Demonstrationen Scharfe Kritik an Polizeieinsatz bei AfD-Parteitag in Riesa
Mindestens 10.000 Menschen haben gegen den AfD-Bundesparteitag in Riesa demonstriert. Der Polizei wird ein überhartes Vorgehen vorgeworfen. Innenminister Armin Schuster sichert Aufklärung zu.
Köln/Riesa - Der Polizeieinsatz beim AfD-Bundesparteitag am Samstag in Riesa steht weiter in der Kritik. Das Komitee für Grundrechte und Demokratie mit Sitz in Köln widerspricht den Darstellungen der Polizei, wonach man sowohl die Durchführung des AfD-Parteitags als auch die Versammlungsfreiheit gewährleistet habe. Die Versammlungsfreiheit sei durch die Polizei vielerorts „empfindlich eingeschränkt“ worden, erklärte das Komitee.
Komitee: Körperliche Unversehrtheit von Demonstranten zweitrangig
Die Organisation hatte nach eigenen Angaben 15 Beobachter bei den Demonstrationen vor Ort. „Nach dem ersten Zusammentragen und der Analyse aller Beobachtungsberichte können wir bereits feststellen, dass die Versammlungsfreiheit und die körperliche Unversehrtheit der Demonstrierenden im Einsatzkonzept der Polizei eindeutig nachrangig waren“, erklärte Koordinatorin Michèle Winkler.
Mindestens 10.000 Menschen demonstrierten gegen AfD
Am Samstag hatten laut Angaben der Veranstalter rund 15.000 Menschen gegen den AfD-Bundesparteitag in Riesa demonstriert. Die Polizei schätzte die Teilnehmerzahl auf 10.000. Der Parteitag konnte mit zwei Stunden Verspätung erst am Mittag beginnen. Nach Angaben der Partei Die Linke wurde ihr sächsischer Landtagsabgeordnete Nam Duy Nguyen von einem Polizisten bewusstlos geschlagen. Nicht nur die Linken forderten Aufklärung.
Faustschläge und Tritte von Polizisten gegen Demonstranten
Nach Angaben des Komitees wurden selbst „schwere Verletzungen der Demonstrierenden in Kauf genommen, um die Zufahrt von Teilnehmern des Parteitages durchzusetzen“. Es habe den Einsatz von Pfefferspray und „gezielter körperlicher Gewalt“ gegen Demonstranten gegeben, darunter Faustschläge und Tritte. „Einige Personen wurden einfach über vorhandene Absperrungen geworfen.“ Vereinzelt hätten Beamte völlig die Beherrschung verloren und „wie im Rausch“ wiederholt auf Personengruppen eingeschlagen.
Zudem kursiert in den sozialen Medien ein Video, auf dem zu sehen ist, wie ein Polizist seinen Hund auf einen Aktivisten stößt, um diesen über den Mittelstreifen einer mehrspurigen Straße zu drängen. Der Beamte drückt den Hund mehrfach mit seiner Schnauze auf den Mann. Die Polizei Sachsen reagierte dazu auf der Plattform X: „Wir können verstehen, dass diese Sequenz kritisch betrachtet wird.“ Mehrere Anzeigen seien dazu eingegangen. Die Polizei ermittele wegen des Vorfalls, der im Rahmen eines Strafverfahrens aufgeklärt werden soll, wie Polizeisprecher Thomas Geithner am Sonntag mitteilte.
Linke-Politikerin: Leute fielen zu Boden und bekamen Panik
Die Landtagsabgeordnete Juliane Nagel berichtete: „Ich habe selbst das brutale Vorgehen der Polizei gegen Demonstrierende am frühen Nachmittag in der Breitscheidstraße beobachten können.“ Mehrere hundert Menschen, die zur Hauptkundgebung gelangen wollten, seien auch von Beamten der sächsischen Polizei geschoben oder getreten worden, so dass Leute zu Boden fielen und Panik bekamen.
„Aktionen des zivilen Ungehorsams waren im Vorfeld offen und transparent angekündigt worden, es gab zahlreiche Kooperationsgespräche zu angemeldeten Versammlungen. Ich erwarte, dass sich die Polizei und insbesondere die Einsatzleitung professionell auf derartige Lagen vorbereiten und grundrechtsorientiert sowie kommunikativ agieren“, sagte Nagel.
Gewerkschaft kritisiert polizeiliches Vorgehen gegen Journalisten
Die Dienstleistungsgewerkschaft Verdi übte Kritik am Umgang mit Journalisten, sprach von Einschränkungen der Pressefreiheit und körperlichen Übergriffen. Medienvertreter seien an einer Stelle durch Polizeiketten in die Demonstration gedrückt worden, einige zu Fall gekommen. „Sie wurden Opfer von Tritten, Schlägen und dem Einsatz von Pfefferspray vonseiten der Polizei.“
Man habe leider hautnah miterlebt, wie mehr als 30 Medienvertreter bereits kurz nach Beginn der ersten Demonstrationen in eine Umstellung der Polizei gerieten, hieß es. Keiner der Beamten habe sich verantwortlich gefühlt, ein Verlassen des Kessels zu ermöglichen – und das für etwa 45 Minuten, sagte Verdi-Sekretär Lucas Munzke. Auch später habe es Behinderungen gegeben.
Innenminister sichert Aufklärung zu, lobt aber auch die Polizei
Sachsens Innenminister Armin Schuster (CDU) sicherte Transparenz zu. „Jedes mögliche Fehlverhalten in diesem Zusammenhang werden wir konsequent aufklären“, sagte er der Deutschen Presse-Agentur. Zugleich verteidigte er die Polizei. Riesa sei einer der schwierigsten polizeilichen Großeinsätze der zurückliegenden Jahre gewesen, weil „der demokratische Konsens aus dem Versammlungsrecht an zu vielen Stellen verlassen wurde“.
„In Anlehnung an Rosa Luxemburg würde ich formulieren: Das Versammlungsrecht des einen hört da auf, wo das Grundrecht des anderen vereitelt werden soll, nämlich einen Parteitag abzuhalten“, hob Schuster hervor. Eine derart „unverhohlen auf Verhinderung und nicht nur Behinderung angelegte Protestkultur darf in unserer Gesellschaft nicht Schule machen“.
„Ich bin der Polizei daher ausgesprochen dankbar, dass sie unserer Verfassung Geltung verschafft hat und damit beiden Seiten die Grundrechtsausübung erst ermöglicht hat, auch wenn das teilweise nur mit unmittelbarem Zwang möglich war“, sagte Schuster.