Kriminalität Justizministerin will gegen sexuelle Belästigung vorgehen
Niedersachsen will mit mehreren Initiativen auf einen besseren Schutz von Frauen vor sexueller Belästigung und gewalttätigen Übergriffen hinwirken. Auch verletzende Worte sollen strafbar werden.
Hannover - Niedersachsens Justizministerin Kathrin Wahlmann will insbesondere Frauen besser vor sexuellen Übergriffen schützen. Die SPD-Politikerin hat dafür eine Initiative angeschoben, wonach das sogenannte Catcalling - sexuelle Belästigung mit Worten und Gesten - strafbar werden soll.
Bislang werden im Strafgesetzbuch nur Berührungen als sexuelle Belästigung erfasst. Wahlmann setzt sich im Bund zudem für mehr Möglichkeiten zur Überwachung von Vergewaltigern sowie für Fußfesseln bei gewalttätigen Ex-Partnern ein.
Initiative gegen Catcalling
Die Ministerin verwendet den Begriff Catcalling selbst bewusst nicht. „Ich empfinde schon die Gleichsetzung der Opfer mit Katzen als diskriminierend“, sagte Wahlmann der Deutschen Presse-Agentur. Mit der Initiative zur Strafbarkeit von verbaler sexueller Belästigung will sie den Opfern zeigen, dass sie gesehen werden und solch ein Verhalten nicht hinnehmen müssen - und gleichzeitig den Tätern signalisieren, dass das Verhalten nicht geduldet wird. Das sei ihr ein persönliches Anliegen.
Anlass sei für sie ein Fall gewesen, der 2017 vom Bundesgerichtshof entschieden worden sei. „In diesem Fall wurden rüdeste sexuelle Aufforderungen eines Mannes gegenüber einem elfjährigen Mädchen und gegenüber erwachsenen Frauen als nicht strafbares Verhalten eingestuft.“
Wahlmann betonte: „Ich will keinesfalls, dass schon jeder missglückte Flirtversuch bestraft wird.“ Auch ruppigere Ansprachen müssten möglich bleiben, ohne dass die Grenze zur Strafbarkeit stets überschritten sei. Allerdings könnten verbale und nonverbale sexuelle Belästigungen die Opfer wie bei einer Beleidigung stark beeinträchtigen.
„Viel zu häufig sind es dann die Opfer, meistens Frauen, die ihr Verhalten ändern und zum Beispiel bestimmte Kleidungsstücke nicht mehr anziehen oder bestimmte Orte nicht mehr aufsuchen“, sagte die Ministerin. „Das heißt: Die Opfer schränken ihr Leben ein – nicht die Täter. Das darf nicht sein. Es ist nicht hinnehmbar, wenn Frauen durch Sprüche oder Gesten zum bloßen Sexualobjekt degradiert werden.“
Der Gesetzentwurf, mit dem sich derzeit die Ausschüsse des Bundesrats befassen, sieht vor, dass nur erhebliche Fälle bestraft werden. Doch wo soll diese Grenze liegen? Die Ministerin sagte dazu: „Die Schwelle zur Erheblichkeit ist für mich dann überschritten, wenn das Tatopfer sich nachhaltig psychisch verletzt fühlt. Es muss sich außerdem nachweisen lassen, dass der Täter wusste, dass er etwas tut, das jemand anderen psychisch verletzt.“ Wo genau diese Schwelle liege, würde mit der Zeit durch die Rechtsprechung konkretisiert werden.
Umgesetzt werden könnte das Vorhaben erst nach der Neuwahl des Bundestags - vorausgesetzt, der Bundesrat stimmt vorher zu. „Die Rückmeldungen aus den von SPD, Grünen und FDP regierten Ländern waren grundsätzlich positiv, die unionsgeführten Länder zeigen sich bisher noch eher verhalten“, sagte Wahlmann. „Ich arbeite daran, auch diese noch zu überzeugen.“
Überwachung von Vergewaltigern
Die Justizministerkonferenz, deren Vorsitz Niedersachsen in diesem Jahr innehatte, hat sich Ende November dafür ausgesprochen, dass künftig auch die Kommunikation von Vergewaltigern, die ihre Tat allein begangen haben, überwacht werden kann. „Bislang ist diese Form der Überwachung nur in Ausnahmefällen zulässig, insbesondere dann, wenn mehrere Täter gemeinschaftlich eine Vergewaltigung begangen haben“, sagte Wahlmann.
Vergewaltigungen durch Einzeltäter seien allerdings häufiger und auch diese Täter kommunizierten per Telefon oder Chat über ihre Taten. „Wir erhoffen uns daher, dass wir auch die Fälle von Einzeltätern mit der Möglichkeit einer Überwachung der Telekommunikation in Zukunft noch besser aufklären können“, sagte Wahlmann. „Auch die Fahndung nach flüchtigen Tätern könnte diese Überwachung erleichtern.“ Nach dem Appell der Länder müsse sich nun die nächste Bundesregierung damit befassen.
Fußfesseln für gewalttätige Ex-Partner
Schon vor Monaten hatte Wahlmann dafür geworben, mit Fußfesseln gegen häusliche Gewalt und gewalttätige Ex-Partner vorzugehen. Sollte der Bund nicht tätig werden, werde das Land eine eigene Regelung prüfen, hatte die SPD-Politikerin gesagt. Mittlerweile hat das Bundesjustizministerium einen Gesetzentwurf vorgelegt. „Ich begrüße es sehr, dass der Bund den Handlungsbedarf jetzt erkennt und endlich auf unsere Linie eingeschwenkt ist“, sagte Wahlmann.
Die gefährliche Spirale häuslicher Gewalt zeichne sich oft dadurch aus, dass es zunächst zu mittelschweren Übergriffen komme. „Merkt der Täter aber, dass das Opfer sich wehrt und staatliche Hilfe in Anspruch nimmt, kommt er nicht selten zurück und rächt sich schließlich in noch deutlich schlimmerer Form.“ Im Extremfall töte der Täter seine Partnerin oder Ex-Partnerin.
„Um das zu verhindern, sollten Täter, die wegen häuslicher Gewalt aus der Wohnung des Opfers verwiesen werden, künftig mit einer elektronischen Fußfessel versehen werden“, forderte die Ministerin. „Nur damit kann ein Näherungsverbot auch wirksam überwacht werden – ansonsten bleibt es ein stumpfes Schwert.“ Die weitere Entwicklung auf Bundesebene hierzu bleibe abzuwarten.