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Proteste Zehntausende demonstrieren gegen Rechtsruck

Ob in Bremen, Hannover oder Braunschweig: Viele Menschen sind auf den Straßen, um ihre Sorge vor einem Rechtsruck in der Politik zum Ausdruck zu bringen.

Von dpa Aktualisiert: 09.02.2025, 17:12
Zahntausende Menschen demonstrieren am Wochenende in Niedersachsen und Bremen gegen einen Rechtsruck. (Archivbild)
Zahntausende Menschen demonstrieren am Wochenende in Niedersachsen und Bremen gegen einen Rechtsruck. (Archivbild) Moritz Frankenberg/dpa

Hannover/Bremen - Zehntausende von Menschen sind am Wochenende in Niedersachsen und Bremen zu Kundgebungen und Protestaktionen gegen einen Rechtsruck auf die Straße gegangen. Am Sonntag beteiligten sich in Bremerhaven rund 4.500 Menschen an einer Kundgebung, wie die Polizei mitteilte. Auf dem Kirchplatz in Hann. Münden waren es rund 1.200 Menschen.

24.000 Demonstranten in Hannover, mehr als 35.000 in Bremen

Am Samstag waren in Hannover nach Polizeiangaben rund 24.000 Menschen in der Innenstadt zusammengekommen - in Bremen waren es demnach sogar mehr als 35.000 Teilnehmerinnen und Teilnehmer.

In Bremen sprachen die Veranstalter selbst sogar von mehr als 50.000 Teilnehmerinnen und Teilnehmern. „Bremen hat heute ein klares Zeichen gesetzt gegen Rassismus, Hetze und Ausgrenzung, gegen spalterische Politik, egal, von wem sie durchgesetzt wird“, sagte Mira Dieterle für die Organisatoren der Veranstaltung „Laut gegen Rechts“.

Friedliche Demonstrationen

Zuvor habe es in der Bremer Innenstadt unter dem Motto „Herz statt Hetze“ an 17 verschiedenen Orten Musik von Chören und Bands gegeben, sagte Dieterle. Das sei von der Initiative „Omas gegen Rechts“ organisiert worden.

Am Sonntag rief „Bremerhaven bleibt bunt“, ein breites Bündnis gesellschaftlicher und politischer Gruppen, zur Kundgebung auf. Das Motto der Versammlung lautete: „Für Demokratie, Vielfalt und eine lebenswerte Zukunft in Freiheit – gegen den gesellschaftlichen Rechtsruck.“ In Hann. Münden protestierten die rund 1.200 Demonstranten nach Polizeiangaben friedlich gegen Ausgrenzung, Diskriminierung, Menschenfeindlichkeit und Rechtsextremismus.

Bürgerdialog der AfD

Bei einer Demonstration gegen die AfD in Zetel im Landkreis Friesland versammelten sich laut Polizei rund 500 Teilnehmer. Die Kundgebung stand unter dem Motto „Zetel hält dagegen“ - parallel gab es einen Bürgerdialog der AfD im Ort. In Sarstedt im Landkreis Hildesheim kamen rund 400 Menschen zusammen. Die Versammlung verlief nach Polizeiangaben ohne Zwischenfälle.

Zuvor hatten sich am Samstag in Braunschweig nach Polizeiangaben rund 1.000 Menschen versammelt, im ostfriesischen Leer waren es etwa 1.500 Menschen. Auf dem Osnabrücker Marktplatz vor dem Rathaus versammelten sich der Polizei zufolge rund 500 Demonstranten. Nach Schätzung der Veranstalter „Omas gegen Rechts“ kamen dort unter dem Motto „Tanz für Toleranz“ bis zu 900 Menschen zusammen.

99-Jähriger demonstriert gegen Rechtsextremismus

In Leer demonstrierte am Samstag der Holocaust-Überlebende Albrecht Weinberg (99) zusammen mit dem Mannheimer Fotografen Luigi Toscano (52) und Hunderten Menschen gegen Rechtsextremismus und für Demokratie. Weinberg und Toscano hatten angekündigt, ihr Bundesverdienstkreuz und ihre Verdienstmedaille an Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier zurückgeben zu wollen, nachdem die Union mit Stimmen der AfD einen Bundestagsantrag zur Migrationspolitik durchgebracht hatte.

Weinberg und Toscano, der als Fotograf mit dem Erinnerungsprojekt „Gegen das Vergessen“ die Schicksale von Holocaust-Überlebenden dokumentiert, verfolgten die Kundgebung direkt vor der Bühne vor dem Leeraner Zollhaus.

Gespräch mit dem Bundespräsidenten geplant

„Dass mir das noch passieren kann mit fast 100 Jahren“, sagte Weinberg der Deutschen Presse-Agentur. „Unglaublich.“ Ihm sei es wichtig gewesen, zusammen mit seinem Freund Toscano zu kommen und ein Zeichen zu setzen. Er sei froh, dass sich so viele Menschen versammelt hätten. Anschließend nahm er im Rollstuhl sitzend an dem Demonstrationszug durch die Innenstadt teil.

Toscano sagte, in wenigen Tagen werde er ein vertrauliches Gespräch beim Bundespräsidenten in Schloss Bellevue haben. Er sei weiterhin fest entschlossen, seine Verdienstmedaille zurückzugeben. Auch mit Weinberg wolle Steinmeier sprechen, allerdings telefonisch. Ob und wie es zu einer Rückgabe seines Bundesverdienstkreuzes komme, sei noch offen.

2012 nach Deutschland zurückgekehrt

Weinberg überlebte die drei Konzentrationslager Auschwitz, Mittelbau-Dora im Harz, Bergen-Belsen bei Celle und mehrere Todesmärsche. Seine jüdische Familie wurde von den Nazis fast vollständig ermordet. 2012 kehrte er zusammen mit seiner Schwester aus den USA zurück in seine ostfriesische Heimat. Seitdem geht er in Schulen und berichtet Schülerinnen und Schülern von seinen Erinnerungen. Er wird in wenigen Wochen 100 Jahre alt.