Soziales und Gesellschaft Wiedergutmachung auch aus der Haft
Hinter Gittern bleibt den Straftätern viel Zeit zum Nachdenken. Die Tat, das Opfer und der Blick nach vorn in das Leben außerhalb der Gefängnismauern können da eine Rolle spielen.

Magdeburg - Eine Erklärung, eine Entschuldigung, eine Wiedergutmachung - der Täter-Opfer-Ausgleich ist in Sachsen-Anhalt ein etabliertes, außergerichtliches Verfahren. Ein ähnliches Modell bezieht nun inhaftierte Straftäter ein, wie Jennifer Schmidt vom Landesverband für Kriminalprävention und Resozialisierung Sachsen-Anhalt sagte.
Wenn sie etwa durch eine Therapie dazu motiviert seien, sich mit ihrer Tat und der Perspektive des Opfers auseinanderzusetzen, sei die Mediation im Strafvollzug jetzt nach einem Erlass des Justizministeriums möglich. Es sei ein zusätzliches Angebot zur Resozialisierung für Menschen im Vollzug. Die Justizvollzugsanstalten unterstützten das, und auch die Opferberatungsstellen könnten das Thema nun offensiver bewerben.
Opfer haben Ängste - Täter wollen oft wieder im alten Umfeld leben
Bislang habe es nur sehr vereinzelte Fälle hinter Gittern gegeben, etwa einen pro Jahr, so Schmidt. Viele Opfer von Gewaltstraftaten bewege der Gedanke an die Zeit, wenn der Täter aus der Haft wieder in Freiheit komme. Die Täter wollten auch oft wieder in ihrem alten Umfeld leben.
Jedes Verfahren basiert auf Freiwilligkeit auf allen Seiten. Zu Beginn führt der Mediator oder die Mediatorin Einzelgespräche und klärt die Motivation ab, es geht um die Erfahrungen und die Gefühlswelt der Beteiligten. Danach entscheide sich, ob es ein Ausgleichsgespräch gebe oder nicht, erklärte Schmidt. Das sei jederzeit - auch mehrere Jahre nach der Tat - möglich, bei jedem Delikt. Einzelne Gespräche könnten auch stattfinden, wenn sich der Täter nicht mehr in Sachsen-Anhalt befinde.
Austausch auch über Mediatorin oder Briefe möglich
„Ziel und Zweck ist ein Ausgleichsgespräch“, sagte Schmidt. Für das Opfer der Straftat sei es eine Möglichkeit, mit Ängsten umzugehen, Fragen zu stellen und zu sagen, was ihn oder sie bewege. Das leiste ein Strafprozess im Gericht nicht. Es müsse aber nicht unbedingt ein persönliches Gespräch im Gefängnis sein, sagte Schmidt. Der Austausch könne auch über eine Mediatorin laufen oder über Briefe. Leicht sei das für die inhaftierten Täter nicht: „Sich mit seiner Tat und der Perspektive des Opfers auseinanderzusetzen, tut richtig weh.“
Wie ein Fall aussehen kann, schilderte Schmidt anhand eines Beispiels aus der Vergangenheit: Nach einer schweren Körperverletzung habe sich der inhaftierte und verurteilte Täter gewünscht, sich bei seinem Opfer zu entschuldigen. Das Opfer habe zugestimmt und beim Gespräch in der JVA habe sich gezeigt: „Die haben zueinander gefunden.“ Sie könnten sich nun in ihrer Stadt auf der Straße oder an der Supermarktkasse ohne Angst begegnen.
Das sagt die Justizministerin
Sachsen-Anhalts Justizministerin Franziska Weidinger (CDU) erklärte: „Die Mediation in Strafsachen ist eine Erweiterung der Resozialisierungsmaßnahmen in den Justizvollzugseinrichtungen. Wenn sie es ausdrücklich wünschen, haben Betroffene von Straftaten die Möglichkeit, mit dem Täter zu sprechen, um ihre Gedanken zu schildern und die Folgen der Tat zu verdeutlichen.“
Der Täter solle Verantwortung übernehmen und eine glaubhafte Wiedergutmachung betreiben. „Durch das Zusammentreffen mit dem Opfer soll erreicht werden, dass sich Täter intensiv mit dem Geschehenen auseinandersetzen und die Gefahr weiterer Taten nach Strafverbüßung verringert wird“, so Weidinger.