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Im Stall und auf dem Feld Künstliche Intelligenz hilft Landwirten bei der Arbeit

Künstliche Intelligenz wird auch die Landwirtschaft verändern. Den Landwirt überflüssig machen wird sie nicht - aber sie kann wertvolle Unterstützung leisten.

Von Elmar Stephan, dpa 04.01.2025, 06:30
Künstliche Intelligenz wird auch die Landwirtschaft verändern - sie kann eine sinnvolle Unterstützung für die Landwirte sein.
Künstliche Intelligenz wird auch die Landwirtschaft verändern - sie kann eine sinnvolle Unterstützung für die Landwirte sein. Hauke-Christian Dittrich/dpa

Twistringen/Vechta - Dirk Siemers zieht sein Smartphone aus der Tasche und ruft eine App auf. „Hier habe ich die Werte aus meinen Ställen“, sagt der Landwirt. Der 43-Jährige betreibt Legehennenhaltung im Landkreis Diepholz, 2019 übernahm er den Betrieb von seinem Vater und baute einen modernen Stall für die Freilandhaltung - 12.000 Tiere hält er dort. 

Siemers kann über die App Temperaturdaten nachschauen, Feuchtigkeitswerte, den Füllstand der Futtersilos, oder den Frischluftbedarf in dem Stall. Moderne Sensorik liefert auch Daten zum Wasserverbrauch pro Tier oder zum Futterverbrauch. „Wir versuchen, hier möglichst viele Werte aufzufangen“, erklärt der Landwirt, der vor der Betriebsübernahme Informatik studierte und viele Jahre als IT-Spezialist gearbeitet hat. Daten sind der Schlüssel, damit Künstliche Intelligenz in der Landwirtschaft genutzt werden kann. 

Lernen anhand von Beispielen

„Künstliche Intelligenz lernt anhand von Beispielen“, sagt KI-Experte Christian Lamping vom Stallausrüster Big Dutchman in Vechta. Er schildert den grundsätzlichen Unterschied zu herkömmlichen Digitalanwendungen: Dort werden einzelne Merkmale definiert - zur Erkennung eines Huhns mittels einer Kamera zum Beispiel, dass es einen weißen Bereich gibt mit einem kleinen roten Bereich. Das Problem: Wenn es dunkel wird oder das Licht sich verändert, dann kann das System keinen weißen Bereich mehr erkennen, weil alles rötlich aussieht.

Systeme, die mit künstlicher Intelligenz arbeiten, funktionieren anders. Das System wird mit Daten gefüttert - in diesem Fall viele verschiedene Bilder von Hühnern. Notwendig sind mehrere Tausend unterschiedliche Bilder, die die KI als Bilder vom Huhn abspeichert. Auf dieser Basis lässt sich das System selbstständig trainieren. Das KI-basierte System ist damit weniger fehleranfällig. Außerdem lassen sich dank der KI Muster erkennen, die Menschen nicht erkennen würden. 

Riesige Datenmengen notwendig

Jede KI, die man trainiert, ist nur so gut wie die Daten, die hineingegeben werden, sagt Lamping: „Man will eine KI haben, die möglichst mit allen Daten umgehen kann, die robust ist, dementsprechend braucht man ausreichend Daten.“ Die Herausforderung besteht nicht nur darin, Daten zu bekommen, die Daten müssen auch in einer bestimmten Qualität vorliegen und aufbereitet werden. 

Dabei sind riesige Mengen an Daten notwendig, damit KI-Systeme arbeiten können. Erfasst werden können jegliche physikalischen Größen, erklärt Jörg Kleine-Klatte, der bei Big Dutchman das digitale Geschäftsfeld leitet. Nicht nur Wasser- und Futterverbrauch oder Gewichte, auch Werte zum Ammoniak-Gehalt in der Stallluft oder die Konzentration an Kohlendioxid (CO2). All diese Faktoren beeinflussen das Wohl und die Gesundheit der Tiere.

Bewegungsmuster deuten

Große Fortschritte hat in den vergangenen fünf Jahren die Bildbearbeitung gemacht. So sei es inzwischen möglich, dass die KI über Kameras das Gewicht der Tiere bestimmen könne. Aber auch das Erkennen von Bewegungsmustern sei inzwischen möglich, erläutert Kleine-Klatte. 

Auch aus solchen Daten lassen sich Rückschlüsse zum Beispiel auf die Tiergesundheit ziehen. Ein bekanntes Beispiel bei Hühnern ist etwa das Staubbaden - das entspreche von der Bewegung her dem Baden im Wasser. „Das ist ein deutliches Zeichen, dass das Tier sich wohlfühlt“, sagt Kleine-Klatte. 

Rund-um-die-Uhr-Überwachung

„Der große Vorteil von KI ist, dass man eine große Farm 24/7 überwachen kann“, erklärt Lamping. Bislang bekommen die Landwirte nur stichprobenartig mit, wie die Situation im Stall ist, nämlich dann, wenn sie bei einem Rundgang nach den Tieren schauen. Nur bei dieser Gelegenheit können sie das Verhalten der Tiere beobachten oder feststellen, wie das Stallklima ist oder wie es um die Sauberkeit des Einstreumaterials bestellt ist. Mit KI ist man hingegen in der Lage, zu jeder Sekunde des Tages zu sehen, was in dem Stall passiert - und kann schneller reagieren.

Erste Anwendungen mit Künstlicher Intelligenz gebe es schon in vielen Bereichen der Landwirtschaft, sagt Joachim Hertzberg. Der Informatiker lehrte bis zu seinem Ruhestand im vergangenen Sommer an der Universität Osnabrück und war Geschäftsführender Direktor der dortigen Niederlassung des Deutschen Forschungszentrums für Künstliche Intelligenz (DFKI). 

Assistenzsysteme als unauffällige KI

So gebe es in den Erntemaschinen eine Sensorik, um zu überwachen, ob etwa das Korn richtig ausgedroschen werde. Überwacht werde dabei, ob mit der richtigen Stärke gedroschen werde, dazu müsse die Korngröße und die Feuchtigkeit berücksichtigt werden, erklärt Hertzberg. Auch der Ernteprozess bei Rüben oder Kartoffeln könne mit Kameras in den Maschinen überwacht werden. 

„Das ist unauffällige KI, die so ist, wie sei sein sollte: Man merkt gar nicht, dass sie da ist“, sagt Hertzberg. Es handele sich um kleine Softwarebausteine, die in die Informationstechnik der Maschinen eingebaut werden und funktionieren. Damit seien die Maschinen nicht komplett autonom, sondern es handele sich um Assistenzsysteme, die die Fahrer unterstützen - ähnlich wie im Auto. 

Computer reagieren schneller als der Mensch

Er gehe davon aus, dass es dank der weiterentwickelten Kameratechnik bald auch KI-Anwendungen für seine Ställe geben werde, sagt Dirk Siemers. „Im Bereich der Hähnchenmast gibt es schon Anwendungen, die das Bewegungsmuster der Tiere auswerten.“ 

Er habe als Landwirt ein Gespür dafür entwickelt, wie es den Tieren gehe, wenn er durch den Stall gehe. „Man kriegt ein Gefühl dafür, wie die Tiere sich verhalten, wie sie aussehen, wenn es ihnen gut geht - das macht die Erfahrung.“ 

KI-basierte Anwendungen könnten eine wichtige Hilfe sein, sagt Siemers. Sie könnten den besten Legehennenhalter bei weitem übertreffen, weil sie viel mehr Daten erfassen können als ein Mensch: „Ein Computer kann wesentlich schneller reagieren als wir, ein Computer sieht alles.“