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Nach Studie zu Missbrauch Landesbischof sieht Fortschritte bei Missbrauchsprävention

Sexualisierte Gewalt wurde in der evangelischen Kirche lange verdrängt, bis eine Studie 2024 das Ausmaß erahnen ließ. Hannovers Landesbischof Meister sagt, seitdem hat die Kirche einiges unternommen.

Von dpa 01.03.2025, 13:10
Landesbischof Ralf Meister sagt, er habe selbst Fehler beim Umgang mit sexualisierter Gewalt gemacht. (Archivbild)
Landesbischof Ralf Meister sagt, er habe selbst Fehler beim Umgang mit sexualisierter Gewalt gemacht. (Archivbild) Julian Stratenschulte/dpa

Hannover - Rund ein Jahr nach der Veröffentlichung der ersten bundesweiten Missbrauchsstudie zu sexualisierter Gewalt in der evangelischen Kirche sieht Landesbischof Ralf Meister Fortschritte bei der Prävention. In den 47 Kirchenkreisen der evangelisch-lutherischen Landeskirche Hannover seien inzwischen Schutzkonzepte erarbeitet worden, sagte Meister der „Neuen Osnabrücker Zeitung“. Das sei ein entscheidender Schritt. „Es hat sich deutlich etwas verändert, wir sind auf dem Weg – auch wenn wir nach zwölf Monaten Aufarbeitung und Veränderung noch nicht am Ziel sind. Unser Ziel, eine sichere Kirche zu sein, ist eine Aufgabe, an der wir immer weiter arbeiten müssen.“ 

Der 63 Jahre alte Theologe sagte der Zeitung weiter, er danke den vielen Tausend ehrenamtlichen und angestellten Mitarbeitern, die an den Schutzkonzepten arbeiteten und sich schulen ließen. Auch die Zuständigkeiten innerhalb der Landeskirche seien klarer aufgestellt worden, sagte Meister. „Wir arbeiten weiter daran, auf allen Ebenen unserer Landeskirche Strukturen auf- oder auszubauen für Prävention, Intervention und Hilfe, um sexualisierte Gewalt zu bekämpfen und betroffenen Personen Hilfsangebote zu machen.“

Studie belegt Ausmaß

Im vergangenen Jahr hatte die am 25. Januar 2024 in Hannover vorgestellte Forum-Studie zur sexualisierten Gewalt die Evangelische Kirche in Deutschland erschüttert. Dokumentiert werden darin mindestens 1.259 beschuldigte Mitarbeiter sowie 2.225 betroffene Kinder und Jugendliche in EKD und Diakonie. Die ermittelten Fälle seien nur „die Spitze der Spitze des Eisbergs“, hatte der Leiter der unabhängigen Studie, Martin Wazlawik, damals gesagt. Im vergangenen Sommer korrigierte die Landeskirche Hannover ihre Zahlen nach oben, und zwar von mindestens 140 Betroffenen seit 1945 auf mindestens 190. 

Ende Februar 2024 war zudem ein unabhängiger Bericht über sexualisierte Gewalt in der evangelischen Kirchengemeinde Oesede bei Osnabrück veröffentlicht worden. Einem 2018 gestorbenen früheren Diakon der Gemeinde im Landkreis Osnabrück wird demnach vorgeworfen, mindestens acht Kinder teilweise schwer sexuell missbraucht zu haben. Die Autoren kamen zu dem Schluss, dass Straftaten vertuscht wurden. 

Bischof gibt Fehler zu

Für den Umgang mit sexualisierter Gewalt hatte die Landeskirche Hannovers im vergangenen Sommer Änderungen beschlossen. Unter anderem wurde die Fachstelle Sexualisierte Gewalt mit mehr Personal ausgestattet. Kirchenkreise sollten zusätzliches Geld für die Förderung von Präventionsarbeit erhalten. 

Betroffene beklagen eine schleppende Aufarbeitung der bekannten Fälle und dass das Ausmaß sexualisierter Gewalt in der evangelischen Kirche weiter unklar bleibe. In der Landeskirche Hannover hatte es auch Kritik Betroffener an Landesbischof Meister gegeben, er nehme das Thema sexualisierte Gewalt nicht ernst. Vier Betroffene hatten vor dem Start der Landessynode im vergangenen Sommer seinen Rücktritt gefordert. Meister hatte daraufhin einen Kulturwandel seiner Kirche im Umgang mit sexualisierter Gewalt angekündigt.

Die Rücktrittsforderungen wies der Bischof in der „NOZ“ erneut zurück, er gab aber Fehler zu. „Ich habe Fehler gemacht, in dem ich zu wenig für Gespräche mit betroffenen Personen zur Verfügung gestanden habe. Und vor allem nicht entschieden genug hinterfragt habe, ob unsere kirchlichen Verfahren im Umgang mit betroffenen Personen ausreichend waren und gezielt umgesetzt wurden“, sagte Meister. An manchen Stellen sei die Kirche vorangekommen. „Ich weiß nicht, ob das so passiert wäre, wenn das System durch einen Rücktritt unnötig Zeit für interne Selbstbeschäftigung aufgewandt hätte.“