Fünf Jahre Covid-19 Zwei Milliarden Sondervermögen, aber keine Maskenvorräte
Am 10. März 2020 wurden in Sachsen-Anhalt die ersten Corona-Infektionen bekannt. Der Dreiklang getestet-geimpft-genesen hat alle begleitet. Wie ist das Land auf eine weitere Pandemie vorbereitet?

Magdeburg - Fünf Jahre nach den ersten Corona-Fällen in Sachsen-Anhalt hat das Land zwar ein zwei Milliarden schweres Sondervermögen, verfügt aber über keinerlei Vorräte an FFP2-Masken. „Im Jahr 2024 hat das Ministerium für Arbeit, Soziales, Gesundheit und Gleichstellung die im Zusammenhang mit der Pandemiebewältigung vorgehaltenen Lagerbestände an Masken und Tests aufgelöst und die entsprechenden Verträge gekündigt“, erklärte ein Sprecher in Magdeburg auf Nachfrage.
Besonders in der ersten Corona-Pandemiewelle im Frühjahr 2020 waren Masken, Desinfektionsmittel sowie einige Medikamente Mangelware. Bund und Land besorgten große Mengen. Masken und Tests wurden auch an Schulen und Kitas ausgegeben, damit dort zumindest zeitweise der Unterricht weitergehen konnte.
Ein Ministerium verweist aufs andere
Im Koalitionsvertrag sei der Aufbau einer Landesreserve an Katastrophenschutzmaterial für länger anhaltende Krisenlagen vereinbart, hieß es aus dem SPD-geführten Haus. „Hierfür liegt die Zuständigkeit beim Innenministerium.“
Das Haus von Tamara Zieschang (CDU) sieht sich mit Blick auf Masken aber als die falsche Adresse: „Das Material für die Pandemievorsorge ist originär kein Material für den Katastrophenschutz, sondern durch das für die Gesundheitsvorsorge zuständige Ressort vorzuhalten. Zuständig für die Pandemievorsorge und die Vorhaltung von Pandemievorsorgematerial ist das Ministerium für Arbeit, Soziales, Gesundheit und Gleichstellung (MS).“
Kein Material für die Pandemievorsorge eingeplant
Eine Sprecherin des Innenministeriums machte zudem deutlich: „Während der Corona-Pandemie wurde nie der Katastrophenfall ausgerufen.“ Auch sei das Ministerium für Gesundheit zu keinem Zeitpunkt auf das Innenministerium zugekommen, „dass in der Landesreserve Katastrophenschutz auch Material für die Pandemievorsorge vorgesehen werden soll“.
Was sagen Experten dazu?
Die Vorsitzende des Bundesverbands der Ärztinnen und Ärzte des Öffentlichen Gesundheitsdienstes, Kristina Böhm, hat eine klare Position: „Wir brauchen auf jeden Fall Vorräte, das ist unstrittig.“ Es müsse sich jemand verantwortlich fühlen, die Kommunen allein könnten das nicht leisten. Der Bruch der Ampel-Koalition in Berlin habe entsprechende Gesetzesvorhaben ausgebremst.
Böhm setzt darauf, dass sie nicht in der Schublade verschwinden, sondern unter einer neuen Bundesregierung möglichst schnell auf den Weg gebracht werden.
Die Lager kosten Geld und es muss eine Logistik geben. Es handele sich um Medizinprodukte – von Arzneimitteln bis zu den Masken –, die regelmäßig erneuert werden müssen, sagte Böhm, die das Gesundheitsamt in Potsdam leitet. „Die Wahrheit ist schlicht: Wir haben keine Krise mehr. Das Vergessen fängt relativ schnell an.“ Es gebe verschiedene Hinweise, dass Sachsen-Anhalt nicht allein ist mit seinen Null-Vorräten.
An anderer Stelle ist viel Geld da
Während bei Masken und Tests im Moment Stillstand herrscht, wird an anderer Stelle viel Geld ausgegeben. Erst vor wenigen Wochen hat der Landtag auch für 2025 eine Notlage festgestellt, um weitere Millionenkredite zur Pandemievorsorge aufnehmen zu können.
