1. Startseite
  2. >
  3. Sachsen-Anhalt
  4. >
  5. „Ablenkung von Impfpflicht“: Krude Kriegs-Theorien auf Demo gegen Corona-Maßnahmen in Dessau

Kundgebung am Montag „Ablenkung von Impfpflicht“: Krude Kriegs-Theorien auf Demo gegen Corona-Maßnahmen in Dessau

Auf der Montagsdemonstration in Dessau vermengen Redner die Themen Corona und Ukraine. Den Konflikt gebe es nur, um von der Impfpflicht abzulenken.

Von Thomas Steinberg 02.03.2022, 10:35
Auf dem Dessauer Marktplatz versammeln sich seit Monaten montags Demonstranten, um gegen die Corona-Regeln zu demonstrieren.
Auf dem Dessauer Marktplatz versammeln sich seit Monaten montags Demonstranten, um gegen die Corona-Regeln zu demonstrieren. (Foto: Thomas Ruttke)

Dessau/MZ - Keine Funkenmariechen, kein Prinzenpaar, kein Elferrat - die Einladung der Organisatoren, die „Montagsmahnwache“ gegen die Coronamaßnahmen zum Rosenmontagsumzug zu machen, wurde von den Karnevalsvereinen in Dessau-Roßlau ausgeschlagen. So hatten sie es angekündigt, und so hatten sie es auch gehalten.

Die Teilnehmerzahl am Demozug - unter 400 nach Zählung des Ordnungsamtes, über 400 nach der der Organisatoren - blieb zudem hinter den Höchstwerten von 600 vor einigen Wochen zurück. Zudem zeigte sich ein Verhalten der Demonstranten, dass sich schon längere Zeit abzeichnete: Die Mehrheit besucht nicht die Kundgebungen vor und nach dem Demozug, sondern kommt nur zum Umzug. So stellte ein Redner zu Beginn der Mahnwache um 18 Uhr vor etwa 150 Teilnehmern denn auch fest: „Es sind heute recht wenig.“

Während der Kundgebungen war eine Veränderung der Tonlage vernehmbar

Während der Kundgebungen war eine Veränderung der Tonlage vernehmbar. So hieß es zwar, es handele sich um keine Pro-Putin- oder Pro-Selenskyj-Veranstaltung, sondern eine für Frieden, Freiheit und Demokratie. Doch vom Krieg in der Ukraine wurden ganz eigene Interpretationen geliefert.

Es handele sich um einen „Stellvertreterkrieg“, hieß es. Auffällig sei, dass er angefangen habe, als eine angebliche „Corona-Lüge geplatzt“ sei. „Wir sollen abgelenkt werden von der Impfpflicht“, behauptete ein Redner vor dem Rathaus und stellte später klar, es gebe keinen Virus. Ohne Namen zu nennen, rechtfertigte er den von Putin angeordneten Einmarsch in die Ukraine. Wörtlich: „Wenn jemand vor meinem Garten eine Kanone aufbaut, dann gehe ich raus und haue ihm eine auf die Schnauze.“ Vielleicht, so mutmaßte der Sprecher, habe Selenskyj bereits die von ihm vor zwei Wochen geforderten Atomwaffen. Einen irgendwie gearteten Anhaltspunkt für diese Aussage blieb er schuldig.

Auffällig war der gegenüber früheren Demonstrationen teils geänderte Tonfall

Auffällig war der gegenüber früheren Demonstrationen teils geänderte Tonfall in den Reden. Da blieb man zumeist freundlich, bedachte Impfbefürworter mit ironischen Worten und betonte (wie eingangs auch diesen Montag), man sei offen für alle. Dieses Mal hieß es über die Teilnehmer der vom Bündnis Gelebte Demokratie am Freitag organisierten Friedensdemo wörtlich: „Solche Fratzen brauchen wir nicht“, weil sie, im Nachgang nicht überprüfbar, einen aus ihren Reihen „weggejagt“ haben sollen.

Bislang sind die seit mehr als einen Jahr laufenden Montagsmahnwachen zumeist offiziell bei der Versammlungsbehörde angekündigt worden, auf jeden Fall die mit mehreren hundert Teilnehmern. Ein Redner tat auf dem Rathausplatz kund, man werde am 7. März - dem Tag des schwersten Bombenangriffs auf Dessau - eine Demonstration veranstalten. Er betonte, diese nicht anmelden zu wollen.

An der Friedensglocke hatten sich derweil etwa 20 Demonstranten zu einer Gegenkundgebung versammelt

Vermutlich ebenfalls zum ersten Mal bei Coronademonstrationen zu hören war das Wort Volksverräter für Politiker. Die brauche man nicht, hieß es mit Bezug auf das am Sonnabend beschlossene Sondervermögen für die Bundeswehraufrüstung von 100 Milliarden Euro.

An der Friedensglocke fand eine linke Gegenkundgebung statt.
An der Friedensglocke fand eine linke Gegenkundgebung statt.
(Foto: Thomas Ruttke)

Der Demonstrationszug setzte sich um 18.20 Uhr in Bewegung. Er wählte wie zuletzt mehrfach eine Route um den Stadtpark, vorbei am Polizeirevier und zurück zum Ausgangsort, der Zerbster Straße. Teils wurde Karnevalsmusik abgespielt. Zu Zwischenfällen kam es nicht. An der Friedensglocke hatten sich derweil etwa 20 Demonstranten zu einer Gegenkundgebung versammelt.