Anschlag auf Weihnachtsmarkt Todesfahrer von Magdeburg drohte 2013 und 2015
Der Anschlag auf den Magdeburger Weihnachtsmarkt hinterlässt viele Fragen. Wäre der Täter zu stoppen gewesen? Den Behörden in MV fiel der Mann schon vor Jahren auf.
Schwerin - Nach dem Anschlag auf den Magdeburger Weihnachtsmarkt hat das Justizministerium in Mecklenburg-Vorpommern Details über die zurückliegenden Ermittlungen gegen den Todesfahrer mitgeteilt. Danach drohte Taleb A. aus Unzufriedenheit mit der aus seiner Sicht langwierigen Bearbeitung seines Antrages auf Zulassung zur Prüfung zum Facharzt bereits am 16. April 2013 in einem Telefonat einer Mitarbeiterin der Ärztekammer, dass etwas geschehen würde, das international Beachtung finden würde.
„Er fragte die Mitarbeiterin, ob sie die Bilder aus Boston gesehen habe. So etwas würde dann hier auch passieren“, informierte das Ministerium in einer Zusammenfassung über den aktuellen Kenntnisstand. Einen Tag zuvor, am 15. April 2013, waren beim Anschlag auf den Boston-Marathon drei Menschen getötet und 260 verletzt worden. Die Rostocker Staatsanwaltschaft beantragte dann den Angaben zufolge beim Amtsgericht Rostock am 18. April 2013 einen Durchsuchungsbeschluss für die Wohnung von Taleb A. in Stralsund, der auch erlassen wurde. Waffen, sonstige gefährliche Gegenstände oder Material zum Bau von Bomben seien aber nicht vorgefunden worden.
„Es wird nicht mehr lange dauern“
Aus den noch vorhandenen Dateien hätten sich Anhaltspunkte auf eine weitere strafrechtliche Prüfung bei der Generalstaatsanwaltschaft ergeben. So schrieb Taleb A. am 31. August 2015 einen Brief an den Generalstaatsanwalt und führte unter anderem aus: „Aus rein postmodernem philosophischem Blickwinkel sind Sie schmutzige Bakterien die bald vernichtet werden sollen um das deutsche Volk vor Ihrer Gefahr zu schützen. Meine moralische Pflicht ist aber die Artikel 92 und 97 Abs. 1 des Grundgesetzes zu vernichten. Dafür bin ich bereit mein ganzes Leben zu bezahlen. Es ist nur eine Frage der Zeit. Es wird aber nicht lange dauern. Die ganze Welt wird darüber reden.“ Ein Ergebnis des Vorgangs könne aber aufgrund der gelöschten Akten nicht mehr ermittelt werden, so das Justizministerium in Schwerin weiter.
Die FDP-Fraktion im Schweriner Landtag verlangte eine umfassende Aufklärung im Fall Taleb A., der während seiner fachärztlichen Ausbildung in Mecklenburg-Vorpommern unter Beobachtung gestanden habe. Auch wenn A „islamismusfeindlich eingestellt war, verfolgte er extremistische Ziele und bereitete seine Tat offenbar sorgfältig vor. Es ist wiederholt nicht gelungen, einen Extremisten rechtzeitig zu stoppen, trotz Warnungen aus dem Ausland“, sagte FDP-Fraktionschef René Domke.
Auch 2014 liefen Ermittlungen
Er forderte Landesinnenminister Christian Pegel (SPD) auf, im Innenausschuss des Landtages umfassend Bericht zu erstatten. Gleichzeitig müsse retrospektiv untersucht werden, welche konkreten Vorgänge in Mecklenburg-Vorpommern zur Beobachtung von Taleb A. geführt hätten. Eine Akteneinsicht werde seitens der FDP-Fraktion nicht ausgeschlossen.
Den Behörden liegt ein Hinweis auf ein möglicherweise weiteres strafrechtliches Verfahren vor. Nach Angaben des Justizministeriums wurde im Oktober 2014 gegen Taleb A. ein Ermittlungsverfahren wegen Beleidigung eingeleitet.
Dabei ging es um einen Vorfall am 17. Oktober 2014, bei dem Taleb A. sich vor dem Landgericht Rostock auf eine Decke gelegt hatte. An einem Koffer, den er neben sich platziert hatte, war dabei ein Plakat angebracht, auf dem unter anderem ein durchgestrichenes Gesicht von Adolf Hitler zu sehen war. Mit welchem Ergebnis dieses Ermittlungsverfahren endete, sei aufgrund der gelöschten Akten ebenfalls nicht mehr ermittelbar.
Der 50-jährige Taleb A. sitzt in Untersuchungshaft. Er hatte in Magdeburg mit seinem Auto auf dem Weihnachtsmarkt fünf Menschen getötet und rund 230 verletzt.