"Angst um Arbeitsplatz bei Sachsen-Anhaltern ausgeprägter als bei anderen"
Prüfungsangst oder Panik, vor Publikum zu sprechen: Mit einem Vortrag und am lebenden Beispiel erklärt der Magdeburger Therapeut Dr. Norbert Preetz heute an der Otto-von-Guericke-Universität, wie man diese und andere Ängste mal eben los wird. Vorab sprach er mit Volksstimme-Redakteurin Elisa Sowieja.
Volksstimme: Der Untertitel Ihres Buches, auf dem Ihr Vortrag basiert, kündigt an: "So lösen Sie Ängste in Minuten". Das klingt zu schön, um wahr zu sein.
Norbert Preetz: Bei tiefergehenden Ängsten funktioniert das zwar nicht so schnell. Aber solche, die durch Konditionierung, also eine Verknüpfung in einer bestimmten Situation entstanden sind, lassen sich tatsächlich in Minuten überwinden. Ein Beispiel: Das Hupen einer Lok löst bei jemandem Panik aus, der vor Jahren einen Autounfall hatte und beim Aufprall dieses Hintergrundgeräusch hörte. Denn der Körper hat die Umgebungsvariablen abgespeichert und warnt den Menschen, wenn sie wieder auftreten. Genau wie eine einzige Situation hier eine dauerhafte Angststörung verursacht, kann man sie auch mit einmaligem Eingreifen wieder lösen. Das funktioniert zum Beispiel auch bei Prüfungsangst oder Angst vor öffentlichem Reden.
Volksstimme: Wie greifen Sie ein, damit ich aus Ihrem Vortrag gehe und keine Angst mehr habe, vor großem Publikum zu sprechen?
Preetz: Ich helfe Ihnen, die Stituation, vor einer Gruppe zu stehen, neu abzuspeichern. Dazu rufen Sie sich diese Situation zunächst in Erinnerung, dann verbinden Sie sie mit einer positiven Emotion - denken also an etwas Schönes. Die Folge: Beides speichert sich zusammen neu ab. Dass das funktioniert, demonstriere ich regelmäßig bei Vorträgen. Allerdings braucht man dazu eine Technik, die hilft, die Überaktivität im Angstzentrum des Gehirns zu mindern. Man kann etwa in einem bestimmten Moment des Erinnerns gewisse Punkte am Körper drücken. Solche Methoden sind nicht neu, werden aber bisher kaum angewandt.
Volksstimme: Sie behandeln Ängste nicht nur in Seminaren und Vorträgen, sondern auch in Ihrer Praxis. Was für Menschen kommen zu Ihnen und welche sind ihre häufigsten Probleme?
Preetz: Sehr oft sind es Panikstörungen und Ängste im Umgang mit anderen Menschen - seien es Vorgesetzte oder Gruppen. Auch mit Agoraphobie, also der Angst vor öffentlichen Räumen und Plätzen, suchen mich viele Patienten auf. Betroffen sind nicht nur alle Altersgruppen, sondern auch alle Schichten. Angst hat nichts mit Intelligenz zu tun.
Volksstimme: Wie hat sich die Angst der Menschen in den vergangenen Jahren entwickelt?
Preetz: Mein Eindruck, der auch durch Untersuchungen gestützt wird, ist: Sie wird häufiger und stärker. Das hat damit zu tun, dass die Lebensumstände heutzutage nicht mehr so viel Sicherheit bieten wie früher. Immer mehr Menschen leben daher in einer permanenten Grundanspannung. Bei Kindern kommt hinzu, dass sie oft einen weniger starken inneren Halt haben, da viele Eltern kaum Zeit für die Familie haben oder sie sich nicht nehmen.
Volksstimme: Sie referieren deutschland- und europaweit. Inwiefern haben Sie Unterschiede zwischen den Menschen in Sachsen-Anhalt und anderswo festgestellt?
Preetz: Sachsen-Anhalt ist wirtschaftlich weniger stark als andere Bundesländer. Fragen wie "Kann ich weiterhin meine Wohnung und die Ausbildung meiner Kinder bezahlen?" sind daher für viele hier oft allgegenwärtig. Ihre Angst um den Arbeitsplatz ist ausgeprägter als bei Patienten aus Süddeutschland oder Hamburg. Diese sehen Konflikte auf der Arbeit etwas gelassener, weil sie sich existenziell weniger bedroht fühlen.
Volksstimme: Mal abgesehen von größeren Ängsten: Fast jeder muss sich hin und wieder überwinden - sei es, weil die Gruppe, vor der er spricht, diesmal größer ist als beim letzten Mal oder weil das Riesenrad auf dem Rummel doch ganz schön hoch wirkt. Verraten Sie uns einen Trick, wie man diesen kleinen Ängsten ohne Methodenkenntnis einen Schrecken einjagen kann?
Preetz: Man kann sich in seiner Vorstellung in eine wunderschöne Zeit zurückversetzen, in der man glücklich war, und dabei den Körper aufrecht halten und lächeln. Dann reagiert der Körper. Wenn man sich zum Lächeln zwingt, ist es schwer, negative Gedanken zu denken.