1. Startseite
  2. >
  3. Panorama
  4. >
  5. Lehrstellen: Koalitionskrach um Ausbildungsplatzumlage

Lehrstellen Koalitionskrach um Ausbildungsplatzumlage

Arbeitssenatorin Cansel Kiziltepe bereitet eine Ausbildungsplatzumlage vor. Der Regierende Bürgermeister Kai Wegner kritisiert das öffentlich - obwohl die Abgabe im Koalitionsvertrag steht.

Von dpa Aktualisiert: 23.04.2025, 16:02
Regierungschef Kai Wegner (CDU) ist nicht begeistert vom Vorgehen von Senatorin Cansel Kiziltepe (SPD) in Sachen Ausbildungsplatzumlage. (Archivbild)
Regierungschef Kai Wegner (CDU) ist nicht begeistert vom Vorgehen von Senatorin Cansel Kiziltepe (SPD) in Sachen Ausbildungsplatzumlage. (Archivbild) Sebastian Christoph Gollnow/dpa

Berlin - Angesichts fehlender Lehrstellen bereitet Berlins Arbeits- und Sozialsenatorin Cansel Kiziltepe (SPD) die Einführung einer sogenannten Ausbildungsplatzumlage für alle Arbeitgeber vor - und hat damit einen Koalitionskrach ausgelöst. Der Regierende Bürgermeister Kai Wegner (CDU) stellte sich gegen den Vorstoß und erteilte Kiziltepe öffentlich einen Rüffel. 

„Es ist jetzt der falsche Zeitpunkt, eine Ausbildungsabgabe vorzubereiten, die die Unternehmen in wirtschaftlich schwierigen Zeiten zusätzlich belastet“, erklärte er. „Ich appelliere an alle Beteiligten, sich auf die Schaffung zusätzlicher Ausbildungsplätze zu konzentrieren.“ Unerwähnt ließ Wegner, dass die Abgabe im Koalitionsvertrag von CDU und SPD steht.

Referentenentwurf für Gesetz fertig

Zuvor hatte Kiziltepe mitgeteilt, dass sie ein Gesetz zur Einführung der Ausbildungsplatzumlage für den Fall vorbereitet, dass das Ziel von 2.000 zusätzlichen Lehrstellen bis Ende 2025 nicht erreicht wird. Ein Referentenentwurf sei fertig, nun starte ein breiter Beteiligungsprozess. 

Die Idee: Alle Arbeitgeber zahlen eine bestimmte Summe, die sich an ihren Lohnkosten orientiert, in eine „Ausbildungskasse“. Aus diesem Topf erhalten diejenigen Geld, die Lehrstellen anbieten und besetzen - um ihre Kosten für die Ausbildung junger Menschen zu bezuschussen. Diese Erstattungen sollen höher sein als die in den Fonds zu zahlende Umlage. 

Kiziltepe will mehr Lehrstellen

Kiziltepe hofft, dass so mehr Lehrstellen entstehen. „Wir wollen diejenigen Unternehmen, die sich engagieren, belohnen und diejenigen, die bislang nicht in Ausbildung investieren, dazu motivieren, hier umzudenken.“ 

Viele Details rund um das Vorhaben sind noch offen. Die Wirtschaft wertete den Vorstoß als zusätzliche Gängelung in ohnehin schwierigen Zeiten. Die Gewerkschaft Verdi forderte hingegen eine rasche Umsetzung. 

Grundlage sind Vereinbarungen 2023 

In ihrem Koalitionsvertrag hatten sich CDU und SPD 2023 darauf verständigt, dass in Berlin bis 2025 dauerhaft 2.000 zusätzliche Ausbildungsplätze geschaffen werden. Sollte das nicht gelingen, werde eine gesetzliche Ausbildungsplatzumlage eingeführt.

Ein im August 2023 gebildetes Bündnis für Ausbildung, dem Politiker, Wirtschaftsverbände und Gewerkschaften angehören, hatte vor diesem Hintergrund das Ziel von genau 34.835 Lehrstellen am 31. Dezember 2025 formuliert. Basis war die Zahl von 32.835 Lehrstellen Ende 2023.

