Gedenken Landtag gedenkt Holocaust-Opfer - Dierks warnt vor Anfängen
Der 27. Januar ist in Deutschland der Gedenktag für die Opfer des Nationalsozialismus. Der Dresdner Landtag erinnerte an ein bekanntes Holocaust-Opfer - Gedenkveranstaltungen gab es auch andernorts
Dresden - Aus den unfassbaren Menschheitsverbrechen des Nationalsozialismus und in der Erinnerung an die Opfer wächst nach Überzeugung von Sachsens Landtagspräsident Alexander Dierks Verantwortung für die Gegenwart. „Deshalb rufe ich uns alle auf, unsere Demokratie zu schützen und auf unser Land aufzupassen“, sagte er bei der Gedenkstunde am Gedenktag für die Opfer des Nationalsozialismus und 80. Jahrestag der Befreiung des Vernichtungslagers Auschwitz in Dresden. Demokratie und Rechtsstaat seien die richtigen Lehren aus diesem Kapitel der deutschen Geschichte, „es gibt nichts Wertvolleres“.
„Es begann mit bösem Reden, damit, dass zwischen den Werten unterschiedlicher Menschengruppen unterschieden wurde, mit diskriminierenden Gesetzen, bis sich kaum jemand gewundert hat, dass plötzlich nicht mehr geredet wurde, sondern Menschen erschossen, vergast oder auf sonstige Weise ermordet“, erinnerte er vor den geladenen Gästen, darunter viele Jugendliche. Auschwitz und viele andere Orte der Menschenvernichtung zeigten, „was passiert, wenn Amoral und die Abwesenheit jeglicher Menschlichkeit zur Staatsräson werden“.
Erinnerung an Anne Frank durch Opernaufführung
Im Mittelpunkt der Gedenkstunde stand das bekannte, vor den Nazis geflohene und später deportierte jüdische Mädchen Anne Frank. Die Oper Chemnitz führte „Das Tagebuch der Anne Frank“ von Grigori Frid auf. Die Nazis hätten sie einer normalen Jugend beraubt, sagte Dierks. „Sie wäre heute 95 Jahre alt, hätte der Welt noch viel geben können.“ Ihre Stimme sei dennoch keine aus der Vergangenheit, sondern habe hohe Relevanz in der Gegenwart.
Frank und ihre Familie flüchteten 1933 aus Deutschland und versteckten sich von 1942 bis 1944 in einem Hinterhaus in Amsterdam. Dort schrieb die Teenagerin ein Tagebuch, das zu den meistgelesenen Werken der Weltliteratur gehört. Dann verraten und deportiert, starb die 15-Jährige 1945 im Konzentrationslager Bergen-Belsen.
Gift der Sprache des Dritten Reiches wirkt noch
Der dienstälteste Landtagsabgeordnete Marko Schiemann (CDU) sagte, dass der Völkermord mit Wegsehen, Schweigen und Verharmlosen begonnen habe. Angesichts der aktuellen Entwicklung in der Gesellschaft fürchte er, dass Hass und Gleichgültigkeit Menschen wieder blind werden ließen. „Das Gift der Sprache des Dritten Reiches scheint bei einigen immer noch zu wirken“, sagte er. „Wie schnell aus Hass Gewalt werden kann, ist auch heute leider wieder allgegenwärtig.“ Daher sei die Kenntnis der Folgen von Rassismus und Totalitarismus und der Anfänge oft im Kleinen oder Banalen immer noch wichtig.
Auch anderorts im Freistaat gedachten Menschen der Holocaust-Opfer bei Veranstaltungen sowie an Mahnmalen und in Gedenkstätten. Dresdner Schüler erinnerten mit einer Namenslesung an der Gedenktafel vor der Kreuzkirche an über 2.000 Juden aus der Elbestadt, die zwischen 1933 und 1945 ermordet oder deportiert wurden, und an getötete Sinti und Roma und verstorbene Zwangsarbeiter-Kinder. Rund 300 Menschen kamen zur Kranzniederlegung am Mahnmal im Park der Opfer des Faschismus in Chemnitz Kränze, im Leipziger Neuen Rathaus versammelten sich Vertreter der Kommune an einer Erinnerungstafel der ermordeten Stadtverordneten.
Leipzigs Oberbürgermeister Burkhard Jung (SPD) verwies auf den Film „Zone of Interest“ über das Familienleben des Auschwitz-Kommandanten Höß an der Mauer zum Vernichtungslager. Das zeige die „Unmenschlichkeit der Menschen“. 80 Jahre nach der Befreiung von Auschwitz stünden Abschiebepläne im Wahlprogramm der AfD, gegen die vor einem Jahr Zehntausende demonstrierten. „Das Radikale wird normal, man gewöhnt sich daran“. Jung appellierte: „Lasst uns den Mut haben, hinter die Mauer zu schauen!“
Alljährlich am 27. Januar wird der mehr als sechs Millionen Juden und anderer Menschen gedacht, die unter dem Nazi-Regime ermordet wurden. Es ist der Tag, an dem die Rote Armee 1945 die Überlebenden des Vernichtungslagers Auschwitz-Birkenau befreite.