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Urlaubsunfall an der Ostsee Kind stürzt von Seebrücke - Diskussion um Sicherheit

Mitten in der Urlaubssaison fällt ein Kleinkind von einer Seebrücke auf Usedom. Die Mutter sagt, die Brücke sei nicht sicher und will Geld von der Gemeinde. Die sieht das anders. Nun wurde verhandelt.

Von Christopher Hirsch, dpa 09.09.2024, 03:30
Die Seebrücke auf Zinnowitz wurde 2021 Schauplatz eines aufsehenerregenden Unfalls, der nun vor Gericht landet. (Archivfoto)
Die Seebrücke auf Zinnowitz wurde 2021 Schauplatz eines aufsehenerregenden Unfalls, der nun vor Gericht landet. (Archivfoto) Stefan Sauer/dpa

Stralsund/Zinnowitz - Die Sonne steht schon knapp über dem Horizont, links ist der Strand zu sehen und auf der Zinnowitzer Seebrücke stehen beziehungsweise hocken zwei Jungs aus Brandenburg. Dieses idyllische Urlaubsfoto von vor mehr als drei Jahren wurde heute am Landgericht Stralsund gezeigt. Denn kurz nach der Aufnahme stürzte der jüngere der beiden von der Seebrücke - er war damals zwei.

Wie durch ein Wunder blieb er unverletzt. Doch seine Mutter sprang hinterher und verletzte sich im dort noch flachen Wasser schwer. Von Zinnowitz will sie Schadenersatz- und Schmerzensgeld. Die Brücke sei nicht sicher genug. Nun erhielt sie einen Dämpfer.

Nach Auffassung der Richterin Irina Bonin hat die Gemeinde ihre Verkehrssicherungspflicht nicht verletzt. Die Gemeinde müsse sich auf die erwartbare Nutzung einer Seebrücke einstellen, sagte sie während des Zivilverfahrens. „Es ist kein Spielgerät. Es ist kein Spielplatz.“ Offenbar sei selbst die Mutter vom Verhalten ihres Sohnes überrascht worden.

Unfall beim Urlaubsfoto

Die damals 34-Jährige hatte im Sommer 2021 ein Urlaubsfoto ihrer Söhne auf der Seebrücke machen wollen - der Ältere war damals zehn. Nach Darstellung der Mutter wollte sich der Jüngere ebenso wie sein älterer Bruder hinhocken, habe das Gleichgewicht verloren und sei rücklings durch das Geländer hindurchgefallen. Die aus Barnim kommende Mutter war hinterhergesprungen und hatte sich Brüche des linken Fußes und Beins zugezogen.

Die Mutter fordert von der Gemeinde mindestens 35.000 Euro sowie die Erstattung weiterer Kosten. Nach ihrer Auffassung müsse das Geländer anders gebaut sein. Die Umwehrung auf der Seebrücke ist rund ein Meter hoch. Ein Querbalken verläuft ganz oben, einer ganz unten und einer in der Mitte. Zu wenig, argumentiert der Anwalt der Mutter.

Die Landesbauordnung werde eingehalten, argumentiert hingegen der Anwalt der Gemeinde. Die Gemeinde könne berechtigterweise davon ausgehen, dass Kleinkinder von ihren Eltern oder Großeltern so beaufsichtigt werden, dass sie nicht in gefährliche Situationen kommen. Auch Richterin Bonin fragte, ob ein Durchschlüpfen verhindert werden müsse. Erwachsene täten das nicht und: „Kinder passen eigentlich überall durch, wo der Kopf durchpasst“.

Mutter habe nachvollziehbar gehandelt

In einem anderen Punkt widersprach Bonin allerdings der Gemeinde. Bei ihrem Sprung über das Geländer habe die Mutter nachvollziehbar gehandelt. Es sei nicht ihre Aufgabe gewesen, sich vorher herunterhängen zu lassen, um die Fallhöhe zu reduzieren und sich dann fallen zu lassen. Die Gemeinde hatte argumentiert, dass die schweren Verletzungen auch dadurch entstanden seien, wie die Mutter gesprungen sei. Die Mutter war nach Angaben des Gerichts aus etwa fünf Metern Höhe gesprungen.

Carsten Nichelmann, Leiter der Kurverwaltung Zinnowitz, sagte nach der Verhandlung, die Brücke habe vergangenes Jahr ihren 30. Geburtstag gefeiert. Einen vergleichbaren Unfall, wie den vorliegenden, habe es in all der Zeit nicht gegeben. Auch weitere Seebrücken im Nordosten stammen aus der Zeit. Ende September will das Gericht seine Entscheidung bekanntgeben.