Nur wenig Betriebe bilden aus 

Ob das Ziel erreicht wird, ist offen und steht erst Anfang 2026 fest. Es gilt nach Einschätzung von Fachleuten aber als wenig wahrscheinlich. Kiziltepe stößt daher nun quasi auf Vorrat den Vorbereitungsprozess für eine Ausbildungsplatzumlage an, der nach ihren Vorstellungen im Sommer 2026 - also kurz vor Ende der Legislaturperiode - in einen Gesetzesbeschluss des Abgeordnetenhauses fließen soll. Sie ging nach eigenem Bekunden bisher davon aus, dass der Koalitionspartner CDU das so unterstützt. 

Die Senatorin spricht von einer „Schieflage“ auf dem Lehrstellenmarkt, gegen die etwas getan werden müsse. In Berlin seien zuletzt rechnerisch auf 100 Bewerber nur 72 Ausbildungsplätze gekommen - im Ländervergleich belege die Hauptstadt damit den letzten Platz. Nur ein Zehntel der Betriebe (10,9 Prozent) bilde überhaupt noch aus. 

„Diese Zahlen belegen, dass sich etwas ändern muss in Berlin“, sagte Kiziltepe. Das sei wichtig, um jungen Menschen einen guten Start in das Erwerbsleben zu ermöglichen - aber auch, um etwas gegen den Fachkräftemangel zu tun.

Wirtschaftsverband warnt 

Die Vereinigung der Unternehmensverbände in Berlin und Brandenburg (UVB) lehnt die Idee ab. „Eine Ausbildungsplatzabgabe wäre ein teures und nutzloses Konjunkturprogramm für Bürokratinnen und Bürokraten. Durch sie entstünde kein einziger zusätzlicher Ausbildungsplatz, dafür aber viel Frust und Belastung bei Unternehmerinnen und Unternehmern“, erklärte Hauptgeschäftsführer Alexander Schirp. „Schon jetzt ist das Übermaß von Regulierung und Vorschriften die wichtigste Bremse für wirtschaftliche Dynamik in der Hauptstadt. Es wäre unverantwortlich, diese Schraube noch weiter zu drehen.“

Nach Einschätzung des stellvertretenden Verdi-Landesbezirksleiters Benjamin Roscher ist jetzt der richtige Zeitpunkt, um das Gesetz auf den Weg zu bringen. Es müsse schnell kommen, um dem Fachkräftemangel wirksam zu begegnen.

Ausbildungsplatzumlage keine Berliner Idee

Über Ausbildungsplatzumlagen als Instrument zur Schaffung von Lehrstellen wird in Deutschland schon seit Jahrzehnten immer wieder mal diskutiert. Bremen führte ein solches Modell 2023 ein. Dort beträgt die Abgabe aktuell 0,27 Prozent der Bruttolohnsumme eines Unternehmens. Die sogenannte Ausgleichszuweisung, die ausbildende Arbeitgeber im Gegenzug erhalten, liegt bei 2.250 Euro pro Lehrling und Jahr.

Die genauen Werte für Berlin sind laut Kiziltepe noch offen. Nach groben Berechnungen in ihrem Haus könnte sich die Umlage auf 0,1 bis 0,4 Prozent der Bruttolohnsumme belaufen - abhängig von der Höhe der Erstattung, die Arbeitgeber pro Auszubildendem erhalten. Dieser Erstattungsbetrag wiederum soll sich an der Höhe der Vergütungen orientieren, die Auszubildende bekommen. Festlegen würde beide Werte der Senat. 

Meldepflicht für Arbeitgeber

Offen sind auch Details zur Frage, wie genau die neue Ausbildungskasse ausgestaltet und verwaltet wird. Klar ist, dass Arbeitgeber bei Androhung von Bußgeldern verpflichtet werden sollen, Angaben zu Bruttolohnsumme und zur Zahl ihrer Ausbildungsplätze dorthin zu melden. 

Ausgenommen von dem neuen System sind Unternehmen in Branchen, in denen es so etwas bereits gibt. Als Beispiele wurden das Baugewerbe oder das Schornsteinfegerhandwerk genannt. Ansonsten sind nur wenige Ausnahmen angedacht, etwa für Firmen, denen eine Insolvenz droht. Sogenannte Soloselbstständige werden die Umlage nicht zahlen müssen.