Rechtsextremismus Halle-Attentäter zeigt seine Gefährlichkeit bei Geiselnahme
Rassistisch, antisemitisch und menschenfeindlich: Der Halle-Attentäter machte mit seiner Tat 2019 auf die Synagoge weltweit Schlagzeilen. Im Gefängnis gibt der 30-Jährige keine Ruhe.
Burg/Magdeburg - Er verübte am höchsten jüdischen Feiertag ein Attentat auf die Synagoge in Halle und tötete zwei Menschen. Vor zwei Jahren wurde er wegen der rassistischen und antisemitischen Tat zur Höchststrafe verurteilt.
Kaum war das Urteil gesprochen, warf er einen Gegenstand in Richtung der Nebenkläger. Der 30 Jahre alte Halle-Attentäter zeigt nun auch im Gefängnis seine Gefährlichkeit. Am Montagabend nahm er nacheinander zwei Bedienstete als Geiseln und zwang sie, ihm den Weg aufzuschließen Richtung Freigelände inmitten der Gefängnismauern. Sein Ziel war laut sachsen-anhaltischem Justizministerium, in die Freiheit zu gelangen.
Acht Justizvollzugsbedienstete konnten den Straftäter nach weniger als einer Stunde überwältigen. Der Halle-Attentäter wurde dabei verletzt, allerdings nicht schwerwiegend, wie es aus dem Landesjustizministerium hieß. Die beiden als Geiseln genommenen Männer wurden äußerlich nicht verletzt, werden aber betreut.
War eine selbstgebaute Waffe im Einsatz?
Nun bleibt zu klären, wie dem 30-Jährigen die Geiselnahme gelingen konnte. Sachsen-Anhalts Justizministerin Franziska Weidinger (CDU) sagte, der Gefangene werde in dem Hochsicherheitsgefängnis in Burg engmaschig betreut und kontrolliert. Er lebt in einer übersichtlichen Einzelzelle. Gegenstände des täglichen Bedarfs darf er besitzen.
Unklar ist, mit welcher Art Gegenstand der Gefangene die Bediensteten bedroht hat. Die Ermittlungen laufen. Medienberichte zu einem mutmaßlichen Einsatz einer selbstgebauten Waffe bestätigte Weidinger nicht. Die Ermittlungen zum Hintergrund dauerten an, sie könne noch keine detaillierten Angaben machen, sagte im Landtag. „Das betrifft Einzelheiten zu den Tatmitteln, das betrifft polizeiliche Meldungen, ob tatsächlich ein Schuss abgegeben worden ist.“ Gesicherte Erkenntnisse lägen ihr dazu noch nicht vor.
Ein Sprecher der Generalstaatsanwaltschaft Naumburg sagte der Deutschen Presse-Agentur, ihm lägen noch keine konkreten Erkenntnisse vor. Den Einsatz einer Waffe könne er nicht bestätigen. Die zuständige Staatsanwaltschaft in Stendal hat noch keine Akten vorliegen und konnte zu einem möglichen Einsatz einer Waffe ebenfalls nichts sagen, wie ein Sprecher auf Anfrage mitteilte.
In weiten Teilen unkooperatives Verhalten
Der Halle-Attentäter nutzte laut Landesjustizministerium gegen 21 Uhr die Phase des Einschlusses vor der Nacht, um den ersten Bediensteten in seine Gewalt zu bringen. Er zwang ihn dazu, mit ihm dem Weg auf den Freistundenhof zu gehen. Dort habe der Gefangene stark gestikulierend einen anderen Bediensteten aufgefordert, ihm den weiteren Weg im Inneren der Anstalt zu bahnen. Wie viele Türen die Bediensteten genau für den 30-Jährigen öffneten, ist noch unklar. Laut der Landesjustizministerin folgten mehrere Bedienstete dem Geiselnehmer und dem Kollegen. Ruhig und besonnen habe das Personal gehandelt, betonte die Ministerin.
Die Geiselnahme ist der vorläufige Höhepunkt des in weiten Teilen unkooperativen Verhaltens des Halle-Attentäters. Insider berichten von vielen „Sperenzchen“, die er sich leiste. Er bindet viel Energie des Personals und sorgt damit durchaus auch dafür, dass sich gewohnte Abläufe für andere Gefangene nicht immer einhalten lassen. Das Ministerium berichtete etwa von einem Fall, in dem der 30-Jährige seine Haftraumtür mit Papier verkeilte. Als Disziplinarmaßnahme wurde ihm jeglicher Kontakt zu anderen untersagt, er wurde in einem kahlen Raum untergebracht.
Landesjustizministerin Weidinger sagte nach der Geiselnahme: „Ich bin betroffen, zu sehen, dass der Gefangene seine Grundhaltung offenbar kein Stück ändert und ohne Rücksicht auf Leib und Leben anderer agiert.“ Der Halle-Attentäter Stephan Balliet war am 21. Dezember 2020 zu lebenslanger Haft und anschließender Sicherungsverwahrung verurteilt worden. Er sitzt seine Strafe im Gefängnis in Burg ab. Es ist das größte und modernste Hochsicherheitsgefängnis Sachsen-Anhalts.
Sachsen-Anhalts Ministerpräsident Reiner Haseloff will den Vorfall aufarbeiten. „Jetzt gilt es, das Geschehen zu analysieren und daraus mögliche Konsequenzen für die Zukunft zu ziehen“, sagte der CDU-Politiker. Der Vorfall zeige, welche Gefahr vom Halle-Attentäter weiterhin ausgehe. „Ich danke den Justizvollzugsbeamten und Polizeibeamten für ihr schnelles und professionelles Handeln.“
Am Mittwoch soll der Rechtsausschuss des Landtags in Magdeburg zu einer Sondersitzung zusammenkommen. Das hatten zuvor mehrere Abgeordnete angeregt.
Attentäter hat bereits versucht, aus der JVA zu fliehen
Bundesinnenministerin Nancy Faeser forderte die Betreiber von Gefängnissen zur Überprüfung ihrer Sicherheitsmaßnahmen auf. Die Geiselnahme besorge sie, sagte die SPD-Politikerin dem Fernsehsender Welt. „Das ruft diejenigen auf, die Gefängnisse verantworten in Deutschland, auch da noch mal sehr genau hinzugucken. Insbesondere bei so jemandem wie dem Attentäter von Halle, wo wir wissen, dass er schon mal versucht hat während des Prozesses zu fliehen, dass es dort auch besondere Aufmerksamkeit gibt.“
Am Pfingstwochenende 2020 hatte der Mann bereits versucht, aus der JVA Halle zu fliehen. Während eines Hofgangs war er über einen 3,40 Meter hohen Zaun geklettert und hatte fünf Minuten ohne Aufsicht nach Auswegen aus dem Gefängnis gesucht, bevor ihn Justizbedienstete wieder schnappten.
Der rechtsextreme Attentäter hatte am 9. Oktober 2019 versucht, am höchsten jüdischen Feiertag Jom Kippur die Synagoge von Halle zu stürmen und ein Massaker anzurichten. Er warf Brand- und Sprengsätze und schoss auf die Zugangstür. Als es ihm nicht gelang, auf das Gelände zu kommen, ermordete er vor der Synagoge eine 40 Jahre alte Passantin und in einem nahe gelegenen Döner-Imbiss einen 20-Jährigen. Auf der Flucht verletzte er weitere Menschen.