2. Bundesliga Fingerzeig zum Himmel: Tabakovic-Jubel und Dardais Tränen
Dieses Spiel war für alle bei Hertha BSC ein Kraft- und Balanceakt. Nach dem Tod von Präsident Bernstein zeigen sich die Berliner als starke Gemeinschaft. Der Trainer demonstriert menschliche Größe.
Berlin - Pal Dardai schämte sich seiner Tränen nicht. Arm in Arm stand der Trainer von Hertha BSC mit seinen Spielern vor der Ostkurve. Vereint in der Trauer mit den Fans des Berliner Fußball-Zweitligisten um Kay Bernstein. „Wir sind Menschen. Da darf man Tränen zeigen. Muss man sogar. Das muss raus“, sagte der Chefcoach nach dem 2:2 (2:1) gegen Fortuna Düsseldorf, das letztlich nur den sportlichen Rahmen für eine denkwürdige Gedenkfeier für den am Dienstag im Alter von 43 Jahren unerwartet gestorbenen Hertha-Präsidenten Bernstein war.
„Die Sache tut richtig weh, aber man darf es nicht runterschlucken. Weil dann haben wir richtige Probleme“, sagte Dardai bei Sky. Wenig später in der Pressekonferenz fasste der Ungar den emotionalen Fußball-Sonntag zusammen. „Ich glaube, er ist damit unsterblich. Weil Kay war ein Mensch, der hat nie gefragt, was ist gut für ihn, immer, was ist gut für Hertha. Für uns ist das schmerzhaft, denn er war eine anfassbare Person. Er hat mit uns gelebt. Deswegen gibt es diesen großen Respekt“, sagte Dardai zu der überwältigenden Anteilnahme weit über die Grenzen der Hauptstadt hinaus.
Haris Tabakovic hatte nach seinem Tor schon den richtigen Weg gewählt. Schnell zur Auswechselbank. Dort hielt der Stürmer das schwarze T-Shirt mit dem Aufdruck „Wir Herthaner in tiefer Trauer“ hoch und reckte dann einen Finger zum Himmel. Es war ein stiller Gruß des Torjägers. Der einzig mögliche Gruß und die einzig mögliche Geste nach einer bewegenden Trauerfeier in und vor der riesigen Betonschüssel.
Nach Tabakovic (30. Minute) traf noch Derry Scherhant (45.+1) für die Hertha, aber eben auch Isak Bergmann Johannesson (44.) und Christos Tzolis (50./Foulelfmeter) für Düsseldorf. Tzolis (56.) setzte einen weiteren Strafstoß neben das Tor. Dass das Spiel also 2:2 (2:1) endete, das war in dem zum Ort des Gedenkens verwandelten Olympiastadion trotzdem nur die statistische Fortsetzung eines emotionalen, kalten Fußball-Sonntags.
„Man geht in das Spiel rein und denkt, man ist auf alles vorbereitet. Und dann hört man den Stadionsprecher und kriegt einfach nur Gänsehaut“, sagte Hertha-Kapitän Toni Leistner bei Sky. „Aber ich glaube nichtsdestotrotz hat die Mannschaft das richtig gut angenommen.“
Die reinen Zahlen besagen, dass die Hertha nun zehn Spiele in Serie ungeschlagen ist, im Aufstiegsrennen um die direkte Rückkehr in die Bundesliga aber nicht nach oben rückt und auch auf Mitkonkurrent Düsseldorf unverändert fünf Punkte Rückstand hat.
Unklar war auch für Dardai, der eine Psychologin organisiert hatte, wie die Mannschaft reagieren würde, nach Tagen der Trauer und der Emotionen und nach einem Spiel-Vorlauf, der mit einem Trauermarsch von 7000 Fans, christlicher Andachtsfeier und besinnlicher Musik so gar nicht zu den eigentlichen Fußball-Ritualen passte.
Seine Mannschaft reagierte vor 42 209 Zuschauern stabil, kontrollierte das Spiel. Ins Risiko ging keines der Teams. Die Fortuna hielt sich so anständig zurück, wie auch die eigenen Fans den würdigen Rahmen des Bernstein-Gedenkens schweigend mitgetragen hatten.
Als ein Konter von Scherhant zu verpuffen drohte, kam der Ball zu Tabakovic, der selbigen mit Tempo 105 Kilometer pro Stunde ins Tor drosch. Der Jubel war eine Befreiung. Kurz nachdem der Mittelstürmer den Pfosten getroffen hatte (42.), kam die Fortuna mit ihrer ersten Chance zum Ausgleich durch den Fernschuss von Bergmann Johannesson. Doch Scherhant wollte das nicht so stehen lassen. Sein wuchtiger Schuss zur erneuten Führung aus ähnlicher Position wie Tabakovic war noch einen Kilometer pro Stunde schneller.
Düsseldorf legte seine vornehme Zurückhaltung ab. Kam durch Tzolis Strafstoß-Tor zum Ausgleich. Und hätte nach dem zweiten Elfmeter-Foul von Marc Oliver Kempf fast mit kurioser Dublette in Führung gehen können. Jetzt waren die Gäste das klar bessere Team. Die Hertha-Ultras, denen Bernstein in seinem bewegten Fußball-Leben als Vorsänger einst Takt und Stimme gab, schwiegen das ganze Spiel. Auf Bernsteins Präsidenten-Platz auf der Haupttribüne waren seine typische blau-weiße Club-Jacke, sein Megafon und weiße Rosen gelegt. Nach dem Abpfiff, als Dardai mit den Spielern in der Kurve stand, wurde die Hertha-Hymne in sanfter Klassikversion gespielt.