Mit den Geldern soll etwa an Schulen und Hochschulen neue Technik angeschafft werden. Investieren möchte die Landesregierung auch in die Digitalisierung und in Krankenhäuser. Der Ansatz 2025 liegt bei 552 Millionen Euro, 2026 sollen es 490 Millionen Euro sein.
Ministerpräsident Reiner Haseloff (CDU) hatte die Fortführung des sogenannten Corona-Sondervermögens verteidigt. „Wenn die Kliniken mehrere Jahre brauchen, von der Ausschreibung bis zum Bau der Quarantänebereiche, müssen wir auch so lange auf das Sondervermögen setzen“, sagte der Regierungschef.
Expertenkommission legt demnächst Empfehlungen vor
Wie die Pandemievorsorge in Sachsen-Anhalt aussehen sollte, damit befasst sich seit gut einem Jahr eine Expertenkommission. 16 Fachleute aus den Bereichen Bildung, Wirtschaft, Gesundheit, Soziales, Kommunen und Wissenschaft tragen zusammen, was sich aus der Corona-Pandemie lernen lässt und was noch getan werden muss. Der Abschlussbericht wird jüngsten Angaben zufolge im Mai veröffentlicht.
Unverständnis aus den Landtagsfraktionen
„Es ist nicht nachvollziehbar, dass hier die Ministerien die Verantwortung für die Bevorratung an medizinischen Gütern untereinander hin und her schieben“, sagte Tobias Krull für die CDU-Fraktion. „Eine der Lehren aus der Bewältigung der Corona-Pandemie ist eine ausreichende Bevorratung von medizinischen Material, zum Beispiel mit Masken. Ansonsten macht man sich nicht nur im Ernstfall von Lieferketten abhängig, die häufig gestört sind, sondern muss auch mit erheblichen Mehrkosten bei der Beschaffung rechnen.“
Rüdiger Erben für die SPD-Fraktion forderte eine eigene Abteilung für den Bevölkerungsschutz im Innenministerium. „Von dieser Abteilung erwarte ich, dass sie ihre Aufgaben ernst nimmt und effizient umsetzt.“ Für Erben steht fest: „Die zahlreichen Krisen der letzten 15 Jahre haben gezeigt, dass es gefährlich und unwirtschaftlich ist, Notfallmaterial erst dann zu beschaffen, wenn die Krise bereits eingetreten ist.“
Ein Sprecher der Grünen-Fraktion erklärte: „Statt Masken und Schutzausrüstung verlässlich bereitzuhalten, bleibt dieser Kernbereich in einem endlosen kompetenzwirren Zuständigkeitschaos hängen. Das ist nicht nur fahrlässig, sondern ein Versäumnis mit Ansage. Wir erwarten, dass diese Aufgabe spätestens mit der Vorlage des Gutachtens im Mai endlich angegangen wird. Im Sondervermögen sollten genau dafür zwingend Mittel bereitstehen.“
Auch die gesundheitspolitische Sprecherin der Linken-Fraktion, Nicole Anger, kritisiert das Hin und Her bei den Kompetenzen: „Die Ministerien müssen hier zusammenarbeiten, statt jeweils auf das andere zu verweisen. Benötigt werden Masken, Schutzkleidung, Desinfektion und anderes von Krankenhäusern genauso wie vom Rettungsdienst.“
Der gesundheitspolitische Sprecher der FDP-Fraktion, Konstantin Pott, sagte: „Die Regierungskommission soll betrachten, was aus der Corona-Zeit für die Zukunft gelernt werden kann. Die aktuellen Probleme zeigen, dass hier noch vieles zu tun ist.“
Die AfD setzt auf weniger Abhängigkeit von Produktionen im Ausland: „Unabhängig davon, dass wir endlich die Corona-Zeit in einem echten U-Ausschuss aufarbeiten müssen, hat die AfD schon vor Jahren eine nationale Produktion von Schutzmitteln vorgeschlagen, um sich nicht von anderen abhängig zu machen“, sagte der Vorsitzende der AfD-Landtagsfraktion, Ulrich Siegmund. „Im Fokus muss aber die schonungslose Aufarbeitung stehen, um wieder Vertrauen in staatliche Institutionen aufzubauen“.