Auszeichnung Marc Rath ist "Journalist des Jahres"
Der Volksstimme-Reporter wurde in Berlin vom Medium Magazin in der Kategorie "Reporter regional" ausgezeichnet.
Ohne das Gespür von Marc Rath wäre der Wahlfälschungsskandal in Stendal wohl nie aufgeflogen. Für seine Recherchen ist er am Dienstagabend mit einem der wichtigsten deutschen Journalistenpreise ausgezeichnet worden. Er erzählt, wie er die Affäre aufgedeckt hat.
Volksstimme: Lieber Marc, gehst du noch wählen?
Marc Rath: Auf jeden Fall. Seit meinem 18. Lebensjahr habe ich keine Wahl verpasst.
Angesichts der Vorgänge, die du in Stendal aufgedeckt hast, hast du also noch Vertrauen in unser Wahlsystem?
Ja, denn das Aufdecken solcher Missstände ist ja auch ein Signal, dass man gravierenden Verfehlungen einer Verwaltung und mutwilligen Fälschungen Einhalt gebieten kann. Das ist das Schwert des Journalisten.
Wie sind dir die Unregelmäßigkeiten aufgefallen?
Auf einer Internetseite des Stendaler Rathauses konnte man am Wahlabend im Mai 2014 nachvollziehen, wer nach Auszählungsstand in den Stadtrat einziehen würde. Die CDU hatte anfangs um die 20 Sitze, doch nirgendwo tauchte dabei der Name Holger Gebhardt auf. Erst ganz am Schluss schoss er plötzlich auf den dritten Platz – das war der Zeitpunkt, als die Briefwahlbezirke ausgezählt waren und in das Wahlergebnis einflossen. Da war mir an dem Abend klar: Er muss ein exorbitant hohes Wahlergebnis haben.
Deine Vermutung hat sich bestätigt.
Ja. Holger Gebhardt hatte von den insgesamt rund 6000 Briefwahlstimmen 689 erhalten. Von den 30 000 Stimmen in den Wahllokalen hatte er aber nur ganze 148 bekommen. Dieses Ergebnis konnte nicht regulär zustande gekommen sein.
Die Landes-CDU hatte danach Aufklärung versprochen. Ist die Partei dabei mit dem nötigen Druck vorgegangen?
Wenn ja, dann hat sie das gut verborgen. Man konnte das auch immer gut begründen: Erst gab es ein „laufendes Ermittlungsverfahren“, nun ein „laufendes Strafverfahren“ oder das Ganze liegt eben in der „Autonomie des Kreisverbandes“. Aber es wird der Zeitpunkt kommen, an dem sich die CDU auf Stadt-, Kreis- und Landesebene noch einmal dafür verantworten muss, wie sie mit den Ergebnissen umgeht. Das werden wir als Volksstimme natürlich im Blick haben.
So ein Wahlskandal erschüttert eine Stadt. Wie hat sich Stendal dadurch verändert?
So eine Wahlfälschung bedient genau die Vorurteile, die eine immer größer werdende Gruppe an Menschen gegenüber demokratischen Prozessen hat. Das finde ich schmerzhaft.
Die Affäre ist nicht nur ein Fall für die Justiz, auch das Innenministerium hat die Briefwahlregeln verschärft. Ist das ein Erfolg für dich?
Nein, ich finde das eher tragisch. Auch ich bin Teil der Stadtgesellschaft und deshalb macht mich das betroffen. Dennoch gibt es viele Menschen, die mir Mut machen, da dranzubleiben. Aber es gibt auch die andere Seite, die mir immer noch unterstellt, dass ich eine Privatfehde gegen irgendwelche Leute führen würde. Da kann ich nur mit dem Kopf schütteln. Mich treibt nur eines an: Ich möchte die Wirklichkeit abbilden und die Wahrheit wissen.
Haben die Kommunalpolitiker in der Altmark noch Lust, sich mit dir zu treffen?
Es ist sicher so, dass mich nun einige grüßen, die mich vorher nicht kannten. Ich habe aber auch schon Situationen erlebt, in denen mir der Handschlag verweigert worden ist. Dass ich mir mit der Berichterstattung nicht nur Freunde gemacht habe, ist mir bewusst.