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Fußball-Nationalmannschaft „Halbe Mannschaft weg“ - DFB-Team muss sich neu finden

Bundestrainer Nagelsmann muss in der Nations League die halbe Stammelf ersetzen. Das erste Training wird deshalb zur Kennenlernrunde. Zur Zufriedenheit des Kapitäns „brennen“ die Neuen aber.

Von Jan Mies und Klaus Bergmann, dpa Aktualisiert: 08.10.2024, 14:58
Wo geht's hin mit diesem Kader? Julian Nagelsmann muss umbauen.
Wo geht's hin mit diesem Kader? Julian Nagelsmann muss umbauen. Daniel Löb/dpa

Herzogenaurach - Als Julian Nagelsmann um kurz nach elf Uhr den Trainingsplatz betrat, war er ziemlich einsam. Die meisten seiner Fußball-Nationalspieler um Rückkehrer Robin Gosens schlenderten erst ein paar Minuten später die kleine Treppe herunter zum Rasen. Immerhin, mag sich der Bundestrainer gedacht haben. Nach den Absagen von fünf Stammkräften muss Nagelsmann für die Nations-League-Aufgabe in Bosnien-Herzegowina schwer improvisieren. Von Einspielen für das große Titelziel kann keine Rede mehr sein.

„Gefühlt ist die halbe Mannschaft weg“, sagte Kapitän Joshua Kimmich. „Es ist schwierig, das aufzufangen. Denn es ist nicht so, dass wir den Kern der Mannschaft schon seit fünf Jahren haben.“ In Zenica am Freitag (20.45 Uhr/RTL) vor gut 13.000 sehr lauten bosnischen Fans werde sich zeigen, ob die DFB-Auswahl gefestigt genug sei. „Wichtig ist, dass Spieler Verantwortung übernehmen“, sagte Anführer Kimmich.

Das erste Training am Dienstag im Teamquartier in Herzogenaurach geriet so zur Kennenlernrunde mit den „neuen Gesichtern“ (Kimmich) von Gladbachs Tim Kleindienst, Stuttgarts Jamie Leweling und dem Mainzer Jonathan Burkardt. „Viel Energie“ brächten die Neuen mit, berichtete Kimmich, „sie brennen“.

Nagelsmanns Kaderplan B

Stürmer Kleindienst war von Nagelsmann planmäßig berufen worden, weil Niclas Füllkrug weiterhin mit einer Achillessehnenreizung ausfällt. Außenspieler Leweling rückte kurzfristig für Jamal Musiala (Hüftgelenk) nach und der zuletzt formstarke und treffsichere Angreifer Burkardt für Kai Havertz (Knie). Der für Innenverteidiger Robin Koch (Hüfte) nominierte Stürmer Kevin Schade ist mit drei Länderspielen auch noch ziemlich neu.

Gosens ist schließlich noch für den Leipziger David Raum (Sprunggelenk) zurückgeholt worden. Der zur AC Florenz gewechselte Außenspieler war zuletzt im Oktober 2023 in den ersten beiden Länderspielen unter Nagelsmann während der USA-Reise zum Einsatz gekommen. „Robin ist immer einer, der darauf brennt, hier dabei zu sein“, sagte Kimmich. Dass der für Monate fehlende Stammtorwart Marc-André ter Stegen (Patellasehnenriss) ersetzt werden muss, weiß Nagelsmann schon länger.

Kimmich: Nominierung ein Privileg

„Hier dabei sein zu dürfen, ist etwas ganz Besonderes“, sagte Kimmich. Für die Nationalmannschaft spielen zu dürfen, sei ein Privileg, unabhängig davon, ob mit 100 oder nur drei Länderspielen. „Ich freue mich für alle, die es sich verdient und erarbeitet haben“, sagte der Kapitän. Dass Torwart Bernd Leno wegen fehlender Aussichten auf einen Einsatz dem Bundestrainer abgesagt hatte, kommentierte der Bayern-Profi mit Verweis darauf, nicht an der Kommunikation beteiligt gewesen zu sein, vielsagend mit: „Wenn einer nicht dabei sein möchte, muss er nicht kommen.“

In einem der beiden Länderspiele wird der Hoffenheimer Oliver Baumann (34) stehen. Auch Alexander Nübel (28) hat gute Aussichten auf sein Debüt im DFB-Tor. Ein „super Typ“ sei Baumann, sagte dessen einstiger Mitspieler Serge Gnabry, der nach der verletzungsbedingt verpassten Heim-EM einen neuen Anlauf im Nationaltrikot nimmt - und in der ausgedünnten Offensive praktisch gesetzt ist. „Ich spiele gerade gut“, sagte Gnabry selbstbewusst.

In Zenica und drei Tage später in München gegen die Niederlande würden die DFB-Auswahl „natürlich extrem schwere Spiele“ erwarten, sagte Gnabry. Das Ziel bleibe aber auch mit einer mutmaßlich halben B-Elf, beide Spiele zu gewinnen, betonten er und auch Kimmich. Dann wäre Deutschland die Qualifikation für das Viertelfinale des einst so ungeliebten Wettbewerbs sicher.

„Wir haben den Kader aufgrund einiger Verletzungen kurzfristig nochmal etwas verändern müssen“, sagte Nagelsmann, was nicht so recht in den vor wenigen Wochen skizzierten „Masterplan“ des Bundestrainers passt. Die WM 2026 in den USA, Kanada und Mexiko mit Titelziel im Blick wollte der 37-Jährige möglichst konstant die mögliche WM-Elf spielen lassen. Das muss Nagelsmann verschieben: Die Mannschaft, die in Zenica und München auf dem Rasen steht, wird womöglich nie wieder in dieser Konstellation auflaufen.