Gespräche über Zukunft Neuer Dialog bringt Fischer und Naturschützer an einen Tisch
Wie kann die Küstenfischerei langfristig erhalten bleiben – gleichzeitig aber auch die Meeresumwelt besser geschützt werden? Mit dem Land wollen Fischer und Naturschützer Lösungen suchen.

Wilhelmshaven - Streit um Flächen in der Nordsee, ausbleibende Fangmengen und strengere Vorgaben für den Meeresnaturschutz: Die Küstenfischerei in Niedersachsen steht vor vielen Herausforderungen. Damit Fischbrötchen und Krabbenkutter weiter an der Küste erhalten bleiben, sucht ein Expertengremium beim neuen sogenannten Fischereidialog der Landesregierung nach wirtschaftlichen Perspektiven – aber auch nach Lösungen für eine ökologische nachhaltigere Ausrichtung der Branche.
„Es geht darum, dass man gemeinsam versucht, Konzepte zu entwickeln, um der Fischerei zu helfen, aber auf der anderen Seite auch den Naturraum und die Bestände zu schützen“, sagte Niedersachsens Fischereiministerin Miriam Staudte (Grüne) nach dem Auftakttreffen in Wilhelmshaven. An dem Treffen nahmen rund 30 Vertreter teil, neben Fischern und Naturschützern auch Experten aus der Wissenschaft, von Küstenkommunen und von Behörden.
Die Küstenfischerei stehe vor „sehr großen Herausforderungen“, sagte Staudte. „Die Ertragssituation, die wirtschaftliche Situation ist sehr schwierig.“ In den vergangenen Jahren sorgten etwa Vermarktungsschwierigkeiten während der Corona-Pandemie und hohe Treibstoffpreise infolge des Kriegs in der Ukraine die Fischer.
Zuletzt gingen die Fangmengen von Krabben, Muscheln und Frischfisch zurück. Gleichzeitig stehen strengere Vorgaben für den Meeresnaturschutz an – etwa bei den Schutzgebieten.
Vorbild „Niedersächsischer Weg“?
Zum Landesfischereiverband Weser-Ems zählen rund 60 Betriebe, darunter hauptsächlich Krabbenfischer. Die bunten Kutter in Fischerorten wie Greetsiel und Neuharlingersiel sind für Touristen bislang ein vertrautes Bild.
Umweltminister Christian Meyer verwies darauf, dass die Situation nicht nur für die Fischerei existenzbedrohend sein. Durch den Klimawandel seien auch die Nordsee und das Wattenmeer in Gefahr. „Wir haben letztes Jahr wieder das heißeste Jahr gehabt. Die Nordsee war noch nie so heiß wie bisher“, sagte der Grünen-Politiker. Der Lebensraum drohe verloren zu gehen – auch deshalb sei es notwendig, die Fischerei nachhaltiger zu gestalten.
„Das wollen wir mit dem "Niedersächsischen Seeweg" oder "Küstenweg" gemeinsam angehen“, sagte Meyer zum Ziel des Dialogs. Wie seine Amtskollegin sieht er positive Erfahrungen aus dem „Niedersächsischen Weg“ mit der Landwirtschaft, die als Vorbild dienen könnten.
Als „Niedersächsischer Weg“ wird eine Vereinbarung von 2020 bezeichnet, mit der Umweltverbände, Landwirtschaft und die Landesregierung Gesetzesverbesserungen für Arten-, Natur- und Gewässerschutz verhandelt haben.
Streitpunkt Flächennutzung
Ein Thema des Fischereidialogs soll die Flächennutzung auf See sein. Die EU-Biodiversitätsstrategie gibt vor, dass bis 2030 mindestens 30 Prozent der EU-Gewässer unter Schutz gestellt werden. 10 Prozent dieser Meeresfläche sollen zudem streng geschützt werden. Die EU-Mitgliedsstaaten sind aufgefordert, entsprechende Regelungen zu treffen.
Da der Nationalpark Wattenmeer große Teile des niedersächsischen Küstenmeeres umfasst, wird das 30-Prozent-Ziel nach Angaben des Landwirtschaftsministeriums bereits erfüllt. Ein Defizit besteht noch bei der Ausweisung von streng geschützten Gebieten – also dem 10-Prozent-Ziel.
Im Fischereidialog solle besprochen werden, wie man dieses Ziel herunterbricht, sagte Ministerin Staudte. Es sollen insbesondere im Nationalpark Wattenmeer fischereifreie Flächen gefunden werden – gleichzeitig sollen aber auch Gebiete bestimmt werden, in denen die Fischerei Vorrang hat.
Helfen soll ein Flächenkonzept, das als Teil eines „Fachkonzept Küstenfischerei und Naturschutz für das niedersächsische Küstenmeer“ im Umwelt- und Landwirtschaftsministerium erarbeitet wird. Bis Ende dieses Jahres soll ein Vorschlag vorliegen und im Fischereidialog vorgestellt werden.
Dirk Sander, Präsident des Landesfischereiverbandes Weser-Ems, sagte, die Ergebnisse müssten abgewartet werden. „Nach meiner Meinung wird es wieder darauf hinauslaufen, dass wir Fanggebiete hergeben müssen für den Naturschutz – und das wird nicht so einfach sein.“ Schon jetzt würden Fanggebiete durch Offshore-Windparks und den Bau von Kabeltrassen weniger. Positiv sehe er, dass die Politik das Gespräch mit allen Beteiligten suche.
Olaf von Drachenfels vom Nabu Niedersachsen sagte, nach EU-Recht führe kein Weg daran vorbei, fischereifreie Zonen auszuweisen. Er beklagte, dass es im deutschen Küstenmeer schon jetzt kaum mehr unbewirtschaftete Gebiete gebe. Daher ließen sich äußere Einflüsse auf die Meeresumwelt schwer untersuchen. „Deswegen fordern wir als Naturschutzverbände auch, dass dringend die Datengrundlage verbessert werden muss“, sagte von Drachenfels.
Wann es Ergebnisse geben soll
Moderiert wird der Dialog vom geschäftsführenden Direktor am Institut für Landwirtschaftsrecht der Georg-August-Universität Göttingen José Martinez. Er sagte zum Auftakt, das Format solle Raum für Verständigung und Vertrauen zwischen allen Beteiligten schaffen – und zwar „auf Augenhöhe“.
Aufgebaut werden soll auf Ergebnissen der bundesweiten Zukunftskommission Fischerei, die kürzlich vorgestellt wurde. In den kommenden Monaten soll es weitere Treffen des Fischereidialogs geben – voraussichtlich im Frühjahr 2026 sollen Ergebnisse vorgestellt werden. „Das ist ein ambitioniertes Ziel, weil die Probleme sehr komplex sind“, sagte Martinez. Aber es sei machbar.