarien sind jetzt überflüssig. In der Verfassung ist der 30-Jährige die Nummer eins auf der Sechserposition.

Gesucht wird nur der Nebenmann

Die Frage vor dem Rückspiel gegen Italien am Sonntag (20.45 Uhr/RTL) in Dortmund ist nicht mehr, ob Goretzka spielt. Sondern, wer neben ihm spielen darf. Pascal Groß? Robert Andrich? Angelo Stiller? Goretzka jedenfalls düste vom Abstellgleis direkt in die Pole Position. 

Der Charakter von Goretzka hat sich nicht geändert. Er bleibt der bedächtig Wirkende. Manchmal erscheint er dadurch unnahbar. Ein TV-Interview musste auch reichen. Mit schnellen Schritten marschierte er durch die schmucklose Pressezone des Giuseppe-Meazza-Stadions. „Ich habe schon gesprochen“, warf er den im grellen Neonlicht wartenden Reportern noch leise einen Satz zu.

Schweigen als Stärke

Für seine Stabilität, für seine Power, für sein Siegtor wurde der Bayern-Profi von Nagelsmann gelobt. Und gerühmt wurde er für sein Durchhaltevermögen in schlechten Zeiten. Und für seine Fähigkeit, trotz viel Kritik zu schweigen. Wie im Sommer 2024 einsam am Wasser.

„Er hat bewiesen, dass es sich lohnt, auch mal Täler zu durchschreiten. Und sich aus vielen Diskussionen herauszuhalten, das war der cleverste Move von ihm, dass er nicht alles kommentiert hat“, sagte der Bundestrainer über seinen Rückkehrer, dem er selbst vor einem Jahr die schmerzhafte Degradierung samt EM-Ausbootung zugefügt hatte. Goretzka sei nun der „MVP“ gewesen, der wertvollste Akteur.

Die lange Pause inklusive der Nicht-Nominierung für die Heim-EM vor einem Jahr sei „natürlich nicht einfach“ gewesen, gab Goretzka zu. Das Bild am Wasser wirkt noch nach. „Aber ich möchte lieber nach vorne gucken als zurück. „Ich hoffe, dass es jetzt so weitergeht“, sagte er.