Hannover Messe Industrie vor Messe: Mit Daten Energieeffizienz heben
Alle reden über den zu langsamen Ökostrom-Ausbau. Für wirksamen Klimaschutz sind aus Sicht der Elektro- und Digitalindustrie aber auch Einsparungen wichtig, bei der Fabrik- wie bei der Waschmaschine. Zur Hannover Messe positioniert sich die Branche in weiteren Fragen.
Hannover/Frankfurt - Wirtschaft und Verbraucher in Deutschland sollten nach Auffassung des Elektro- und Digitalverbands ZVEI noch stärker auf die Einsparung von Energie achten und effizientere Technik verwenden. Die entsprechenden Leistungen für den Klimaschutz könnten hier mindestens ebenso bedeutend sein wie der weitere Ausbau des Ökostrom-Angebots, sagte ZVEI-Präsident Gunther Kegel der Deutschen Presse-Agentur. Vor der wichtigsten Industrieschau, der Hannover Messe (17. bis 21. April), forderte er: „Dieses Potenzial müssen wir viel besser nutzen - auch weil wir die Erneuerbaren gar nicht so schnell ausbauen können, wie der Energiebedarf wachsen wird. Für uns ist klar, dass die Energiewende auch eine Effizienzwende sein muss.“
Der Ersatz von Verbrennungsvorgängen durch elektrische Systeme mache es möglich, Abläufe energetisch zu optimieren. „Eine Herkulesaufgabe liegt darin, die Effizienzpotenziale besser auszuschöpfen“, sagte Kegel. „Das gilt selbstverständlich für die Industrieproduktion, aber besonders für die klimarelevanten Sektoren Mobilität und Gebäude. Durch Sektorenkopplung lässt sich auch viel erreichen, die notwendige Wärmewende zum Beispiel durch den Einsatz von Elektro-Wärmepumpen.“
Klimaschutz-Technologien bilden einen Schwerpunkt der Messe, die nach einem Ausfall und Kürzungen während der Corona-Krise in diesem Jahr wieder im vollen Umfang geplant ist. Rund 4000 Aussteller haben sich dazu in Hannover angemeldet. Partnerland ist diesmal Indonesien.
Das Thema „Manufacturing-X“ soll sich ebenfalls quer durchs Programm ziehen. „Dabei geht es um den Aufbau von Datenräumen in Europa, die von allen Unternehmen - von der Großindustrie bis zum Mittelstand - gleichberechtigt genutzt werden können“, sagte der ZVEI-Chef. Diese seien unerlässlich auch für die „intelligente“ Nutzung von Energie - Stichwort: bedarfsgenaue Versorgung und Abrechnung. „Auf analoger Basis betriebene Geräte können nicht ermitteln, wann genau der Strom gebraucht wird, zu welchen Kosten er gerade aus dem Netz bezogen werden kann oder wann es sinnvoll ist, Energie zwischenzuspeichern.“
Derartige Datensysteme würden zunehmend auch für Haushalte relevant: „Der Waschmaschine ist es egal, ob sie nachts um 2.00 Uhr oder um 4.00 Uhr anfängt - Hauptsache, die Wäsche ist morgens um 10.00 Uhr gewaschen. Über intelligente Steuerung und Knotenpunkte können solche Geräte künftig mit dem Netzanbieter und Stromversorger verhandeln, wann der günstigste Zeitpunkt ist.“ Das sogenannte Smart Metering sei mitentscheidend für das Gelingen der Energiewende insgesamt.
Der Datenschutz müsse bei alldem gewahrt bleiben, betonte Kegel. „Ein Vorteil von Manufacturing-X ist auch, dass die Unternehmen ihre Daten nicht an einen gigantischen „Datenstaubsauger“ abgeben, sondern weiter über ihre Verwendung verfügen können.“ Angestrebt würden außerdem „digitale Produktpässe“, welche die komplette Lebensdauer von Maschinen abdecken. „Für die Kreislaufwirtschaft wäre es eminent wichtig, dass aus solchen Datenmodellen intelligentere Entsorgungs- und Verwertungsverfahren abgeleitet werden können.“
Der Einsatz Künstlicher Intelligenz (KI) werde in Elektrotechnik und Maschinenbau generell wachsen, schätzte Kegel: „Chatbots werden mit hoher Geschwindigkeit auch in die Industrie einziehen - zum Beispiel in der Erstellung von Dokumentationen und Handbüchern, aber auch bei der Harmonisierung von Kerndaten des Wirtschaftens.“ Noch stehe man bei der automatisierten Verarbeitung am Anfang. „In zehn Jahren wird dies anders sein und sich niemand mehr manuell damit beschäftigen müssen.“ Weiter sei man heute schon bei vielen Fertigungs- und Entwicklungsprozessen. Dort werde KI bereits länger eingesetzt.
Wichtig für den Ausbau CO2-ärmerer Industrieprozesse sei der Aufbau einer Wasserstoffwirtschaft in Deutschland. Hier zeigt sich laut Kegel derzeit ein gemischtes Bild. „Die gute Nachricht ist: Die Technologieführer sitzen hier. Wer eine Elektrolyseanlage bauen will, greift häufig auf hiesige Technik zurück“, sagte Kegel zur Spaltung von Wasser in Wasserstoff und Sauerstoff, für die viel Elektrizität nötig ist - und im Sinne einer neutralen Klimabilanz möglichst Ökostrom.
„Die schlechte Nachricht: Es gibt noch relativ wenige Elektrolyseure, denn für eine stärkere Produktion von Wasserstoff braucht es erst einmal ein hinreichend großes Angebot an Strom aus erneuerbaren Energien“, erklärte Kegel. „Das haben wir auf Sicht noch nicht.“
Daher müsse sich die Gesellschaft kritisch fragen: „Wie viel aus dem zurzeit knappen Angebot wollen wir für Elektrolyse wirklich nutzen - beziehungsweise können wir diesen knappen Strom aktuell an anderen Stellen effizienter einsetzen?“ Aus Klimaschutz-Perspektive sei das Wiederanfahren bereits stillgelegter Kohlekraftwerke in Deutschland wegen des gleichzeitigen Atomausstiegs und der Energieknappheit durch den Ukraine-Krieg „ein Treppenwitz, den keiner so richtig versteht“.
Einigermaßen optimistisch beurteilte der ZVEI-Präsident die Lage bei Halbleitern. Engpässe hatten seit der Pandemie dazu geführt, dass in etlichen Branchen - allen voran der Autoindustrie - die Produktion einbrach. „Wir haben zusehends eine Verbesserung der Liefersituation, wenn man sich den Halbleitermarkt als Ganzes ansieht“, sagte Kegel. Bei einigen Komponenten gehe es fast schon wieder zurück in Richtung Normalität. Aber „bei anderen hält die hohe Nachfrage an“.