Antisemitismus Neue Vorwürfe gegen die Polizei
Ein anonymes Schreiben wirft dem Chef der Stendaler Polizei in seiner Zeit als Hundertschaftsführer antisemitisches Verhalten vor.
Magdeburg l Inzwischen ist ein weiteres anonymes Schreiben gegen Polizisten im Zusammenhang mit Rechtsextremismus und antisemitischen Vorwürfen bei der Polizei aufgetaucht. Darin erheben offensichtliche Polizeibeamte aus der Altmark gegen den Leiter der Polizeiinspektion Stendal, Andreas Krautwald, anonym schwere Vorwürfe.
Er soll als Hundertschaftsführer der 3. Einsatzhundertschaft der Landesbereitschaftspolizei Anfang 2000 die Bezeichnung „Jude“ für den Kantinenbetreiber bei der Bereitschaftspolizei in Magdeburg nicht nur gekannt, sondern damals auch toleriert haben. Laut dem an verschiedene Medien, Landtagsabgeordnete, den Ministerpräsidenten sowie den Zentralrat der Juden adressierten Schreiben habe Krautwald auch entsprechende Meldungen durch Polizisten offenbar nicht an den Vorgesetzten weitergeleitet. Er habe sich auch selbst abfällig geäußert und damals sinngemäß gesagt: „Dem Hebräer (damit war der Kantinenbetreiber gemeint) ist doch eigentlich scheißegal, ob eine Hundertschaft die Scheißerei bekommt. Hauptsache, sein Verdienst passt.“
Kritik äußerten die anonymen Schreiber auch am Führungsstil des Polizisten. „Er kann als autoritär, militärisch und nicht mehr in die heutige Zeit passend beschrieben werden“, heißt es. Das Personalentwicklungskonzept habe Krautwald unter anderem als „Kaisermanöver“ bezeichnet.
Zu den Vorwürfen wollte sich Krautwald gegenüber der Volksstimme persönlich nicht äußern. Die Sprecherin der Polizeiinspektion, Beatrix Mertens, verwies auf das Innenministerium. Dort ist der Beamte zu den Vorwürfen angehört und aufgefordert worden, kurzfristig Stellung zu nehmen. Innenministeriumssprecher Stefan Brodtrück teilte auf Nachfrage weiter mit, dass die Leiterin der Sonderkommission (Soko) zu Antisemitismus, Rassismus und Fremdenfeindlichkeit bereits über diese Vorwürfe in Kenntnis gesetzt wurde. Die Soko ist Mitte Oktober nach einem ersten anonymen Schreiben an das Innenministerium ins Leben gerufen worden. Darin war erklärt worden, dass Polizisten über Jahre hinweg den Kantinenbetreiber der Landesbereitschaftspolizei als Juden bezeichnet haben.
Die aktuellen Vorwürfe sollen am kommenden Donnerstag im Innenausschuss des Landtages Thema sein. SPD-Innenexperte Rüdiger Erben: „Das benötigt dringend Aufklärung.“ Das Innenministerium hat inzwischen selbst den Tagesordnungspunkt angemeldet. Angesichts der zunehmend anonymen Schreiben warnte Erben aber vor einer Vorverurteilung. „Offensichtlich hat sich die Polizei ein wenig zu einem Haifischbecken entwickelt“, sagt er. Er spielt auf mögliche interne Postenkämpfe in der Behörde an. Der Posten des Leiters der Polizeiinspektion Stendal sollte nach einer Ausschreibung dauerhaft besetzt werden. Bewerber auf den Posten ist Andreas Krautwald.
Uwe Bachmann, Landeschef der Gewerkschaft der Polizei: „Es ist richtig, alles vollständig aufzuklären. Aber durch die anonymen Schreiben wird eine Misstrauenskultur geschaffen.“
Erst in der vergangenen Woche sind neun private Handys von Zugführern in der Landesbereitschaftspolizei sichergestellt worden, weil ein anonymer Briefschreiber behauptete, dass in WhatsApp-Gruppen Nazisymbole und andere Nachrichten mit strafbaren Inhalten ausgetauscht worden sein sollen. Die Ermittlungen dazu laufen noch, so Oberstaatsanwalt Frank Baumgarten.