Durch Erbschaft entsteht für 126 Jahre Exklave im Norden Anhalt-Zerbster regieren im Jeverland
Anhalt wird 800. Im Jahr 2012 begeht die Region dieses Jubiläum. Anhalt, das geprägt ist von einer bewegten Geschichte, besonderen Orten und Persönlichkeiten, Entdeckungen und Entwicklungen - und das mit all dem ausgestrahlt hat weit über die eigenen Grenzen hinaus. Das macht den Blick in Anhalts Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft spannend. Die Volksstimme tut dies mit einer Serie und erkundet "Anhalt von A bis Z". Heute: J- wie Jever, eine anhaltische Exklave
Zerbst. Der Zerbster Bürgermeister Helmut Behrendt (FDP) nimmt gern mal scherzend darauf Bezug. Dass es ja ganz schön wäre, wenn Jever heute noch zu Zerbst gehören würde. Der Wunsch hat eine historische Grundlage. Als die friesische Herrschaft Jever zwischen 1667 und 1793 Teil des Fürstentums Anhalt-Zerbst war, konnten dessen Herrscher sich an reichen wirtschaftlichen Gewinnen ihres sehr ertragreichen Landes im Norden freuen.
Durch Erbschaft wurden die Anhalt-Zerbster "ferne Fürsten" über das Jeverland. "Sie nahmen in vielerlei Hinsicht Rücksicht auf die rechtlichen, verwaltungstechnischen, militärischen und wirtschaftlichen Besonderheiten ihres friesischen Landesteils. So wurde zum Beispiel die Einteilung der alten Herrschaftsstruktur in fünf Kollegien bewahrt und zahlreiche Beamte wurden übernommen", erklärt Prof. Dr. Antje Sander, Leiterin des Schlossmuseums Jever.
In ihrer nördlichen Residenz seien die Herrscher allerdings nur selten gewesen, ließen sie von Statthaltern führen. "Lediglich Johann Ludwig (1688-1746) und Friederike Auguste Sophie von Anhalt-Zerbst bewohnten in ihrer Funktion als Statthalter für längere Zeit das Schloss. Aus dem Besitz Johann Ludwigs hat sich eine umfangreiche Bibliothek erhalten, die im Mariengymnasium Jever und der Landesbibliothek Oldenburg aufbewahrt wird", so Antje Sander.
Allerdings sorgten die Anhalt-Zerbster nicht nur zum Beispiel für den barocken Turmaufbau am Schloss in Jever, sondern auch für dessen heute vielfach noch zu bewundernde Ausstattung. "Die Ledertapeten und Gobelins stammen sicherlich aus dem Zerbster Schloss, das Anfang des 18. Jahrhunderts ausgebaut und neu eingerichtet wurde", erläutert die Museumsleiterin. Wie ab 1721 in Zerbst, gab es ab 1760 auch in Jever eine Fayence-Manufaktur.
Unter dem letzten Anhalt-Zerbster Fürsten Friedrich August (1734-1793) entstanden in Jever, das immer wieder auch als Festung eine Rolle spielte, mehrfach Kasernenbauten. Hier waren unter anderem die Soldaten stationiert, die später im Amerikanischen Unabhängigkeitskrieg kämpften. Friedrich August starb kinderlos in Luxemburg. Das Jeverland fiel an Zarin Katharina II., die Schwester des Fürsten. Seine Witwe wurde von ihr als Statthalterin eingesetzt, blieb es bis 1807. Das Jeverland kam in der Folge unter verschiedene Herrschaften.
Heute sind die Zerbster in Anhalt und die Jeveraner in Friesland wieder miteinander verbunden - durch eine 1990 begründete Städtepartnerschaft. Jever feiert 2011 auch 475 Jahre Stadtrecht.