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Prozess in Halle Mutmaßlicher Bombenbauer: Wollte Sprengsatz nicht anzünden

Er ziehe Menschen mit weißer Hautfarbe in seinem Umfeld vor, sagt der Angeklagte vor Gericht. Plante er aus Rassismus einen Bombenanschlag?

Von Sabina Crisan, dpa Aktualisiert: 16.01.2025, 16:30
Dem Mann werden unter anderem die Vorbereitung einer schweren staatsgefährdenden Gewalttat sowie die Verwendung von Kennzeichen verfassungswidriger Organisationen vorgeworfen. (Archivbild)
Dem Mann werden unter anderem die Vorbereitung einer schweren staatsgefährdenden Gewalttat sowie die Verwendung von Kennzeichen verfassungswidriger Organisationen vorgeworfen. (Archivbild) Hendrik Schmidt/dpa

Halle - „Es hat sich nie um eine Bombe gehandelt“: Im Prozess vor dem Landgericht Halle (Saale) gegen einen mutmaßlichen Bombenbauer hat der Angeklagte die Vorwürfe zurückgewiesen. Die Staatsanwaltschaft wirft dem 37-Jährigen vor, er habe mit einer Kofferbombe möglichst viele Menschen, „insbesondere ausländische Menschen mit dunkler Hautfarbe“, töten wollen.

Es habe sich bloß um einen Böller gehandelt, sagte der Angeklagte. Dieser sollte demnach in einen Feuerlöscher eingebaut werden und explodieren. Böller baue er aus Leidenschaft, seit seiner Kindheit habe er dafür eine Faszination. Anzünden wollte er den Sprengsatz nicht, er stand seit mindestens einem Jahr in seiner Wohnung, wie er weiter erklärte. Der Sprengsatz sowie weitere pyrotechnische Gegenstände wurden bei einer Durchsuchung sichergestellt.

Der 37-Jährigen sagte, er zünde gerne Böller mit Freunden auf einem Betonplatz in der Nähe seiner Mietwohnung in Halle. Oft testeten sie diese einfach so, aber nicht immer. Ein Video zeigt, wie er eine tote gekreuzigte Taube in die Luft sprengt. „Ich wollte sie in die Luft befördern“, erklärte er. 

Zu den Beweismitteln gehört auch eine handgeschriebene Anleitung für eine „(Bloodie) Milchbombe“, also einen blutigen Sprengsatz, die sich wie ein Kochrezept liest: „1x Milchflasche mit großem Schraubverschluss, 1x rote Farbe (blutrot, Lackfarbe), 1x 1,5 l Benzin“. Das sei eine große Menge, sagte der Vorsitzende Richter. Der Angeklagte entgegnete, er erinnere sich nicht an die Kritzeleien.

„Der eine steht auf Fußball, ich stehe auf Waffen“

Dem Angeklagten wird zudem vorgeworfen, im April 2024 einen Fußgänger „mit dunkler Hautfarbe“ rassistisch beleidigt und mit einem Softair-Sturmgewehr bedroht zu haben. „Ich wollte weder jemand was tun, geschweige etwas in die Luft jagen“, sagte der Mann. „Ich war noch etwas angetrunken“, gab er mehrfach vor dem Vorsitzenden Richter an. Am Tag des Geschehens wurden bei ihm 2,5 Promille gemessen. 

Die Kalaschnikow-ähnliche Spielzeugwaffe habe er wegen seiner Affinität für Waffen, echte besitze er nicht. Auf seinem Laptop und Handy wurden nach Angaben des Richters zahlreiche Bilder von Waffen gefunden. „Der eine steht auf Fußball, ich stehe auf Waffen“, erklärte der 37-Jährige. In seiner Wohnung wurde unter anderem eine Machete gefunden.

Als der Angeklagte dem Fußgänger zweimal aus seinem Fenster zugerufen haben soll „Ich mach’ euch platt!“, hätten Passanten große SS-Runen an einer Wand seiner Wohnung erkannt. Laut Staatsanwaltschaft nahm der Mann billigend in Kauf, dass die Zeichen sichtbar waren. 

Alkoholkonsum und Missbrauch von Schmerzmitteln

Im Gericht zeichnete sich ein weiteres Bild des Angeklagten: Neben dem Böllerbauen zeichne er gerne und höre Musik, etwa von der norwegischen Black-Metal-Band Zyklon B. Gegen bestimmte Ausländergruppen äußerte er sich feindlich - er ziehe Menschen mit weißer Hautfarbe in seinem Umfeld vor.

Immer wieder wurden in dem Prozess sein Alkoholkonsum und ein möglicher Missbrauch von Schmerzmitteln thematisiert, die der Angeklagte seit seinen Verletzungen nach einem Suizidversuch vor etwa 20 Jahren einnimmt. 

Anleitung zur Gründung einer „Kampfgruppe“

Zu den Beweismitteln gehören außerdem rassistische Gedichte, das vom Täter des Anschlags auf die Synagoge in Halle 2019 gedrehte Video sowie zahlreiche rassistische Äußerungen. Ob er diese selbst geschrieben, gemalt oder gedichtet habe, wisse er nicht, sagte der Angeklagte. Auch erinnere er sich nicht an die handgeschriebene Anleitung zur Gründung einer „Kampfgruppe“.

Was seinen Freundeskreis verbinde? „Saufen, Musik, dasselbe Denken“, sagte der 37-Jährige. Im Prozess behauptete er, mit seinen Freunden eher der „bunthaarigen“ Szene als den Skinheads anzugehören. „Ich vertrete keine politischen Ansichten“, betonte er. 

Doch in der Wohnung, auf seinem Laptop und in seinen Notizen seien keine Gegenstände aus der linken Szene, sondern Nazi-Artikel gefunden worden, so der Richter. Das sei der Witz an der Sache, erwiderte der Angeklagte. „Ich nenn's Chaos.“ Der Prozess ist vorerst bis Anfang Februar angesetzt.