Tanker-Havarie vor Rügen Sturm: Drei Schiffe sichern havarierten Öltanker „Eventin“
Die Sicherung des havarierten Tankers „Eventin“ mit 99.000 Tonnen Öl an Bord gestaltet sich schwieriger als anfangs gedacht. Grund ist ein Sturm über der Ostsee. Es gibt aber Fortschritte.
Sassnitz - Die Lage am manövrierunfähigen Öltanker „Eventin“ in der Ostsee nördlich von Rügen wird durch einen heftigen Sturm erschwert. Zwei zusätzliche Schiffe wurden deshalb hingeschickt. Das Ziel: Der 274 Meter lange Havarist soll besser in Position gehalten werden. Die Schlepper „VB Luca“ und „VB Bremen“ seien am späten Abend eingetroffen und mit dem Tanker verbunden worden, sagte ein Sprecher des Havariekommandos der Deutschen Presse-Agentur. Zuvor war die „Eventin“ nur vom Notfallschlepper „Bremen Fighter“ an einer Schleppverbindung gehalten worden.
Am Abend gab es bereits Böen der Stärke sieben und zweieinhalb Meter hohe Wellen, wie das Havariekommando mitteilte. Erwartet wurde eine weitere Zunahme des Sturms mit Böen der Stärke neun. „Das Havariekommando bewertet die Lage fortlaufend, um auf Änderungen gegebenenfalls reagieren zu können“, hieß es.
Spezialisten-Team wurde auf Tanker geflogen
Das Havariekommando schickte zudem ein vierköpfiges Expertenteam mit einem Hubschrauber der Bundespolizei zum Öltanker. Die Seeleute, die auf das Herstellen von Schleppverbindungen spezialisiert sind, wurden mit einer Seilwinde an Bord abgesetzt. „Die Notschleppspezialisten sollen sicherstellen, dass die Last des 274 Meter langen Tankers sicher und gleichmäßig auf die eingesetzten Schlepper verteilt wird“, erläuterte ein Sprecher des Havariekommandos. Und: „Die Experten haben Taschenlampen und Funkgeräte mit, weil an Bord langsam die Batterien ausgehen.“
Außerdem verlege das Havariekommando den Notschlepper „Baltic“ aus der westlichen Ostsee in die Nähe von Darßer Ort. Dieses Schiff könne dann schneller eingreifen, sollte weitere Schlepperhilfe bei der „Eventin“ benötigt werden. Ob, wann und auf welche Weise der Tanker mit fast 100.000 Tonnen Öl an Bord in einen Hafen geschleppt werden kann, werde geprüft und sei derzeit nicht klar.
Stromausfall auf „Eventin“ in Nacht zu Freitag
Die „Eventin“ trieb laut Havariekommando seit der Nacht zu Freitag nach einem Stromausfall an Bord manövrierunfähig in der Ostsee. Am Nachmittag gelang es deutschen Einsatzschiffen dann, den Tanker zu sichern. Ein Sensorflugzeug überflog das Gebiet. Öl-Verschmutzungen seien dabei nicht festgestellt worden, hieß es.
Beim Havaristen sind den Angaben zufolge auch ein Schiff der Bundespolizei und ein Schiff des Wasserstraßen- und Schifffahrtsamts Ostsee, das auch die Verkehrssicherung übernimmt. Wegen des Stromausfalls an Bord brennen an der „Eventin“ keine Positionslichter, wie es hieß.
Fast 100.000 Tonnen Öl aus Russland
Die „Eventin“ war mit fast 100.000 Tonnen Öl an Bord von Ust-Luga in Russland nach Port Said in Ägypten unterwegs. Der 2006 gebaute Tanker wird von der Umweltorganisation Greenpeace Russlands sogenannter Schattenflotte zugeordnet.
„Jeden Tag fahren schrottreife Tanker von den russischen Ölhäfen Primorsk und Ust-Luga Richtung Südwesten“, sagte Greenpeace-Meeresbiologe Thilo Maack. Die „Eventin“ sei nur das jüngste Beispiel dafür, wie die Schiffe der russischen Schattenflotte tagtäglich die Ostseeküste bedrohten. Das jüngste Sanktionspaket der EU sei zwar ein wichtiger Schritt, reiche aber längst nicht, um die Ostsee zu schützen.
Schwere Vorwürfe von Baerbock an Putin
Außenministerin Annalena Baerbock warf Russland vor, mit seiner Schattenflotte schwere Umweltschäden in Kauf zu nehmen und zugleich den Tourismus zu gefährden. „Mit dem ruchlosen Einsatz einer Flotte von rostigen Tankern umgeht Putin nicht nur die Sanktionen, sondern nimmt auch billigend in Kauf, dass der Tourismus an der Ostsee zum Erliegen kommt - sei es im Baltikum, in Polen oder bei uns“, sagte die Grünen-Politikerin und bezog sich damit auf den russischen Präsidenten Wladimir Putin.
Reaktion aus Litauen
Nach dem Vorfall kamen auch Reaktionen aus dem Ausland. Litauens Außenminister Kestutis Budrys sprach sich für ein entschiedeneres Vorgehen und weitere Maßnahmen gegen Russlands Schattenflotte aus. „Die Ostsee ist das wichtigste Tor für Russlands Ölexporte und das müssen wir unterbinden“, sagte er bei einem Besuch in der estnischen Hauptstadt Tallinn. Zugleich sei die Schattenflotte ein „Instrument in den Hybridaktivitäten“ und stelle eine Bedrohung für die Umwelt dar.
Über 2.000 Schiffe täglich auf der Ostsee unterwegs
Die Ostsee gehört zu den am meisten befahrenen Meeren der Welt. Täglich sind auf dem Binnenmeer mehr als 2.000 Schiffe unterwegs, wie das Leibniz-Institut für Ostseeforschung Warnemünde (IOW) mitteilte.
Erst Mitte Oktober hatte es einen Zwischenfall mit einem Tanker vor Mecklenburg-Vorpommerns Küste gegeben. Das kleine Öltankschiff „Annika“ brannte auf der Ostsee in Sichtweite der Küste. Das Schiff war auf dem Weg von Rostock nach Travemünde, als am 11. Oktober rund 4,5 Kilometer vor dem Ostseebad Heiligendamm an Bord Feuer ausbrach. Nach ersten Löscharbeiten auf See war das 73 Meter lange und 12 Meter breite Schiff von Schleppern in den Rostocker Überseehafen bugsiert worden. Öl trat bei dem Zwischenfall nicht aus.